Kennen Sie den? „Ich habe mir für 30000 Euro ein Elektroauto gekauft“, berichtet der Nachbar stolz. „Bist du verrückt? Für so ein kleines Auto soviel Geld?“ „Na ja, das Auto kostete nur 5000 Euro. Teuer war nur das Verlängerungskabel.“
Der Witz ist alt, ja. Auch bei John Deere in Kaiserslautern kann man darüber nicht mehr lachen. Allenfalls schmunzeln. Denn der Landgerätehersteller aus den USA hat einen elektrisch angetriebenen Traktor entwickelt, der den Fahrtstrom nicht aus einer Batterie, sondern über ein 1000 Meter langes Kabel direkt aus dem Drehstromnetz bezieht. Das Kabel wird während der Fahrt automatisch auf- und abgerollt – je nachdem, wo auf dem Feld sich der 8,5 Tonnen schwere und 400 PS starke GridCON-Trecker gerade aufhält. Das erfährt die Wickelmaschine – und auch der Landwirt – über das Navigationssystem, in die Tagespensum programmiert sind. Denn der Traktor fährt nicht nur elektrisch, sondern obendrein vollautonom. Eine Fahrerkabine ist deshalb gar nicht erst vorgesehen.
Hinter dem Forschungsfahrzeug, das John Deere mit finanzieller Unterstützung des Bundeswirtschaftsministeriums und in Kooperation mit der Universität Kaiserslautern entwickelte, steht die Vision eines vollelektrifizierten und intelligenten landwirtschaftlichen Betriebs: Auf der Smart Farm der Zukunft werden Lebens- und Futtermittel nicht nur nachhaltig, sondern auch emissionsarm produziert. Viele Landwirte erzeugen schon heute regenerative Energie mit Hilfe von Biogas- und Fotovoltaikanlagen oder Windräder. Den erzeugten Strom speisen sie bislang zum größten Teil ins Netz ein. In Zukunft wird es sich für den Landwirt lohnen, den erzeugten Strom auf dem Hof und auf den Feldern selbst zu nutzen.
Leichter als ein Traktor mit schwerem Akku
Ein elektrischer Traktor mit Kabelanschluss könnte dabei ein Baustein sein. Der Verzicht auf eine Batterie senkt nicht nur die Fahrzeugkosten, sondern senkt auch das Fahrzeuggewicht und damit die Gefaht, nach Regenfällen im morastigen Boden stecken zu bleiben oder das Erdreich über die Maßen zu verdichten. Die Gefahr besteht beispielsweise bei batterieelektrisch angetriebenen Traktoren wie dem kompakten Modell e100 Vario, an dem der bayerische Hersteller Fendt seit einigen Jahren arbeitet. Das Modell hat eine Antriebsleistung von 50 Kilowatt und einen Lithium-Ionen-Akku an Bord, der 100 Kilowattstunden Strom speichern kann. Das reicht für rund fünf Stunden Arbeitszeit – danach muss er zum Laden zurück in die Halle.
Wasserstoff oder Methan als Alternative
Eine Alternative könnte da ein Traktor sein, mit mit Wasserstoff betrieben wird. Der US-Hersteller New Holland aus dem CNH-Konzern hat vor ein paar Jahren mit dem NH2 ein derartiges Konzept vorgestellt. Der Prototyp mit einer Antriebsleistung von 100 Kilowatt und einem maximalen Drehmoment von 1200 Newtonmeter hatte zwei Elektromotoren an Bord, die den Fahrstrom aus drei Brennstoffzellen bezogen. Der Tank an Bord fasste 8,2 Kilogramm Wasserstoff – das reichte für drei Stunden Feldarbeit. Bis zur Serienreife schaffte es der NH2 bislang nicht. Als Übergangslösung favorisiert New Holland inzwischen einen Methanantrieb. Der stößt immerhin 80 Prozent weniger CO2 aus als das gleiche Modell mit Dieselmotor.
Welches Konzept sich letztlich durchsetzen wird, ist noch offen. Landwirte sind preissensibel – alternative Antriebe müssen sich für sie rechnen. Der GridCon-Trecker kennt immerhin keine Ladepausen. Den Fahrtstrom bezieht er über einen Stromanschluss am Ackerrand, der schnell hergestellt ist. Insbesondere dann, wenn beispielsweise in Obstplantagen für Bewässerungssystem ohnehin neue Gräben gezogen werden müssen. Zum Serienstart und zu den Kosten des Systems macht allerdings auch John Deere noch keine Angaben – bis auf weiteres bleibt es wohl Zukunftsmusik.