Fast 15.000 Euro für ein Mountainbike mit elektrischer Trittunterstützung? Mein Finanzvorstand würde mir den Kopf abreißen. Das Haibike XDuro FullSeven Carbon 10.0, dank allerlei Leichtbauteile gerade einmal 17,5 Kilo schwer, kann ich mir abschminken – für solche Summen, ich höre schon das Gezeter, gibt es eher eine neue Einbauküche. Ok, ok, ich sehe es ja ein – so viel Geld für ein Fahrrad, für ein paar Runden am Feierabend und an den Wochenenden, ist unter Amateuren nicht zu vertreten.
Was uns zur nächsten Frage führt: Gibt es vielleicht auch E-Mountainbikes, die für Normalverdiener erschwinglich sind – und trotzdem gut sind?
Nadine Schindelmann von Haibike empfiehlt mir ein anderes vollgefedertes Fullseven des aktuellen Modelljahrs 2018, Kein X- sondern ein S-Duro. Kein Carbonrahmen, sondern nur ein Rahmen aus Aluminium. Kein 10.0, sondern nur ein 6.0. Aber dafür auch keine 14.999, sondern nur 3.799 Euro. Für einen ähnlichen Preis – damals allerdings noch in DM – habe ich zwar vor 40 Jahren mein erstes Auto gebraucht gekauft. Aber bei dem Preis muss ich immerhin keine Privatinsolvenz fürchten. Also her damit.
Ein paar Tage später steht das Test-Bike vor der Haustür. Die Farbgebung gefällt mir schon mal ausgesprochen gut: Weiß mit Grellrot – wie die Farben meines geliebten 1. FC Köln. Auch die verbauten Komponenten können sich sehen lassen. Zwar nicht erste Liga, aber oberes Mittelfeld der zweiten Liga. Und wenn man ein paar Teile austauscht, durchaus aufstiegstauglich.
Der Yamaha-Motor reicht vollkommen aus
Der unter Last etwas brummige Mittelmotor vom Motorradhersteller Yamaha ist 250 Watt stark und entwickelt ein maximales Drehmoment von 75 Newtonmeter – das reicht zumindest fürs Siebengebirge voll und ganz. In vier Stufen – Eco und Eco Plus, Standard und High lässt sich die Kraft per Knopfdruck am Lenker einteilen und fein dosiert auf die Tretkurbel übertragen.
Die Schaltgruppe Deore XT von Shimano ist speziell für Mountainbikes entwickelt und gehobene Mittelklasse, bietet mit 20 Gängen und zwei Kettenblättern vorne aber eher zu viel als zu wenig Schaltmöglichkeiten: Die kleinere Kurbel wird eigentlich nur im Notfall benötigt – dann nämlich, wenn dem am Unterrohr befestigten Akku die Puste ausgeht und keine Steckdose in Sicht ist. Das 32er-Blatt erlaubt es, das 23,2 Kilo schwere Bike auf den letzten Kilometern auch allein mit Muskelkraft ins Ziel zu pedalieren. Auch nimmt es das Haibike in der Einstellung mit dem Tempolimit von 25 km/h nicht ganz so genau. Bergab habe ich das zu schätzen gelernt.
Der abnehmbare Yamaha-Akku hat eine Speicherkapazität von 500 Wattstunden, was je nach Topografie und gewählter Unterstützungsstufe und Umdrehungszahl – der Motor erlaubt bis zu 110 Kurbelumdrehungen pro Minute – für Touren für bis über 60 Kilometer reicht. Wer permanent „High“ ist und „Eco“ scheut, wird schon nach etwa 40 Kilometern zum „Bio-Radler“, der sich allein mit Muskelkraft bewegt. Ein effizienter Energieeinsatz macht sich also auch hier bezahlt.
Die e-MTBs der SDuro-Serie von Haibike sind für leichtes bis mittleres Gelände konzipiert – also perfekte Begleiter im Siebengebirge oder im Bergischen Land. 120 Millimeter Federweg der guten RockShox-Gabel vom Typ Recon reichen allemal, um die Singletrails rund um die Löwenburg bei Königswinter oder den legendären Ho-Chi-Minh-Pfad im Lohmarer Wald zu bewältigen. Die fetten Schwalbe-Räder im Format 27,5 Zoll sorgen für ordentlich Grip auf sandigen wie matschigen Pfaden, der tief gelagerte Motor und der relativ kurze Radstand für ein agiles Fahrverhalten. Und wenn es gerade mal nicht über Stock und Stein geht, sorgt der Rockshox-Dämpfer im Hinterbau für ordentlichen Fahrkomfort. Scheibenbremsen von Magura – vorne mit 203 Millimeter Durchmesser und vier Kolben, hinten mit 180 Millimeter mit zwei Kolben – lassen sich fein dosieren, verzögern im Ernstfall aber auch kräftig – einen Frontalzusammenstoß mit einem Auto auf abschüssiger Piste konnte ich so in letzter Sekunde noch verhindern.
Nicht mehr missen möchte ich nach dem Test die per Seilzug fernbedienbare Teleskop-Sattelstütze, die bei dem Haibike verbaut war: Das Absenken des Sattels während der Bergabfahrt minderte die Unfallgefahr und im Straßenverkehr beim Stopp vor der Ampelanlage die Standsicherheit.
Kurzum: Das vollgefederte Haibike SDuro Fullsven LT 6.0 macht Laune. Es bietet für eine vergleichsweise günstigen Preis eine ordentliche Ausstattung, ist gut verarbeitet und robust. Und es fährt sich gut.
Das Design ist nicht mehr der letzte Schrei: Der Trend geht klar zum Akku, der in den Rahmen wenigstens teilintegriert ist. Andererseits: Wer in einem Mehrfamilienhaus zur Miete wohnt, wird es schätzen, dass Rad und Akku leicht zu trennen sind und das Rad zum Laden der Batterie nicht komplett in die dritte Etage getragen werden muss. Also: Wer sich beim Kauf eines e-MTBs finanziell nicht völlig verausgaben will, trifft mit diesem Bike eine gute Wahl. Und wer gerade kein Fan des 1. FC Köln ist: Haibike liefert das Rad auch in anderen Farbstellungen.
Anmerkung: In einer ersten Version des Texts hatten wir das Gewicht des Haibike XDuro FullSeven Carbon 10.0 mit 12,5 Kilo angegeben, es sind aber 17,5 Kilo. Wir haben die Angabe korrigiert.