Auf den ersten Blick gleicht der silberfarbene Mercedes GLC, der auf dem abgesperrten Betriebsgelände in Kirchheim-Nabern auf uns wartet, seinen Brüdern mit Verbrennungsmotor bis aufs Haar. Der 4,67 Meter lange und 1,64 Meter hohe Mittelklässler unter den Mercedes SUV, der seit Juli 2015 in Bremen gebaut wird, ist einer dieser beliebten Boulevard-Offroader mit dem Stern im Kühlergrill. Doch da lässt sich schon der erste kleine Unterschied entdecken: Denn in diesem Fall trägt das Markenzeichen einen schmalen blauen Rahmen und rechts entdecken wir das kleine „F-Cell“-Logo. Dieses filigrane Blau findet sich auch an den Seitenschwellern, den 20-Zoll-Rädern und am Heck. Alles sehr dezent.

Auch im Innenraum wartet erst mal nichts Sensationelles. Dunkles Leder, glänzender Klavierlack und das feine GLC-Cockpit mit dem großen freistehenden Zentraldisplay in der Mitte, auf dem aber gleich eine ungewöhnliche Energieflussanzeige flimmern wird. Willkommen im neuen Brennstoffzellen-Highlight von Mercedes-Benz. Denn dieser GLC kombiniert weltweit erstmalig Brennstoffzellen- und Plug-in-Batterietechnik. Und was am Ende rauskommt ist wirklich nur Wasserdampf.

Wo „F-Cell“ draufsteht…
Die blauen Designelemente verraten, dass sich unter der Haube mehr versteckt, als der GLC F-Cell auf den ersten Blick anmuten lässt.
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Bei Brennstoffzellen-Autos wird Wasserstoff getankt, das dauert nur drei Minuten. Und die Brennstoffzelle — der F-Cell hat im Stack rund 400 verbundene Exemplare davon — gewinnt dann Energie aus der chemischen Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff. Dabei entstehen Strom, Wärme und Wasser, aber kein klimaschädliches Kohlendioxid. Tatsächlich verbrennt hier nichts, in der Zelle wird lediglich Energie umgewandelt, der Strom wiederum treibt den Elektromotor.

4,4 Kilogramm Wasserstoff an Board

Und weil das neue Brennstoffzellen-Aggregat im Vergleich zur Vorgängergeneration (Mercedes B-Klasse F-Cell) um 30 Prozent kompakter ist, passt es nun auf den Zentimeter genau in den konventionellen Motorraum des SUV-Modells. Ein schöner Vorteil, denn so können die Brennstoffzellen-Aggregate, die bei der Daimler-Tochter NuCellSys in Nabern außerhalb Stuttgarts zusammengebaut werden, wenig später im Bremer GLC-Werk ruckzuck an den gleichen Aufhängungspunkten wie die konventionellen Triebwerke verschraubt werden.

Was nicht zu sehen ist: Die beiden zigarrenförmigen, dick mit Karbonfaser ummantelten 700-bar-Wasserstofftanks, die zusammen 4,4 Kilogramm Wasserstoff fassen, liegen geschützt längs im Mitteltunnel und quer vor der Hinterachse. Direkt an der Hinterachse arbeitet auch der Asynchron-Elektromotor mit der satten Maximalleistung von 147 kW (200 PS) und einem Drehmoment von 350 Nm. Obendrauf sitzt die Lithium-Ionen-Batterie mit der Netto-Kapazität von 9,3 kWh, die sich über den 7,2-kW-Onboardlader im Idealfall in nur 1,5 Stunden wieder aufladen lässt.

Das Innenleben
Batterie hinten, Brennstoffzellen vorne: In den SUV muss viel Technik reinpassen.
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Um die Serpentinen der schwäbische Alb

Wie Brennstoffzellentechnik und Batteriepower zusammenspielen? Das erfahren wir bei einer Testfahrt. Unser Fahrer Holger Richter freut sich schon. „Wir fahren ein bisschen auf die Alb“, kündigt er vielsagend an und gibt dann auf der Landstraße gleich richtig Gas. Richter, im eigentlichen Arbeitsleben in der Brennstoffzellen-Projektleitung mit der Antriebsstrang-Entwicklung beschäftigt, düst mit uns auf einer 25-Kilometer-Runde in der schwäbischen Berglandschaft herum, wo es von Steigungen, Serpentinen und engen Spitzkehren nur so wimmelt. Ideales Terrain für eine Vorzeige-Temporunde.

Zu hören ist fast nichts, bis auf ein leises turbinenartiges Rauschen des Elektromotors. „Das wird auch noch besser gedämmt“, reagiert Richter auf unseren fragenden Blick und steuert die ersten Serpentinen an. Und da müssen wir uns schon richtig festhalten, so spontan und geschmeidig geht das gut zwei Tonnen schwere SUV um die Ecken. Wir glauben dem Daimler-Mann: Speed und Kurvenkünste können nicht nur am Fahrer liegen, das hier ist kein Verzichtsmodell. „Mit diesem Auto kann man richtig Spaß haben“, sagt Richter.

„Die Brennstoffzelle und die E-Power von der Batterie arbeiten gerade im Hybrid-Modus perfekt zusammen“, erklärt er dann. Das funktioniere schon beim Kaltstart: Der Akku liefere systemtypisch schlagartig das volle Drehmoment für die Leistungsspitzen, die Kraft der Brennstoffzelle (60 kW) addiere sich dann relativ konstant — immer im optimalen Wirkungsgradbereich. Was natürlich auch der Lebensdauer der Brennstoffzelle zugute komme, die im übrigen auch bis minus 30 Grad oder bei 50 Grad Hitze problemlos funktioniere.

Kältetest
Bis zu minus 30 Grad Celsius halten die Brennstoffzellen aus – kein Wunder, dass die Mitarbeiter beim Test dick eingepackt sind.
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Ein Fahrmodus für jede Situation

Und sonst? Im „F-Cell“-Modus bleibe der Ladezustand der Hochvoltbatterie konstant, im „Charge“-Modus werde sie für Leistungsreserven geladen. Und im „Battery“-Modus gehe es eben nur batterie-elektrisch voran. Mercedes nennt hierfür eine Reichweite von 49 Kilometern (NEFZ-Messung). „Rund 35 Kilometer sind immer drin“, verspricht uns Richter. Mit anderen Worten: Für die Fahrt zum Bäcker reicht die Kapazität in jedem Fall, aber auch für eine tägliche Kurzstreckenpendelei ins Büro.

Die Stärke der Energierückgewinnung beim Rollen und Bremsen (Rekuperation) lässt sich übrigens einstellen. Im „Automatik“-Modus werden dabei für ein rechtzeitiges energiebringendes Bremsen sogar die Gelände-, Straßen- und Verkehrszeichen-Infos berücksichtigt. Und selbstverständlich sind auch alle aktuellen Fahrerassistenzsysteme der Marke an Bord des F-Cell.

Die Höchstgeschwindigkeit des Vorserienmodells liegt bei 160 km/h und der prestigeträchtige Sprint auf Tempo 100 ist schätzungsweise in gut acht Sekunden geschafft. Und die Gesamtreichweite? 437 Kilometer, sagt Mercedes offiziell — ein Laborwert nach bisheriger NEFZ-Messung, der Wert nach neuer WLTP-Norm folge noch. Vielleicht kitzeln die Stuttgarter ja auch noch ein paar Kilometer raus. Die Techniker reden derzeit lieber von „mindestens 300 Kilometern unter realistischen Alltagsbedingungen“. Die seien wirklich immer garantiert.

Über 600 Kilometer Reichweite in der Zukunft?

Ein heißes Thema, denn das deutsche Netz der Wasserstoff-Tankstellen ist noch immer arg grobmaschig. Gerade wurde in Ingolstadt die 45. Zapfanlage eröffnet und erst 2023 dürfte es eine halbwegs ordentliche Flächenabdeckung geben. Dann sollen es immerhin 400 Stationen sein. Da ist der neue Hyundai Nexo mit angesagten 800 km Brennstoffzellen-Reichweite (real dürften es rund 600 km sein) schon mehr auf der sicheren Seite, andererseits arbeitet man bei Mercedes auch schon fieberhaft an größeren Reichweiten.

„Sechs Kilogramm Wasserstoff wären aus meiner Sicht technisch möglich“, sagt Christian Mohrdieck, Chef des Daimler-Brennstoffzellenprojekts. Das bedeutet deutlich über 600 Kilometer Reichweite. Das wäre dann wohl aber nicht vor 2022/23, also erst in der nächsten Modell-Generation wie aus Stuttgart zu hören ist. Mohrdieck hat klare Prämissen: „Hinter der Hinterachse werden wir aus Sicherheitsgründen keine Tanks platzieren und beim Platzangebot soll es für die Passagiere keine Einbußen geben.“ Im F-Cell liegt der Ladeboden im Vergleich zu den Verbrennermodellen gerade mal drei bis vier Zentimeter höher, bedingt durch die hier etwas hochragende Lithium-Ionen-Batterie, die übrigens von der Daimler-Tochter Accumotive aus dem sächsischen Kamenz geliefert wird.

Mieten statt kaufen

Auch Allradantrieb wäre kein Problem. „Wir müssten das System vorne nur etwas flacher machen, den Brennstoffzellen-Stack kürzen oder einfach hinlegen“, erklärt der Chef. Und natürlich könne man für mehr Leistung die 60-kW-Grundeinheiten auch mit verschiedenen Batteriegrößen kombinieren. Zum Beispiel für eine Brennstoffzellen-Version des größeren GLE-SUV oder für neue Nutzfahrzeuge. Insgesamt müssten die Kosten der Brennstoffzelle jedenfalls deutlich gesenkt und sämtliche Prozesse weiter optimiert werden. „Wir sind erst am Anfang“, sagt Mohrdieck. Die Relevanz der Brennstoffzelle werde erst nach 2025 signifikant steigen.

Kosten? Ein spannendes Stichwort, denn für den GLC F-Cell gibt es keinen Preis. Das Auto soll nicht frei verkauft werden, weil der Preis sonst wohl astronomisch hoch wäre. Mercedes plant deshalb ein „Full Service-Mietmodell“. Eine Art Komplettangebot also, in dem alle für den privaten oder Unternehmens-Kunden relevanten Kosten inklusive sind. „Das Thema ist noch in der finalen Ausgestaltung“, vertröstet uns ein Unternehmenssprecher.

Produktion noch in sehr kleinem Ausmaß

Nicht vergessen darf man natürlich das Manko, das derzeit noch alle Brennstoffzellen-Fahrzeuge betrifft. Denn bislang wird der hochgelobte Energieträger Wasserstoff unter Energieverlust aus fossilen Energiequellen (meist Erdgas) gewonnen. Dafür ist aber die Energiedichte von Wasserstoff rund 13 Mal höher als die aktueller Lithium-Ionen-Batterien. Während diese etwa 125 Wattstunden pro Kilogramm enthält, sind es beim Wasserstoff rund 900 Wh/kg. So kann viel mehr Energie für mehr Reichweite im Auto untergebracht werden. Für die Brennstoffzelle spricht auch, dass ihr Wirkungsgrad fast doppelt so hoch ist wie der des Verbrennungsmotors — er liegt je nach Betrieb bei bis zu 65 Prozent.

Also kein Grund zur Aufregung, zumal sich nicht nur bei den wenigen Brennstoffzellen-Wettbewerbern in Fernost, sondern auch bei Daimler das Ganze erst einmal im kleinen Rahmen abspielt, denn die aktuelle Tageskapazität in Kirchheim-Nabern liegt noch im einstelligen Bereich. Fünf, höchstens zehn Brennstoffzellen-Aggregate können hier im Einschichtbetrieb aus 250 Einzelteilen montiert werden. Größtenteils in Handarbeit.

Mehr als eine Verdopplung der Stückzahlen scheint mittelfristig auch bei Daimler nicht möglich. Aber das Achtungssignal kommt wie immer aus China: Die kommunistische Regierung hat jetzt den Bau von Brennstoffzellenfahrzeugen mit Priorität in den aktuellen Fünfjahresplan aufgenommen.

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