Der Bedarf an Antriebsbatterien für Elektroautos wird in den nächsten Jahren dramatisch steigen. Gegenwärtig kommen mehr als 90 Prozent dieser Akkus aus Asien. Die EU-Kommission hat daher 2017 die «European Battery Alliance» ins Leben gerufen, um Kompetenz und Fertigungskapazitäten dieser Schlüsseltechnologie in Europa aufzubauen. Alleine die europäische Nachfrage nach Lithium-Ionen Batterien wird 10 bis 20 sogenannte „Gigafactories“ – Großproduktionsanlagen für Batterien – notwendig machen, schätzen Experten.

Lithium-Ionen-Batterie der Generation 3b

Die Forschung im Rahmen des Projekts SeNSE ist Teil dieser Initiative „European Battery Alliance“ und wird vom EU-Forschungsförderprogramm Horizon 2020 getragen. Die elf Forschungspartner von SeNSE – fünf Forschungsinstitute und sechs Industrieunternehmen – forschen in ihren Arbeiten an Lithium-Ionen- Batterien der nächsten Generation – der sogenannten „Generation 3b“. Im Unterschied zu aktuellen Antriebsbatterien wird diese nächste Generation eine höhere Energiedichte, eine verbesserte Zellchemie sowie ein verbessertes Batteriemanagement besitzen: Statt Anoden aus reinem Graphit werden solche aus Silizium-Graphit-Composites angestrebt. In der Kathode wird der Anteil an kritischem Kobalt weiter gesenkt. Neue Additive in der Elektrolytflüssigkeit sowie Schutzschichten sollen die Batterie langsamer altern lassen und mehr Ladezyklen möglich machen.

Generation 3b
Das Forschungsprojekt SeNSE mit insgesamt elf Partnern wird an der Empa von Ruben-Simon Kühnel, Stephan Fahlbusch und Corsin Battaglia (v.l.) koordiniert. Foto: Empa

Zu einer längeren Lebensdauer und besseren Schnellladefähigkeit sollen auch neue Sensoren beitragen, die aus dem Inneren der Batteriezellen Daten ans Batteriemanagement liefern. Diese Daten sollen ein deutlich verfeinertes Temperaturmanagement im Vergleich zu heutigen Lithium-Ionen-Zellen erlauben.

Serienproduktion und Recycling

Die Nachhaltigkeit der „Generation 3b“-Zellen soll die heutige Generation ebenfalls übertreffen: Die Kathode soll ohne den Einsatz von brennbaren und toxischen Lösungsmitteln hergestellt werden, was die Serienproduktion der Zellen stark vereinfacht und verbilligt. Alle Aspekte der SeNSE-Forschung sind darauf ausgerichtet, die Zellen der nächsten Generation in europäischen Gigafactories herzustellen.

Um im Wettbewerb der Zukunft zu bestehen, sind deshalb besonders kostengünstige und Rohstoff sparende Produktionsmethoden entscheidend. Auch die Weiterverwendung gealterter Fahrzeugbatterien als stationäre Speicher und schließlich das Recycling der Batterien wird im Projekt SeNSE berücksichtigt. Geleitet wird das Projekt von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt  (Empa) aus der Schweiz. Forschungspartner sind die Westfälische Wilhelms-Universität Münster sowie das Forschungszentrum Jülich in Deutschland, die Universität Coventry in Großbritannien sowie das Austrian Institute of Technology (AIT) im östereichischen Seibersdorf. Aus der Industrie sind das Chemieunternehmen Solvionic und der Nanospezialist Enwires aus Frankreich, FPT Motorenforschung und Huntsman Advaned Materials aus der Schweiz, Lithops aus Turin sowie der VW-Partner Northvolt aus Schweden.

Auf dem Weg zur Gigafactory

Northvolt spielt in dem Forschungsprojekt eine entscheidende Rolle. Das Unternehmen wurde 2016 von den beiden ehemaligen Tesla-Mitarbeitern Peter Carlsson und Paolo Cerrutti mitgegründet, die am Bau der Tesla Gigafactory in Nevada (USA) beteiligt waren. Northvolt plant derzeit im nordschwedischen Skelleftea die erste europäische Gigafactory mit einer Fertigungskapazität von 32 Gigawattstunden (GWh) pro Jahr. Die komplett mit Ökostrom betriebene Anlage soll bereits im kommenden Jahr in Betrieb gehen. Eine weitere Gigafactory mit einer Kapazität von 16 GWh im Jahr soll in einem Joint-Venture mit Volkswagen in Salzgitter entstehen. Zum Vergleich: die Tesla-Gigafactory in Nevada produziert nach Angaben des Managements derzeit rund 35 GWh Batterien pro Jahr. Und Tesla verhandelt gerade mit seinem Partner Panasonic über einen weiteren Ausbau der Kapazitäten.

Experten von Northvolt werden, so ist der Plan, die SeNSE-Partner mit regelmässigen Briefings begleiten. Am Ende des Projekts soll eine Reihe von Batteriezell-Prototypen entstanden sein. Die Fähigkeiten der Batteriezellen-Generation 3b wird ein Demonstrator mit 1 kWh Speicherkapazität beweisen. Am Schluss soll die entwickelte Fertigungstechnologie in Form von Patenten den Weg in die Industrie finden. Das Forschungsprojekt SeNSE endet nach 48 Monaten im Frühjahr 2024.

Generation 4b: Festkörperbatterie als Ziel

Das Team von Corsin Battaglia an der Empa ist an einem weiteren europäischen Forschungsprojekt beteiligt: Das Projekt „SOLiDIFY“ blickt noch weiter in die Zukunft und entwickelt Batterien der übernächsten Generation – sogenannte Festkörper-Lithium-Metall-Batterien. Im Unterschied zu heutigen Lithium-Ionen Batterien und denen der Generation 3b werden diese Festkörperbatterien keine flüssigen, feuergefährlichen Bestandteile mehr enthalten. Daher sind sie sicherer und resistenter gegen Hitze. Sie können also höhere Leistung abgeben, schneller geladen und entladen werden.

Diese Batterien der Generation 4b könnte nach Meinung der Experten in etwa zehn Jahren marktreif sein. Sie sollen bei halbem Gewicht und der Hälfte der Baugrösse die gleiche Speicherkapazität liefern wie heutige Lithium-Ionen-Batterien.

Die Konkurrenz schläft nicht

Allerdings ist noch längst nicht ausgemacht, wie die Jagd nach den Hochvolt-Batterien der nächsten Generation ausgehen wird. Weltweit wird derzeit daran geforscht. In Europa unter anderem auch im Rahmen des Projekts „COBRA“ (CObalt-free Batteries for FutuRe Automotive Applications). Die Leitung hat hier das Institut de Recerca en Energia de Catalunya (IREC) in Barcelona. Ziel ist die Entwicklung einer neuartigen Lithium-Ionen-Batterietechnologie mit überlegener Energiedichte, erhöhten Zyklen und weniger kritischen Materialien. Die Wissenschaftler wollen sich auf eine kobaltfreie Kathode und fortschrittliche Silizium-Verbundwerkstoffe als Anode und als Separatormaterial konzentrieren. Drei Universitäten und neun Unternehmen, die die gesamte Wertschöpfungskette abdecken, sind an COBRA beteiligt.

Und unter Leitung des AIT wird im Projekt „3BELIEVE“ ebenfalls an Zellen der Generation 3b für Elektrofahrzeuge gearbeitet – für das Jahr 2025 und danach. Das Team wird Lithium-Nickel-Manganoxid als Kathodenmaterial, Lithium bis(fluorosulfonyl)imide (LiFSI) als Elektrolyt und ein Portfolio von internen und externen Sensoren (22 Sensoren pro Modul) verwenden. Die Batterie soll zudem ein adaptives Flüssigkeitskühlsystem erhalten, das von einem Batteriemanagementsystem mit neuartigen Diagnose- und Betriebsfunktionen verwaltet wird. An dem Projekt sind unter anderem der Lkw-Hersteller Volvo, der Autozulieferer Valeo und die RWTH in Aachen beteiligt.

Artikel teilen

1 Kommentar

  1. Harry

    ist doch gut, genau das war die Absicht, baut das Ding.

    Antworten

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert