Wer sagt eigentlich, dass die feinen Ideen immer nur in den Metropolen sprießen, wo die akademische Elite abends beim Craft-Bier zusammenhockt und anderntags die nächsten drei Start-ups gründet? Manchmal kommen sie auch direkt vom sehr provinziellen Ackerrand. Zum Beispiel aus Borgholzhausen. „NRW-Sibirien“ nennen sie am Rhein jenen Landstrich oben im Nordosten, wo es ans Niedersächsische grenzt und das Rundfunkprogramm eher knarzig zu empfangen ist. Dort lebt und arbeitet Dirk Strothmann. Der 48-jährige Tüftler hat ein innovatives, magnetisches Fahrradlicht entwickelt, das die Reifen nicht berührt und ohne Kabel, Akkus oder Dynamo auskommt – die „MagnicLights“.
Strothmann ist passionierter Radfahrer und ausgezeichneter Ausdauersportler. Er ist Deutscher Meister im Duathlon und hat an diversen Weltmeisterschaften teilgenommen. Bei seinen Radtouren ist er hin und wieder vom Dorfsheriff aufgehalten worden: „Der hat mich gern gestoppt, weil ich am Rad kein Licht hatte. Das Auge kommt mit dem Restlicht der Dämmerung aus, aber man wird nicht mehr gesehen“, erzählt Strothmann. Die zündelnde Idee zu den „MagnicLights“ kam Strothmann aber erst beim Pasta-Essen mit seinem Bruder.
Magnetrad im Inneren der Fahrradlampe
„Mein Bruder hatte mit einer Wirbelstrom-Bremse experimentiert. Sie sollte seinen Leistungsvorsprung gegenüber den Trainingspartnern ausgleichen, ihn also künstlich langsamer machen“, so Strothmann. Berührungslosen Wirbelstrom an der Metallfelge? Das könnte man auch zum Leuchten einsetzen, dachten sich die findigen Ostwestfalen und entwickelten die Leuchteinheit „MagnicLights“.
Das Konzept: Im Inneren der Lampe ist ein Generator eingebaut, der einen Magnetrad enthält. Dieser starke Magnet induziert einen Wirbelstrom in die Felge. So wird ein elektrisches Feld in den Metallfelgen erzeugt, das seine Polarität schnell wechselt und auf das Magnetfeld im Inneren der Lampe trifft. Die Folge: Das Magnetrad dreht sich – ohne die Reifen zu berühren. So wird eine Spule um das Magnetfeld angetrieben – und die Lampe leuchtet.
Fundraising-Kampagnen und Ärger mit Produktfälschern
Nach mehreren Zwischenstadien ist das LED-Licht jetzt kleinstmöglich samt Generator in den Bremsschuh gewandert – weißes Licht für vorn, rot fürs Rücklicht. „Rennradfahrer mögen einfach keinen Zusatzballast“, weiß der Tüftler aus eigener Erfahrung. Dass inzwischen mehr als 15.000 Leuchten verkauft werden konnten, hat das Borgholzhausener Kleinunternehmen insbesondere zwei Fundraising-Kampagnen zu verdanken. Für den ersten Anlauf, der eine Kleinserie realisieren sollte, waren 50.000 Dollar als Ziel gesetzt – es kam sogar die Hälfte über Plan herein.
Ende 2013 lockte eine verbesserte Serienfertigung sogar Geldgeber und Vorbesteller mit über 230.000 Dollar an – danach aber leider auch Plagiatoren aus Fernost. Die scheiterten zwar an der Technik, kopierten aber dennoch Fotos des radelnden Dirk Strothmann in ihren Flyern.
Offizielle Zulassung steht noch aus
Der letzte Wurf – die offizielle Zulassung des Bundesamtes für Straßenwesen – ist „MagnicLights“ bislang noch nicht gelungen. Es liefen Diskussionen mit wechselnden Ansprechpartnern, die – so hofft Strothmann – endlich zu einer Lösung führen könnten. „Batterielampen fürs Rad sind auch erst seit 2013 offiziell erlaubt. Und vom Lichtbild her sind diese MagnicLights identisch“, so Strothmann. Es würde den Absatz beflügeln, wenn die innovativen Leuchten über den deutschen Radfachhandel vertrieben werden könnten – bisher wird die größte Nutzerdichte stattdessen in Kalifornien verortet.
Mehrere Auszeichnungen, zuletzt der „GreenTec Award 2016“ sprechen sich auch international herum. Das könnte einem neuerlichen, zunächst abgebrochenen Fundraising auf die Füße helfen, mit dem Großserienfertigung und deutlich niedrigere Preise für die aktuelle „MicroLights“-Generation realisiert werden sollen.
Hürden vor Marktdurchbruch
Denn das ist noch die Achillesferse der Lichter vom Ackerrand: Ein Set mit drei Leuchten kostet aktuell 184 Euro. Es war bisher manchem, der stolze 3.000 Euro für sein Cross- oder Renn-Bike hinblättert, dann doch etwas zu viel. Und an der betuchteren Pedelecs-Gemeinde geht die Erfindung glatt vorbei: „Diese Fahrer haben doch ihre Batterie stets dabei und brauchen kein zusätzliches Licht. Das ist aber auch kein Drama.“
Als Ausdauersportler verfügt Dirk Strothmann über den langen Atem, den man für den finalen Marktdurchbruch benötigt. So wie er ein langes Ringen mit dem Finanzamt gewann, das die Fundraising-Einkünfte sehr viel rigider besteuert wissen wollte. Zwischendurch hat er auch schon ein prämiertes Gesellschaftsspiel entworfen und Geo-Onlinedatenbanken programmiert. Was einem halt so unterwegs auf dem Rad alles so einfällt.