Leise gluckst das Wasser an die blaue Bordwand der „Yara Birkeland“. Das sechs Meter lange Modellschiff fährt im Testfeld von Kongsberg Maritime in Horten am Oslofjord in die Zukunft der norwegischen Küstenschifffahrt: Ab 2022 soll das reale Schiff zwischen der Chemiefabrik von Yara in Porsgrunn zu den beiden Containerhäfen in Brevik und in Larvik verkehren. Tag für Tag in den Fjordgewässern und im Skagerrak – autonom, also ohne Besatzung. Und emissionsfrei, dank des Elektroantriebs.
Das 80 Meter lange und 15 Meter breite Containerschiff soll mit der Ladung von 120 Standardcontainern (120 TEU) Tag für Tag 100 Container-LKW ersetzen, die heute noch auf engen Landstrassen und durch Wohngebiete dieseln. Der Düngemittelproduzent Yara (weltweit 16.000 Beschäftigte) betreibt in Porsgrunn eine der europaweit bedeutendsten Produktionsanlagen für NPK-Dünger (Stickstoff, Phosphor, Kalium). Der Dünger wird in ganz Europa verkauft und muss irgendwie von der Kleinstadt am Oslofjörd zu den großen Containerhäfen gebracht werden.
Mit der „Yara Birkeland“ sind etwa vier Stunden Fahrtzeit im Eco-Mode von 6-7 Knoten für die 50 Kilometerlange Strecke zwischen Porsgrunn und Larvik eingeplant. Yara-Projektleiter Bjørn Tore Orvik: „Wir haben 6,8 MWh Lithiumbatterien an Bord für etwa 30 Betriebsstunden – je nach Fahrweise.“
Im September 2019 wird „Yara Birkeland“ von der Vard-Werft in Rumänien an Vard Brevik ausgeliefert und dort die technische Ausrüstung erhalten. Fahrten mit Besatzung sind ab 2020 geplant, der autonome Betrieb zwei Jahre später.
Auch die Be- und Entladung soll vollautomatisch geschehen. Gerade wird in der Chemiefabrik ein neuer Kai angelegt. „Im November 2019 sind wir damit fertig“, sagt Logistikerin Merete Østby. Rund 250 Millionen norwegische Kronen, umgerechnet über 26,4 Millionen Euro, sind für den Bau des Schiffs veranschlagt, Kosten für die neue Kai-Anlage in Porsgrunn sind hier nicht eingerechnet.
Wie sicher sind autonome Küstenschiffe?
Basis des weltweit ersten autonomen und emissionsfreien Container-Feederschiffs ist der Transportplan der norwegischen Regierung. „Wir haben von 2018 bis 2029 einen Generalplan aufgestellt, der alle Bereiche der Mobilität umfasst“, sagt Verkehrs-Staatssekretär Brage Baklien. „Die Schifffahrt spielt darin eine Schlüsselrolle.“
„Neuartige Logistiklösungen sind eine der Herausforderungen, um in Norwegen die Ziele des Pariser Klimagipfels von 2015 zu erreichen“, so Beate Kvamstad-Lervold von der Forschungsgruppe SINTEF-Ocean (Stiftelsen for industriell og teknsik forskning).
Bei aller Euphorie für die autonom und emissionsfreie Küstenschifffahrt warten wesentliche Fragen um das Projekt „Yara Birkeland“ heute noch auf schlüssige Antworten:
- Können Hacker in das sensible Steuerungssystem (Kontrollraum an Land – Schiff in Küstennähe) eindringen? Kongsberg Marine, die das Navigationssystem in Kombination aus GPS, Radar, Lidar, Sensoren, Bordkameras und elektronischen Seekarten für die „Yara Birkeland“ entwickelt, gibt sich zuversichtlich. Man verfüge über große Erfahrung aus der Waffentechnik, einem bedeutenden Zweig des Kongsberg-Unternehmen.
- Können Schnee, Eis, Nebel und Meeresströmungen das Navigationssystem beeinflussen, oder gar lahmlegen?
- Wer trägt die Verantwortung im Falle eines Unglücks, da kein Kapitän an Bord ist ?
- Wie hoch ist die Versicherungssumme und Prämie für ein autonomes Schiff anzusetzen?
Die Genehmigungsbehörden (Norwegian Martime Authority) und die Küstenwache blicken mit wachen Augen auf die Entwicklung der besatzungslosen Schifffahrt. „Am Ende muss es genau so sicher sein, wie heute mit einem Kapitän an Bord.“, sagt Svein David Medhaug von der Seefahrtbehörde.
Während bis zur autonomen Schifffahrt mit der „Yara Birkeland“ noch ein paar Jahre vergehen, ist die Technik an Land schon weiter: Zum ersten Mal werden die Start- und Landebahnen sowie die Rollwege des Flughafens Oslo-Gardermoen in diesem Winter mit autonom fahrenden Räumfahrzeugen vom Schnee befreit. Zwei Mercedes-Trucks des Entwicklungs-Dienstleisters Semcon Devotek AS werden autonom ohne Fahrer unterwegs sein. Die Steuerung (Lenkung/Fahren/Bremsen/Räumeinrichtung) erfolgt über GPS (4G/5G Netz) in enger Abstimmung mit den Lotsen von einem Kontrollraum am Rand des Rollfelds aus.
Das System hatte die Tests auf dem kleinen Provinzflughafen von Fagernes im März 2018 erfolgreich bestanden: Die 2047 Meter lange Start- und Landespiste wurde problemlos schneefrei.