Autos stecken heute voller Elektronik. Die veraltet zwar schnell, ähnlich wie bei PC oder Handy. Anders als bei diesen Geräten kommt aber niemand auf die Idee, seinen Wagen deswegen schon nach zwei Jahren auszutauschen. Niemand – außer Frank Rinderknecht mit seinem Snap.
Der Schweizer Automobildesigner und Unternehmer hat ein Fahrzeug aus zwei Komponenten entwickelt. Der untere Teil (das „Skateboard“) enthält den Antrieb und die gesamte Elektronik. Der obere Teil (der „Pod“) ist variabel und kann individuell gestaltet werden. Beide Teile sind einfach zu verbinden: Sie lassen sich automatisch einschnappen. Deshalb der Name „Snap“.
Auf der Consumer Electronics Show (CES) Januar 2018 sorgte Rinderknecht mit diesem Projekt seines Unternehmens Rinspeed für Aufsehen. „Das Konzept löst ein Industrieproblem: Die IT entwickelt sich exponentiell weiter. Die Mechanik hingegen wird immer langlebiger“, sagt der Schweizer. Betrachtet man die beiden Seiten voneinander getrennt, lassen sie sich viel besser nutzen.
Es ist nicht sein erstes Autokonzept, könnte aber sein erfolgreichstes werden. Die Nachfrage nicht nur auf der CES war so groß, dass Rinderknecht nun Snap Motion gründen möchte, ein Start-up, das die Silicon-Valley-Digitalwelt und den deutschsprachigen Autostandort verknüpfen soll. Heißt: Parallel zur mechanisch-elektronischen Entwicklung des Fahrzeuges solle auch das digitale Ökosystem von Snap entwickelt und programmiert werden, so das Unternehmen in einer Mitteilung.
Der neue Standort im Silicon Valley südlich von San Francisco werde sich um Software-Aspekte kümmern, die zentraleuropäische Stätte wird sich mit der gesamten Hardware beschäftigen. Denn wenn ein Chip in Zukunft nur den Fahrer ersetze, würden Robotaxis relativ wenig bis keinen Einfluss auf die Verkehrseffizienz haben.
Eigener Pod – geteilter Untersatz
Das Skateboard mit den werthaltigen Teilen soll nach den Rinspeed-Plänen möglichst rund um die Uhr im Einsatz sein. Auf die Antriebsplattform passt jede Art von Pod. Sie fährt damit von Einsatz zu Einsatz, und zwar selbstständig. „Das Konzept ist am sinnvollsten als autonomes Fahrzeug“, sagt Rinderknecht.
Nach seinen Vorstellungen buchen Besitzer eines Pods den fahrenden Untersatz nur bei Bedarf im Netz. „Man könnte gleich mehrere Pods besitzen, je nach Anwendung“, sagt der Unternehmer. Einer könnte beispielsweise als Kabine für die Familie dienen, einer als Büroraum, ein anderer ohne Dach als Cabrio. Zudem könnten sich mehrere Menschen einen Pod teilen – als Kompromisslösung zwischen Besitz und Sharing. Die Fantasie des Snap-Erfinders kennt keine Grenzen: „Man kann in den Pod eine Sauna einbauen, die vor die Haustür kommt. Oder eine Arztpraxis, die zum Patienten fährt.“ Am Zielort angekommen entkoppeln sich die beiden Teile, und das Skateboard rollt selbstständig zum nächsten Einsatz. Benötigt man erneut ein Fahrwerk für die Rückfahrt, bestellt man sich einfach einen neuen Untersatz herbei.
Amazon und Google statt VW & Co.
Entscheidend ist für Rinderknecht, dass die Technik auf diese Weise maximal ausgenutzt wird. Jedoch sollen die Untersätze eine nicht zu lange Nutzungsdauer haben. Nur auf diese Weise ist für ihn sichergestellt, dass voll vernetzte Elektrofahrzeuge nicht so schnell altern.
Vier Jahre hält er für eine vernünftige Lebensdauer von Pod-Batterie und Elektronik. Danach landen die Teile aber nicht auf dem Schrottplatz, wenn es nach Rinderknecht geht. „Man könnte sie dann noch stationär als Energiespeicher nutzen“, sagt er.
Der Snap soll rasch alternde und anteilsmäßig teure Komponenten von langlebigen Fahrzeugbestandteilen trennen, eine zusätzliche ökologische Komponente zusätzlich zur emissionsfreien E-Mobilität und der besseren Ausnutzung durch Sharing-Angebote.
Der 62-jährige Unternehmer gilt in der Autobranche seit Jahrzehnten als Visionär. Lange entwickelte er schnelle Flitzer, heute macht er sich viele Gedanken über die Mobilität der Zukunft. „Traditionelle Sportwagen sind für mich heute völlig unspannend“, sagt der Schweizer. Er will mit dem Snap „ein völlig neues Ökosystem“ für die Mobilität schaffen.
Das Konzept könnten viele Firmen als Produzenten von Ober- oder Unterteilen übernehmen. Die klassischen Autohersteller sieht der Schweizer dabei allerdings außen vor: „Die haben gar nicht die Möglichkeit, eine ausreichende Marktdurchdringung zu erreichen“, sagt er. Rinderknecht glaubt eher an Konzerne wie Amazon, Google oder Alibaba als Anbieter – und sucht nun deren Nachbarschaft.
Aktualisierte Version vom 28. August 2018