Der Mannheimer Versorger MVV Energie hat mit dem Bau einer großen Flusswärmepumpe am Rhein begonnen. Diese soll künftig bis zu 20 Megawatt (MW) Leistung für das Fernwärmenetz bereitstellen. Bundesweit gibt es nur eine Handvoll Projekte dieser Größenordnung.

„Als wir losgelaufen sind, waren die 20 MW noch eine Riesensache“, sagte MVV-Technikvorstand Hansjörg Roll beim feierlichen ersten Spatenstich. Die Potenziale lägen allerdings noch weit darüber, betonte Roll. Allein in Mannheim ließe sich aus Rhein und Neckar bei konservativer Schätzung bis zu 500 MW Wärme entziehen. Zur Einordnung: Dies entspricht der maximalen Wärmeleistung des kohlebefeuerten Block 9 im Grosskraftwerk Mannheim (GKM) und reicht aus, um rund 50.000 Haushalte mit Wärme zu versorgen.

Rhein wird im Sommer bis zu 25 Grad warm

Die Nutzung der Flusswärme ist ein Teil des „Mannheimer Mo dells“ für die städtische Wärmewende mit dem Ziel, bis 2040 klimaneutral zu werden. Vor dem Hintergrund der Invasion Russlands in die Ukraine sieht sich der Versorger auf dem von ihm eingeschlagenen Weg weg von fossilen Energieträgern bestätigt. „Was vor dem Ukrainekrieg richtig war, ist jetzt noch richtiger“, so Roll.

Mehr als zwei Drittel der Mannheimer Haushalte sowie die Nachbarstädte Heidelberg, Schwetzingen, Brühl, Ketsch und Speyer sollen von der umweltfreundlichen Fernwärme profitieren. Mit der von Siemens Energy gelieferten Flusswärmepumpe, die das GKM für MVV in die Großwärmepumpenanlage integriert, kommen ab 2023 Wärme für weitere 3.500 Haushalte hinzu. Zudem spart sie jährlich rund 10.000 Tonnen CO2 ein. 

Weil das Rheinwasser im Sommer bis zu 25 Grad warm wird und im Winter selten unter 5 Grad Celsius fällt, eigne es sich perfekt als Wärmequelle, erklärte der Technikvorstand der MVV. Für den Betrieb der Wärmepumpen will die MVV Grünstrom nutzen und hierzu auch die eigenen Erzeugungskapazitäten deutlich ausbauen.

Fernwärme der besonderen Art
Bis zu 25 Grad wird das Wasser des Rhein im Sommer warm. In Mannheim soll die Wärme nun zum Heizen von Gebäuden genutzt werden. Das Prinzip der Wärmegewinnung zeigt die Grafik: Foto: Eawag

Das Mannheimer Flusswärmepumpe ist eines von fünf Energiewende-Reallaboren des Bundeswirtschaftsministeriums. Dabei wollen die Projektbeteiligten vor allem Erfahrungen mit dem Betrieb im Winter sammeln, wenn die Temperaturen im Rhein vergleichweise niedrig sind, so Roll. Aber auch das Zusammenspiel mit dem vorhandenen Fernwärmespeicher stehe auf dem Prüfstand. Ein weiteres Projekt mit einer Großwärmpumpe setzt etwa die Stuttgarter EnBW um. Hier kommt allerdings Kühlwasserwärme aus einer Müllverbrennungsanlage zum Einsatz.

Standortvorteil: Vorhandene Infrastruktur nutzbar

Die neue Anlage entsteht auf dem Gelände des GKM. Dies habe den großen Vorteil, dass die von Siemens Energy gelieferte Wärmepumpe die dort vorhandene Infrastruktur nutzen kann. So sei etwa bereits der Wassereinlauf und -rücklauf sowie die Anbindung an das Fernwärmenetz vorhanden, erklärte Holger Becker, Kaufmännischer Vorstand der Grosskraftwerk Mannheim AG.

In Kooperation mit dem Branchendienst energate.

Die Errichtung im laufenden Betrieb und nicht auf der grünen Wiese bringe aber auch gewisse Schwierigkeiten mit sich. Es brauche das richtige Timing und viel Fingerspitzengefühl, dies ohne beziehungsweise nur mit geringen Stillstandszeiten umzusetzen, führte er aus. Es sei gleichzeitig auch ein erster Schritt für die grüne Transformation des Kohlekraftwerks. Der jüngste Kraftwerksblock 9 (Inbetriebnahme 2015) soll nach aktueller Lage allerdings erst 2033 den Betrieb einstellen werde, wie es jüngst bei der MVV-Hauptversammlung hieß.

Artikel teilen

1 Kommentar

  1. Philipp

    Das Großkraftwerk Mannheim soll in den nächsten Jahren abgeschaltet werden, dadurch fehlt die Wärme im Fernwärmenetz Mannheim natürlich. Einzig das Müllheizkraftwerk Friesenheimer Insel bleibt übrig, das reicht nicht.
    Problematisch: Bisher war die Vorlauftemperatur bei über 90°C, alle Übergabestationen und Heizverteiler in den Gebäuden sind darauf ausgelegt, für die verpflichtende Thermische Desinfektion der Trinkwassererwärmung (im Mehrfamilienhaus 1x pro Woche) werden weiterhin mindestens 70° Vorlauf am kältesten Punkt des Netzes gebraucht. Diese hohe Vorlauftemperatur hat miserable Jahresarbeitszahlen zur Folge. Und der Rhein hat in der Heizperiode nur 5°C, nützt also nicht viel als Wärmequelle.
    Es wäre wirklich sinnvoll das GKM weiter laufen zu lassen – ein Steinkohlekraftwerk mit einem extrem hohen Wirkungsgrad, auch dank Wärmeauskopplung. Statt dessen sollen die mießen Braunkohlekraftwerke länger laufen. Ich verstehe die Welt nicht mehr…

    Antworten

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert