Agrarflächen sind eigentlich ideal für Solaranlagen. Sie liegen in der Regel sonnig und bieten viel Platz für die Module. Doch ein offensichtliches Problem sorgt dafür, dass diese Flächen bisher noch vergleichsweise wenig genutzt werden: Solarpanels werfen Schatten. Sonne und Regen erreichen den Boden nicht mehr, Ackerbau ist damit kaum möglich. Landwirte müssen sich daher bislang entscheiden, welches Ziel sie mit ihren Feldern verfolgen.
Wie die Ackerfläche am besten genutzt werden sollte, darüber gibt es Diskussionen. Zum einen sind Solarpanels wichtiger Bestandteil eines nachhaltigen Energiemixes der Zukunft. Außerdem sind sie oft profitabler als der klassische Ackerbau. Andererseits ist die Landwirtschaft essenziell für die Nahrungssicherheit und -unabhängigkeit in Deutschland.
Doch vielleicht heißt es für Landwirte bald nicht mehr entweder-oder. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) hat ein Jahr lang eine sogenannte Agrophotovoltaikanlage getestet: Auf einem Feld wurden sowohl Nahrungsmittel als auch Sonnenenergie geerntet. Und das Ergebnis macht Hoffnung: Das Agrophotovoltaik-System hat die Landnutzungseffizienz um über 60 Prozent gesteigert. „Die Ergebnisse des ersten Projektjahrs sind ein voller Erfolg“, zieht Projektleiter Stephan Schindele vom ISE sein erstes Fazit.
Solarpanels in fünf Metern Höhe
Beim Testbetrieb bei der Demeter-Hofgemeinschaft Heggelbach am Bodensee hat das ISE auf einer ein Drittel Hektar großen Testfläche Solarmodule in fünf Meter Höhe angebracht. Die installierten Panels haben eine Leistung von 194 Kilowatt. Zur groben Einordnung: Wenn die Anlage mit dieser Leistung für eine Stunde ein Elektroauto laden würde, käme dieses über 1000 Kilometer weit.
Darunter wachsen Kartoffeln, Weizen, Sellerie und Kleegras. Damit diese auch genug Sonne abbekommen ist genug Abstand zwischen den Panelreihen. Außerdem sind sie nach Südwesten ausgerichtet, damit der Boden gleichmäßige Einstrahlung erhält.
Insgesamt erhalten die Pflanzen so noch rund 60 Prozent des normalen Sonnenlichts. Für schattentolerante Arten wie beispielsweise Kartoffeln oder Salate ist das ausreichend. Zur Sicherheit haben das ISE und die Landwirte auf dem Hof noch einen Vergleichsacker ohne Solaranlagen angelegt.
Nur kleine Ernteeinbußen
Ende November hat das ISE nun die ersten Zahlen vorgelegt. „Die Agrophotovoltaik-Anlage hat sich als praxistauglich erwiesen. Die Kosten sind mit kleinen Solar-Dachanlagen wettbewerbsfähig, die Ernteprodukte sind ausreichend hoch und können wirtschaftlich rentabel vermarktet werden“, sagt Schindele.
Die Nahrungsmittel-Ernte ist je nach Sorte unterschiedlich ausgefallen: Beim Kleegras gab es nur kleine Einbußen von gut fünf Prozent gegenüber der Referenzfläche. Bei Kartoffeln, Weizen und Sellerie waren es jeweils zwischen 18 und 20 Prozent Verlust. Damit liegt der Ertrag aber selbst im schlechtesten Fall noch bei 80 Prozent eines normalen Anbaus.
Auch die Solarpanels zeigten einen guten Ertrag: Insgesamt erzeugten sie in dem Jahr über 246.500 Kilowattstunden Strom – rund 1266 pro installiertem Kilowatt. Das ist ein Drittel über dem deutschlandweitem Durchschnitt von 950 Kilowattstunden pro Kilowatt.
Kombinierte Landnutzung 60 Prozent effizienter
Ein Grund für das gute Ergebnis ist, dass nicht nur die Vorderseite der installierten Module zur Stromgewinnung genutzt werden kann, sondern auch die Rückseite. Von der Umgebung reflektierte Strahlung wird so eingefangen. Bei guten Bedingungen wie beispielsweise reflektierendem Schnee können die Module bis zu 25 Prozent mehr Energie generieren. 40 Prozent des erzeugten Stroms hat der Hof direkt selbst genutzt, den Rest haben die Öko-Pioniere der Elektrizitätswerke Schönau abgenommen.
Insgesamt liegt der erzeugte Solarstrom bei rund 80 Prozent dessen, was eine gleichgroße, ausschließlich mit Solarmodulen bestückte Fläche eingebracht hätte. Das, kombiniert mit dem ungefähr 80 prozentigen Ertrag bei der Ernte, ergibt für eine Ackerfläche eine Landnutzungseffizienz von rund 160 Prozent.
Die Tests gehen weiter
Doch bevor sich die Agrophotovoltaikanlagen großflächig durchsetzen könnten, seien noch mehr Tests nötig, bremst Stephan Schindele. „Um den für eine Markteinführung notwendigen Nachweis der Funktionstüchtigkeit erbringen zu können, müssen wir weitere Anwendungen vergleichen, die Übertragbarkeit in andere Regionen demonstrieren und größere Anlagen realisieren.“
Beispielsweise will das ISE weitere Anwendungsmöglichkeiten beispielsweise mit Obst-, Beeren-, Wein- und Hopfenbau ausprobieren und die Anlage mit Energiespeichern, organischer PV-Folie und solarer Wasseraufbereitung und -verteilung kombinieren.
Außerdem untersucht das ISE noch die Umwelteffekte der Agrophotovoltaikanlage. Denn durch die geringere Sonneneinstrahlung ist zu vermuten, dass sich auch Faktoren wie beispielsweise die Bodentemperatur ändern und die Biodiversität beeinflussen. Die Untersuchungen laufen noch bis Ende 2018, erste Ergebnisse deuten aber darauf hin, dass die Biodiversität auf dem Feld sich nicht negativ verändert hat sondern ähnlich ist, wie auf dem Vergleichsacker.