Bis der erste Polestar 2 durch die Fluchten deutscher Großstädte stromert, wird es noch ein paar Tage dauern: Die Corona-Krise hat auch im chinesischen Luquiao, wo das Elektroauto produziert wird, die Zeitpläne gehörig durcheinander gewirbelt. Statt im Juni werden nun erst im Juli die ersten Exemplare der Limousine an Kunden in Europa ausgeliefert werden können. Vorrangig bedient werden dabei Menschen, die bereits im vergangenen Jahr bestellt und eine Anzahlung von 1000 Euro auf das wenigstens 57.900 Euro teure Auto geleistet haben. Wer erst zum offiziellen Verkaufsstart am 8. April den Internet-Konfigurierte anwarf, wird sich wohl noch bis zum Herbst gedulden müssen.
Immerhin steht nun fest, wie die schwedische Automarke in chinesischer Hand die Stromversorgung ihrer europäischen Kunden auf Reisen sicherstellen will: Über den Berliner e-Mobility-Service-Provider Plugsurfing, einer 100-prozentigen Tochter des finnischen Energieversorgers Forum. Noch vor Auslieferung des Autos werden die Polestar-Käufer den RFID-Ladeschlüssel von Plugsurfing sowie per App einen Zugang zum Ladenetz erhalten, das ihnen einen Zugriff auf über 195.000 öffentliche Ladepunkte in 33 Ländern ermöglicht.
Käufer aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden erhalten zudem automatisch eine Plugsurfing Plus-Mitgliedschaft. Gegen eine monatliche Pauschale von 19,99 Euro im Monat kann der Strom dann zu günstigeren Konditionen geladen werden. Wechselstrom wie Gleichstrom zum Preis von 34 Cent pro Kilowattstunde. Das gilt auch für die Super-Schnelladestationen von Ionity, wo Plugsurfing-Kunden ohne Vertragsbindung normalerweise 86 Cent pro Kilowattstunde zahlen – nochmals sieben Cent mehr als die „Laufkunden“ von Ionity. Ob die Plugsurfing Plus-Mitgliedschaft komplett von Polstar bezahlt wird und wie lange, steht allerdings noch nicht fest.
Quer durch Europa ohne App-Wirrwarr
Auf jeden Fall erleichtert die Kooperation den Polestar-Fahrern Reisen mit ihrem Elektroauto durch Europa. Er muss sich weder vorab über die Konditionen an den Ladeplätzen erkundigen oder sich dafür erst freischalten lassen. Das „Wirrwarr von Apps, Accounts und Authentifizierungsmethoden“ will Plugserving mit seinem Service vermeiden und somit den Neulingen unter den Elektromobilisten die Eingewöhnung erleichtert.
Die Frage ist allerdings, ob die Fahrer des Polestar 2 – wie auch die anderer Elektroautos – bereit sein werden, sich längerfristig mit einer Monatspauschale an nur einen „Energieversorger“ zu binden. Zumal nach Stand heute die Stromer überwiegend an privaten Ladestationen, an Steckdosen oder Wallboxen in der Garage, frischen Strom zapfen. Nur etwa 20 Prozent der Ladevorgänge finden nach Erhebungen der Münchener E-Mobility-Spezialisten von „Cirrantic“ im öffentlichen Raum statt.
JaguarLandRover, ebenfalls ein Kooperationspartner von Plugsurfing, wird deshalb zum Monatsende sein Abo-Modell umstellen. In den vergangenen Jahren konnten Fahrer etwa des Jaguar i-Pace gegen Zahlung von monatlich 45,80 Euro bei jedem Ladevorgang kostenlos 30 Minuten lang Gleichstom (DC) oder 60 Minuten Wechselstrom (AC) zapfen. Bei einer maximalen Ladegeschwindigkeit des Fahrzeugs von 100 Kilowatt DC und 7,2 kW AC in einer Stunde war das Angebot nur mäßig attraktiv. Künftig werden die iPace-Fahrer über die Jaguar-Lade-App zwischen einem Gold- und einem Platin-Paket wählen können. Gegen eine Monatsgebühr von 4,99 beziehungsweise 9,99 Euro können sie dann den Strom an den öffentlichen Ladestationen mit Preisabschlägen von durchschnittlich 12,5 oder 25 Prozent beziehen. Oder er verzichtet ganz auf die Monatspauschale und zahlt einfach den Tagespreis – der bei Plugsurfing wegen der Provision für den Service meist ein paar Cent höher ist.
Dafür spart man sich dann den „Lade-Schach“ mit den Apps verschiedener Ladeanbieter auf dem Smartphone.