Alles begann auf – einem Bierdeckel. Auf der Pappe zeichneten Streetscooter-Boss Achim Kampker und Ford-Entwicklungschef Jörg Beyer ihre gemeinsame Vision eines Nutzfahrzeuges mit Elektroantrieb auf. Das war im Spätsommer 2016. „Rudi“ nannten die Beiden das Projekt, rudimentär, unvollständig also war die Idee damals noch.

In wenigen Monaten wurde das Projekt umgesetzt, bereits im Mai 2017 rollte der erste Prototyp – und überzeugte auf Anhieb. „Für die Entwicklung von Großserienfahrzeugen für die unterschiedlichen Märkte mit den diversen gesetzlichen Vorgaben benötigt man bis zu vier Jahre“, sagt Beyer. „Beim Work XL haben wir diesen Prozess außer Kraft gesetzt, weil es von Streetscooter und DHL von Beginn an ziemlich genaue Vorgaben für den Work XL auf Transit-Basis gab.“

Von „Rudi“ spricht heute niemand mehr: Ford und die Aachener Streetscooter GmbH, eine Tochter der Deutsche Post DHL, kooperieren gemeinsam bei der Serienfertigung des Streetscooter Work XL. Jetzt wurde die Produktion bei Ford in Köln offiziell gestartet.

Basis des Elektroautos ist das Fahrgestell eines Transit, das Ford als europäischer Marktführer für leichte und mittlere Nutzfahrzeuge in der Türkei produziert. In den Werkhallen in Köln wird der batterieelektrische Antriebsstrang und der Karosserieaufbau samt Ladekoffer nach der Entwicklung von Streetscooter und den Vorgaben der Post montiert.

Die einzelnen Schritte erfordern viel Handarbeit der 180 Beschäftigten, handwerkliches Know-how und Fachwissen sind für die diversen Arbeitsschritte erforderlich. Es gibt keine Roboter und so gut wie keine Automation, lediglich für die Montage des Ladekoffers sind helfende Hebezeuge im Einsatz. 16 Work-XL-Modelle entstehen pro Tag im Zweischichtbetrieb, das maximale Jahresvolumen wird bei 3.500 Fahrzeugen im Jahr liegen. Mit der aufwändigen Fertigung beweist Ford: Der Großserienhersteller – ein paar Hallen weiter laufen täglich derzeit 1.400 Fiesta vom Band – kann auch Manufaktur.

Der Work XL schafft bis zu 200 Kilometer

Mit seinem Ladevolumen von 20 Kubikmetern und einer Zuladung bis 1.275 Kilogramm ist der Work XL die größte Variante der Streetscooter-Familie. Der Laderaum mit seinen Regalen ist vom Fahrerhaus aus begehbar. Be- und entladen wird der Work XL über die Hecktür und eine Schiebtür an der rechten Seite. Der Elektroantrieb leistet 90 kW (122 PS). Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei maximal 90 km/h, die Reichweite bei einer Batteriekapazität (Lithium Ionen) von bis zu 76 kWh beträgt maximal 200 Kilometer.

Die kleineren Varianten des Streetscooter („Strassenroller“) Work XL sind die Modelle: Work (Batterie: 20 kWh Li-ion, Höchstgeschwindigkeit: 85 km/h, Gesamtzuladung: 720 kg, 4 Kubikmeter Ladevolumen, Reichweite: 113 km (NEFZ) und der größere Work L (Batterie: 40 kWh Li-ion, Höchstgeschwindigkeit: 85 km/h (elektronisch begrenzt), Gesamtzuladung: 895 kg, 8 Kubikmeter Ladevolumen, Reichweite: 205 km (NEFZ)).

Diese beiden Ausführungen werden in den Streetscooter-Werken in Aachen und in Düren gebaut – für die Deutsche Post und inzwischen auch für Drittkunden. Die Fertigung in Aachen hat eine Jahreskapazität von maximal 10.000 Einheiten. Auf dieses Volumen kommt auch die Fertigung in Düren, die im Frühjahr 2018 auf dem Gelände des Autozulieferers Neapco eröffnet wurde. Der Standort, ehemals ein Komponentenwerk von Ford und später Visteon, bietet bis zu 250 Arbeitsplätze.

8.000 Streetscooter-Fahrzeuge sind heute bereits für die Post bundesweit im Einsatz. Inzwischen gibt es nach Angaben von Streetscooter-Gründervater Kampker zahlreiche Anfragen von Drittkunden – Kommunalbetrieben, Handwerkern und Nahverkehrs-Logistikern – für die Elektromobile. Auf der Nutzfahrzeuge IAA in Hannover zeigte Schmitz Cargobull bereits den Kühlaufbau, den Work L Cool. Auch der Aufbau als Wohnmobil ist denkbar.

Die ersten Streetscooter Work XL wird die Deutsche Post in den kommenden Wochen in den Großräumen Aachen, Bonn und Köln einsetzen. Das Ford-Logo – die blaue „Ford-Pflaume“ – wird man den „Strassenrollern“ allerdings vergeblich suchen. Die Fahrzeuge tragen stattdessen das Streetscooter-Markenzeichen.

Keine Aussagen gab es zu der Fragestellung, ob Ford und Streetscooter diese Kooperation in der Zukunft noch enger fassen wollen – etwa durch eine Kapitalbeteiligung.

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