Der plötzliche Wegfall der E-Auto-Förderung im Dezember 2023 hat tiefe Spuren beim Geschäft mit Elektroautos hinterlassen – seit Jahresbeginn ist die Zahl der Neuzulassungen von batteriebetriebenen Pkw um fast 27 Prozent zurückgegangen. Auf dem Gebrauchtwagenmarkt stiegen nach Erhebungen des Zentralverbandes Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZdK) bei Autos mit alternativen Antrieben zwar die Besitzumschreibungen um über 50 Prozent. Unter anderem, weil das Angebot an Fahrzeugen mit elektrischen Antrieben in den zurückliegenden drei Jahren deutlich gestiegen ist – von denen jetzt viele nach Beendigung des Leasingvertrags zurück in den Handel kommen.
Was nicht heißt, das der Handel mit gebrauchten Elektroautos einfach wäre. Im Gegenteil: Nach dem DAT-Report 2024 stehen viele Deutsche Gebrauchtwagen mit Elektroantrieb besonders skeptisch gegenüber: Bei einer Umfrage der Deutschen Automobil Treuhand hielten nur 13 Prozent der Kaufinteressenten ein gebrauchtes Elektroauto für eine Option; 45 Prozent schlossen diese Alternative sogar grundsätzlich aus. Die Gründe? Laut der DAT-Marktforschung glauben 75 Prozent der Autohalter, dass E-Autos noch über keine ausgereifte Technologie verfügen. Und 80 Prozent halten die Traktionsbatterie für einen großen Unsicherheitsfaktor. Sie fürchten, dass der Akku schnell altert und dann für horrende Beträge erneuert werden muss.
Zu unrecht: Die meisten Batterien weisen selbst nach mehreren Jahren und intensiver Nutzung noch über 80 Prozent ihrer Kapazität auf, fand kürzlich eine Studie der auf Elektroautos spezialisierten Unternehmensberatung P3 heraus. Und auch die EV-Clinic aus Zagreb, die mit ihren Experten und europäischen Partnern seit 2010 viel Wissen bei der Reparatur und Instandsetzung von E-Autos erworben und die gängigen Schadensereignisse sowie die Reparaturkosten dokumentiert hat, kommt zu dem Schluss: Elektroautos sind meist besser als ihr Ruf. Und das gilt in besonderem Maße für die Traktionsbatterie.
Schwachstelle Nummer Eins ist der E-Motor
Wenn Reparaturen fällig werden, dann liegt das nach den Erfahrungen von EV-Clinic meist an drei anderen Bauteilen: am Elektromotor, am Onboard-Charger und am Wechselrichter. Letzterer wandelt zum Beispiel den Gleichstrom aus der Traktionsbatterie in Wechselstrom um, damit die 12-Volt-Batterie an Bord nachgeladen werden kann. Und er wandelt die Wechselspannung des Elektromotors beim Rekuperieren in Gleichstrom um, damit dieser in die Traktionsbatterie eingespeist werden kann.
Erst auf dem vierten Platz der Problembauteile liegt die Traktionsbatterie. Und meist lässt sich das Problem hier kostengünstig beheben. Auch haben die Elektroautos dann meist schon über hunderttausend Kilometer auf dem Buckel.
Trotzdem ist es für die Käufer gebrauchter Elektroautos wichtig zu verstehen, dass Traktionsbatterien Wartungs- bzw. Reparaturzyklen durchlaufen. Der erste Zyklus, in dem Fehlermeldungen auftauchen können, dauert in der Regel fünf bis acht Jahre. Hier kann das Problem meist durch den Austausch einzelner Module gelöst werden. Und die Reparaturkosten sind meist durch die Herstellergarantie abgedeckt.
Im zweiten, darauffolgenden Zyklus muss dann die Traktionsbatterie regelmäßig alle zwei bis drei Jahre gewartet werden, um die Lebensdauer zu erhöhen. Bei einer Traktionsbatterie, die das Fahrzeug in den ersten acht Jahren rund 200.000 Kilometer bewegt hat, sind dann gut und gerne noch einmal 200.000 Kilometer drin, bevor dann im dritten Zyklus womöglich ein Komplettaustausch stattfinden muss. Aber auch ohne Service kann eine Traktionsbatterie sehr lange halten. Die EV-Clinic hat bei einem Tesla Model S 85 aus dem Jahr 2014 eine Laufleistung von 598.000 Kilometern mit dem Erst-Akku dokumentieren können.
Besonders reparaturfreundliche Rundzellen
Darüber hinaus lehrt die Erfahrung der EV-Clinic, dass Pouch-Zellen fehleranfälliger sind als Rundzellen und zusätzlich meist nicht repariert werden können. Prismatische Zellen liegen, was die Fehleranfälligkeit anbetrifft, im Mittelfeld. Erste Wahl ist für die Experten der EV-Clinic ein Elektroauto, deren Akku über Rundzellen verfügt. Stark abhängig ist diese Einschätzung allerdings vom Gesamtbild. Wird z.B. eine Rundzelle vom Autobauer in der Traktionsbatterie mit dem Kühlsystem in den Modulen verschmolzen oder ist sie sogar Teil der tragenden Konstruktion des Autos, lässt sich die Rundzelle nicht einfach herauslösen und reparieren. Bei einem Defekt muss dann meist das ganze Modul getauscht werden – manchmal inklusive von Karosserieteilen.
Es macht also Sinn, beim Autokauf auch auf die Wartungs- bzw. Reparaturfreundlichkeit des Modells zu achten – insbesondere dann, wenn das Fahrzeug bereits mehrere Jahre alt ist, gewissermaßen aus der Pionierzeit der Elektromobilität stammt. Zumal die Entwicklung der Traktionsbatterien rasant ist: Während die ersten Generationen meist nur 500 volle Ladezyklen bewältigen konnten, schaffen sie seit einigen Jahren problemlos schon über tausend. Aktuell geht die Entwicklung zu Akkus, die bis zu 3.000 vollständige Ent- und Aufladungen verkraften. Zusätzlich steigen die Energiedichte der Zellen, was die Reichweite des Akkus pro Zyklus vergrößert. Ergo: Die Lebensdauer einer Traktionsbatterie sollte darüber in den kommenden Jahren noch weiter steigen.
Reparaturen bei E-Autos nicht teuer als bei Verbrennern
Somit lässt sich festhalten: Die Angst, sich mit einem mehrere Jahre alten Elektroauto kostspielige Reparaturen einzuhandeln, ist nach den Erfahrungen der Spezialisten von EV-Clinic häufig unbegründet. Oder zumindest sollte sie nicht größer sein als bei einem konventionell angetriebenen Fahrzeug mit hoher Laufleistung und schlechtem Wartungsstand. Rückschlüsse auf aktuelle Modelle oder ganze Marken lassen die Aussagen des Reparaturdienstes allerdings nicht zu. Auch haben die Aussagen aufgrund der relativ geringen Anzahl von Reparaturfällen keine statistische Relevanz. Das sollte im folgenden Teil bedacht werden – bei der Diskussion der Elektroautos, mit denen die EV-Clinic und ihre Partnerbetriebe gute Erfahrungen gemacht haben.
Im zweiten Teil erfahren Sie, welche älteren Elektroautos die EV-Clinic empfiehlt – und welche nicht.