Eines steht fest: Ohne Tourismus wäre das fragile Ökosystem der Malediven am besten dran. Da dieser jedoch die wichtigste Einnahmequelle des Inselstaates darstellt, versucht man, ihn verträglicher zu gestalten. Helfen sollen beispielsweise Korallenschutzprogramme. Und dabei dürfen die Urlaubsgäste auch gerne mal selbst mit Hand anlegen.
Zuckerweiße Strände, riesige Palmen, die Schatten spenden, ringsherum der Indische Ozean, der in allerlei Türkis- und Blaunuancen leuchtet – hier auf dem Nord-Malé-Atoll liegt das Luxus-Resort Gili Lankanfushi, wo viele Urlauber gerne ihre Flitterwochen verbringen. Umgeben von einer Kulisse, die aussieht als sei sie einer Fototapete entsprungen, sitzt die englische Meeresbiologin Emma Bell mit einer Gruppe Touristen auf dem Holzboden einer Veranda und erklärt, wie man eine sogenannte „Coral Line“ herstellt. Dabei handelt es sich um ein festes Tau, in das kleine Korallenstücke eingesetzt werden, um zu wachsen. Für 140 US-Dollar können Gäste eine Patenschaft für eine solche Coral Line übernehmen. Wenn man bedenkt, dass die Übernachtungspreise beim Gili Lankanfushi im vierstelligen Bereich liegen, ist das nicht viel.
Neue Korallen-Paten gesucht
Viele Urlauber nehmen das Angebot gerne wahr und wer möchte kann die Coral Line sogar selbst bestücken. Dafür wird eine bereits bestehende Koralle aus einem Gebiet, auf dem beispielsweise ein neues Resort entstehen soll, entnommen und in viele kleine Stücke zerteilt. Diese Fragmente werden dann in ein festes Tau mit einem Abstand so eingesetzt, dass sie genug Platz zum Wachsen haben.
Das Besondere: Jede Coral Line erhält ihre eigene Nummer. Und das nicht nur, damit Meeresbiologen wie Emma Bell ihre Entwicklung über die Jahre wissenschaftlich dokumentieren können, sondern auch damit die Gäste erfahren, was aus ihrem Projekt geworden ist. Denn jeder Pate einer Coral Line wird regelmäßig per Mail über den Erfolg informiert. Nach ungefähr drei Jahren werden die Zöglinge dann ins Hausriff verpflanzt.
Viele Urlauber wollen mit anpacken
Ein ähnliches Szenario lässt sich auch auf dem etwa 200 Kilometer entfernten Baa-Atoll beobachten, wo das wesentlich preisgünstigere Reethi Beach Resort liegt. „Monatlich findet im Resort ein Umwelt-Aktionstag statt, an dem wir spezielle Aktivitäten rund ums Thema Nachhaltigkeit veranstalten, so auch das Pflanzen von Korallen, an dem die Gäste teilnehmen können“, erzählt Peter Gremes, General Manager des Reethi Beach Resorts. Was die verschiedenen Möglichkeiten des Coral Plantings betrifft habe jeder Meeresbiologe seine eigene Präferenz, so Gremes. Es funktioniere eigentlich alles sehr gut und manche Korallenarten würden schnell wachsen. Aber da die Korallenbleichen immer häufiger auftreten, hätten die kleinen Zöglinge kaum eine Chance.
Das Beste, was man machen könne, sei es daher, die sogenannten Stressoren zu minimieren: „Das bedeutet zum Beispiel, darauf zu achten, dass das Abwasser, das in das Meer geleitet wird, relativ sauber ist und dass die im Hotel verwendeten Reinigungsmittel keine Chlorbleiche oder andere schädliche Inhaltsstoffe enthalten.“ Außerdem sei es wichtig, die Gäste darauf hinzuweisen, dass sie die Korallen nicht beschädigen, etwa indem sie diese beim Baden oder Schnorcheln zertreten.
Das Engagement kommt gut an bei den Gästen. Viele von ihnen sind begeisterte Taucher und wollen etwas dafür tun, dass es „ihrer“ Unterwasserwelt wieder besser geht. Dass sie krank ist, lässt sich längst nicht mehr übersehen. Denn egal wohin man schaut: Es ist grau statt bunt.
Ohne Riffe versinken die Inseln im Meer
Unterstützung bekommt das Resort von erfahrenen Wissenschaftlern wie Ameer Abdulla. Abdulla arbeitet unter anderem als Associate Professor für Marine Biodiversity and Conservation Science an der University of Queensland in Australien und als National Geographic Explorer. Der 42-jährige, der weltweit verschiedene Korallenschutzprojekte betreut, besucht auf seiner Mission auch regelmäßig das Reethi Beach Resort. Denn dieses war das erste Hotel, das am „Marine Managed Area“ Programm teilnahm, um gemeinsam mit der International Union for Conservation (IUCN) die Widerstandsfähigkeit der Korallen zu stärken.
„Vielen ist gar nicht bewusst, welche wichtigen Funktionen die Korallen für unsere Umwelt haben“, so Abdulla. „Ohne ihre Riffe wären die Malediven nicht vor Stürmen geschützt, die Strände würden erodieren und es könnte passieren, dass die Inseln regelmäßig überflutet werden“, warnt der Wissenschaftler, der auch Senior Fellow bei der Wildlife Conservation Society ist. Außerdem seien die Korallenriffe ein wichtiger Lebensraum unter anderem für viele Fische und Krustentiere. Ihnen dienen die Korallen als Schutz vor Raubtieren und als Nahrungsquelle. All das versucht der engagierte Wissenschaftler den Urlaubern bei Themenabenden in gemütlicher Cocktailbar-Atmosphäre deutlich zu machen.
Bei der Zusammenarbeit mit den Resorts müsse man sehr sensibel sein, schließlich stecke im Tourismus viel Geld. Im Reethi Beach, mit dem er seit sechs Jahren zusammenarbeitet, wurde er aber mit offenen Armen empfangen. „Wir versuchen unseren Gästen das Thema Umweltschutz auf verschiedenen Wegen näher zu bringen und achten auch darauf, mit unserem Hotelmanagement ein Vorbild zu sein“, sagt der General Manager des Resorts Peter Gremes. „Besonders stolz sind wir auf unsere hoteleigene Filteranlage, mit der wir aus Meerwasser Trinkwasser gewinnen. Dieses füllen wir in Glas- statt Plastikflaschen ab.“ Ein System, das das Resort-Team auch auf der benachbarten Einheimischen-Insel etablieren konnte.
Wettlauf gegen die Zeit
Natürlich sei der Klimawandel der größte Stressfaktor, der den Weltmeeren zu schaffen mache. Darüber sind sich Ameer Abdulla und der Hotelmanager einig. „Im letzten Jahr hatten wir wieder ein globales Bleaching-Event, bei dem an den untersuchten Riffen der Malediven 50 bis 90 Prozent der Korallen verblichen oder gestorben sind. Und die Abstände werden immer geringer. So haben die noch bestehenden Korallen kaum Zeit, sich zu regenerieren“, erzählt Abdulla.
Bereits leichte Temperaturschwankungen von zwei bis drei Grad oder Trübungen des Wassers können dazu führen, dass jahrtausendealte Korallenbestände zerstört werden. Denn vor allem in den tropischen Meeren haben sich Arten durchgesetzt, die eine günstige Umgebungstemperatur benötigen. Ist diese nicht gegeben, sterben die mit den Korallen in Symbiose lebenden Algen. Dadurch verlieren die Korallen ihre prächtigen Farben und bleichen aus – das sogenannte Coral Bleaching setzt ein. Dann sterben die Korallen selbst, denn ohne Nahrung können auch sie nicht überleben.
Meeresschutzgebiete dringend notwendig
„Korallenriff-Forscher prognostizieren, dass vermutlich nur 20 Prozent der Riffe, wie wir sie jetzt kennen, in den nächsten 50 Jahren überleben werden“, beklagt Ameer Abdulla. Restaurationsprojekte seien wichtig, um ein Bewusstsein für das Thema zu schaffen und in einem kleinen Umfang würden sie auch Wirkung zeigen. Doch bis diese einen signifikanten Effekt hätten dauere es Jahrzehnte. Es müsse mehr getan werden und zwar schnell: „Wir benötigen ein besseres Umweltmanagement für die Riffe, einen nachhaltigen Fischfang, sensibilisierte Reisende und Einheimische vor Ort, Umweltunterricht in Schulen und noch viele weitere Hotelmanager, die umdenken.“
Vor allem sei es wichtig, dass weltweit mehr Meeresschutzgebiete ausgewiesen werden. Denn dadurch könne zum Beispiel die Übersäuerung der Ozeane, die ebenfalls zum Korallensterben beitrage, abgemildert werden. Auch bedrohte Meeresbewohner fänden so ein Refugium. Derzeit stehen weltweit erst rund sechs Prozent der Meeresfläche unter Schutz, 2020 sollen es zehn Prozent sein. Es bleibt also noch viel zu tun für Ameer Abdulla und seine engagierten Kollegen.