Ein Porsche-Fahrer hat es nicht nur auf der Piste eilig, Geduld gehört auch sonst nicht zu seinen Tugenden. Tankstellen halten ihn unnötig auf, und Schlangestehen an der Kasse mag er da schon gar nicht, wenn in der Zwischenzeit alle gerade überholten Familienautos wieder vorbeidüsen. Und es graust ihn vor der kommenden Zuffenhausener Elektromobilität, in der er womöglich ewig an einer Ladesäule festhängt.

Doch die perfektionistischen Schwaben bauen vor, damit ihre Schäfchen auch zukünftig bei Laune bleiben. Wenn denn im Herbst 2019 mit dem Porsche Mission E (der natürlich noch einen griffigeren Namen bekommt) der erste vollelektrische Sportwagen der Marke in den Showräumen steht, soll dazu passend auch eine auf maximalen Speed getrimmte Ladetechnik und -infrastruktur mindestens republikweit einsatzbereit sein. Schließlich geht es hier um einen über 250 km/h schnellen, viersitzigen Überflieger mit über 600 Elektro-PS, dessen 80 kWh fassendes Lithium-Ionen-Batteriepaket für die Reichweite von mindestens 500 Kilometern aufgebrezelt werden muss.

Vier Minuten für 100 Kilometer Reichweite

Porsche Turbo Charging heißt das Konzept gegen die unter der Klientel grassierende Reichweiten- und Ladezeitangst. Turbo? Klingt immer gut. Und für den Mission E geht Porsche als Vorreiter auf ein 800-Volt-Bordnetz und hat dazu eigene, bedienfreundliche Ladesäulen entwickelt, von denen demnächst allein 66 (mit 109 Ladepunkten) an den Standorten des Porsche-Händlernetzes in Betrieb genommen werden sollen.

Den Anfang machen jetzt zwei öffentlich zugängliche Säulen mit 350 kW Ladeleistung am neuen Porsche-Zentrum Berlin-Adlershof. Sie decken ein Spannungslevel von 180 bis 950 Volt ab und bieten für andere Automodelle per Combined Charging System (CCS) abwärtskompatibel auch niedrigere Ladeleistungen, etwa 50, 80 oder 150 kW an. Und damit hier niemand schmutzige Finger kriegt, hängen die flüssigkeitsgekühlten und damit leichteren Ladekabel in praktischer Reichweite oben an einen Ausleger. 2018 sollen auch die ersten US-Ladestationen von Porsche öffnen – in Atlanta und Los Angeles.

Mit dem 800-Volt-Ladesystem, das auch kleinere Leitungsquerschnitte erlaubt, und einer Ladeleistung von bis zu 350 kWh, so verspricht Porsche hoch und heilig, soll sich die große Batterie des Mission E-Flitzers in nur 15 Minuten zu 80 Prozent füllen lassen – schon vier Minuten sollen für 100 Kilometer Reichweite genügen. Und hinter den Kulissen plant Porsche noch mehr Speed. »Wir integrieren in unsere Technik für später bereits die 500-kWh-Ladeleistung, damit ließe sich dann ein zukünftiger Elektroporsche in unter zehn Minuten aufladen«, sagt Michael Kiefer, bei Porsche für die Hochvoltsysteme zuständig.

Das dürfte Porsches Sportfahrern gefallen, ist aber noch nicht alles. Damit das Ganze nämlich noch ein bisschen bequemer wird, sollen sich die Jungs dann auch nicht mehr an der Kasse anstellen müssen: Die Bezahlung soll automatisiert werden. »Plug and Charge« heißt das, die Säule erkennt das Auto und den Fahrer. Abgerechnet wird erst am Monatsende – zum einheitlichen Porsche-Preis. Die Stuttgarter denken sogar darüber nach, ihren Chargebox-Würfel (Kantenlänge rund 1,20 Meter) nebst Ladesäule auch für solvente Privatkunden anzubieten – das Ding fürs Grundstück würde derzeit allerdings noch 150.000 Euro kosten.

Darüber hinaus ist Porsche über den VW-Konzern mit dem IONITY-Konsortium verbandelt, das allein in der ersten Ausbauwelle rund 400 Schnelladesäulen (CCS-Ladestandard, 800-Volt-kompatibel) entlang der europäischen Hauptverkehrsachsen bis 2020 aufstellen will – alle 120 bis 150 Kilometer eine Ladestation, damit auch der Urlaubstrip nach Italien entspannt verläuft. Idealerweise auch direkt an der Autobahn, kein Problem, neuerdings ist hier ja (neben BMW, Daimler, Ford) auch Shell mit von der Partie. Und es gibt bereits Ideen zu angeschlossenen Coffee-to-go-Bars und diversen coolen Shopping-Locations.

Batterie-Garantie fürs ganze Fahrzeugleben

Auch über die Haltbarkeit der Batterien, soll sich der künftige Besitzer eines Zuffenhausener Vollstromers keine Gedanken machen. Porsche will seinen Kunden eine quasi lebenslange Fahrzeuggarantie offerieren, mindestens jedoch für 300.000 Kilometer. Nur nebenbei: Die prismatischen Zellen des flach im Fahrzeugunterboden verbauten Speichers kommen vom südkoreanischen Elektronikgiganten Samsung, der sie dann in seinem österreichischen Werk Graz zu den jeweiligen Batteriepaketen zusammenbaut. Und für Fragen und Problemfälle wird es bei allen Porsche-Händlern mindestens zwei schlaue »Hochvolttechniker« geben, die jetzt zu »Hochvoltexperten« weitergebildet werden, erklärt Felix Raithelhuber. Raithelhuber ist als Projektmanager für die E-Verkaufsthemen zuständig.

Apropos Verkauf. Der Mission E, für den bisher mit Stückzahlen von jährlich 20.000 Exemplaren geplant wurde, reizt offenbar schon im Vorfeld mehr Kunden als geplant, obwohl die ungetarnte Serienversion noch niemand gesehen hat. »Es gibt bei uns schon Gedanken für einen erhöhten Bedarf, weil wir für das Auto so viel Zuspruch haben«, erklärt Porsches Produktionsvorstand Albrecht Reimold. Sogar eine dritte Schicht wird da schon mal diskutiert, ist zu hören.

Den ganzen Aufwand betreibt Porsche natürlich nicht für einen einzigen Mission E-Überflieger, dessen 800-Volt-System übrigens als nächstes garantiert von Audi angewendet werden dürfte. Nein, die PPE-Architektur («Premium Plattform Elektro«) des Mission E wird es bei Porsche später in verschiedenen Größen für mindestens drei Fahrzeuggattungen geben – die »PPE 41« für kompaktere Fahrzeuge wie einen vollelektrischen Macan-SUV (Hochboden-Ausführung), »PPE 51« für die mittelgroßen Formate wie den Mission E und »PPE 61« fürs Großformat a la Porsche Panamera.

Turbo-Version soll spätestens 2021 folgen

Selbstverständlich wird es vom Mission E später auch eine »Turbo«-Version geben, ein verschärftes Topmodell mit mindestens 600 bis 800 Kilometer Reichweite und noch stärkeren Elektromotoren – kommt spätestens 2021. Überhaupt wird das Thema Reichweite zu einem Fall für die Aufpreisliste werden, mehr Reichweite ließe sich dann einfach freischalten oder per Update erhalten. Und auch über eine Roadster-Version des Mission wird in Zuffenhausen bereits nachgedacht.

Zudem wird Porsche wie BMW die elektrische Reichweite seiner PS-starken Plug-in-Modelle Porsche Panamera (Luxuslimousine), Panamera Sport Turismo (Luxus-Schrägheckmodell) und Cayenne (SUV-Flagschiff, Verkauf ab Frühjahr 2018) in zwei bis drei Jahren nahezu verdoppeln. Das wäre auch angebracht, denn aktuell sind es zwar 50 Kilometer laut Werksangabe, doch bei unserer Panamera-Testfahrt kamen wir vor einigen Tagen trotz zarter Fahrweise gerade mal auf 30 Elektro-Kilometer im normalen Verkehr. »Hundert Kilometer sind im Bereich des Denkbaren«, bestätigt schon mal Gernot Döllner, der Baureihenleiter des Panamera. Okay, das sollte dann wohl für längere elektrische City-Touren reichen.

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