In den siebziger und achtziger Jahren gingen Hunderttausende Menschen auf die Straßen, um gegen den NATO-Doppelbeschluss mit seiner geplanten Stationierung von Pershing II-Raketen oder die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf zu demonstrieren. Später waren es die Verklappung von Dünnsäure in der Nordsee oder das atomare Atommülllager in Gorleben, die die Bundesrepublik und deren Bürger in Wallung versetzten. Selbst die Klimaerwärmung war damals ein Thema. Der Spiegel titelte mit dem Kölner Dom, bei dem nur noch die Turmspitzen aus dem Wasser ragten.

Heute reichen kleine Dinge wie der vermeintliche Lärm eines Großereignisses, um die Menschen zu erregen. Oder wie in München ganz profan – E-Ladesäulen. Die brachten Geschäftsleute und die CSU in Rage. Doch: Was war eigentlich geschehen? In der bayerischen Landeshauptstadt finden sich in der Perlacher Hofangerstraße seit Mai 2018 drei Ladesäulen, an denen auf dazugehörigen Parkplätzen Elektroautos Energie zapfen. Parken dürfen dort seitdem nur noch Batterie-Pkw.

Ein guter Schritt mag man sich denken, schließlich ist der Ausbau der Ladeinfrastruktur ein essenzieller Baustein des Erfolgs der Elektromobilität. Doch statt Ausbau ist in der Hofangerstraße erstmal wieder Rückbau angesagt. Denn nur eine der Ladesäulen wird auch zukünftig Strom für E-Autos liefern, die anderen beiden werden flugs wieder abgebaut. Es fehle wegen der E-Ladesäulen nun der Platz für Kurzzeitparker, die gerne weiterhin per Otto- oder Dieselmotor bis in die Innenstadt vordringen, um dort ihre Geschäfte zu erledigen, protestierten die Ladenbesitzer in der Straße. Das sei durch die Ladeplätze unmöglich geworden.

550 Ladesäulen geplant – zwei abgebaut

„So geht das nicht“, dachten sich dann wohl zwei CSU-Stadträtinnen und beantragten vor sieben Monaten die Verlegung der Ladestationen und die Wiederherstellung der alten Parkplätze. Die Verantwortlichen grübelten seitdem, wie weiter zu verfahren sei – und beugten sich schließlich dem Protest. Die Entscheidung – im schönsten Beamten-Sprech – klingt dann so: „Infolge der ausgeführten Argumente zugunsten der Kurzzeitparkplätze entschied sich die AG Laden und Parken im vorliegenden Einzelfall zugunsten eines Rückbaus des Standorts mit drei Ladesäulen auf eine Ladesäule.“ Auch die „Verlegung der Ladepunkte, etwa in benachbarte Straßen, sei nicht zielführend“.

Rückbau klingt teuer und nicht nach Fortschritt. So wird das schwer mit der heiß ersehnten E-Auto-Wende – auf die Worte müssen auch Taten folgen. Eigentlich will die Landeshauptstadt nämlich so viele neue E-Zapfsäulen bauen, um bis Ende des Jahres 550 zu haben. Nach der Aktion in der Hofangerstraße müssen sie dabei wohl zwei zusätzliche neue Stationen einplanen.

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