Wenige Tage nach der Europawahl hat die EU-Kommission Strafzölle gegen verschiedene chinesische Autohersteller bis zu einer Höhe von 38,1 Prozent angekündigt, um den Import von Elektroautos aus dem sogenannten Reich der Mitte in die Länder der Union zu erschweren. „Im Rahmen der laufenden Untersuchung kam die Kommission zu dem Schluss, dass die Wertschöpfungskette für batteriebetriebene Elektrofahrzeuge in China von unfairen Subventionen profitiert, wodurch Elektroautohersteller in der EU der Gefahr eins wirtschaftlichen Schadens ausgesetzt sind“, erklärte EU-Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas aus Griechenland die Maßnahme in einer Pressemitteilung.

In Kraft treten sollen die „vorläufigen Ausgleichszölle“ – die obendrauf auf den bisher geltenden Importzoll von zehn Prozent kommen – bereits am 1. Juli. Betroffen davon sind chinesische Autohersteller in ganz unterschiedlichem Maße. Auf BYD, den E-Mobilitätspartner der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland, kommet ein vergleichsweise milder Strafzoll in Höhe von 17,4 Prozent zu, bei Mercedes-Partner und Smart-Produzent sowie Volvo-/Polestar-Eigner Geely sind es schon 20 Prozent. Der aktuell größte chinesische Autohersteller, die SAIC Motor Corporation, die in Europa Elektroautos und leichte Nutzfahrzeuge mit Elektroantrieb unter den Markennamen MG und Maxxus vertreibt, soll sogar mit einem Ausgleichszoll in Höhe von 38,1 Prozent belegt werden – hier war offenbar die Kooperation mit der EU-Kommission bislang nur gering ausgeprägt.

Auch Tesla ist betroffen

Die drei Autohersteller hatte die EU-Kommission bei ihrer im Oktober 2023 gestarteten Antisubventionsuntersuchung wegen ihrer Verkaufserfolge in Europa besonders in den Fokus genommen. Fällig wird ein „Residualzoll“ in Höhe von 21 Prozent aber auch für andere chinesische Autohersteller wie NIO, Xpeng oder Great Wall Motor. Betroffen sind allerdings auch Tesla und auch europäische Autobauer, die wie BMW, Mini und Dacia Elektroautos in China herstellen lassen und von dort nach Europa exportieren. Für das aus China importierte Tesla Model 3 wurde bereits ein „unternehmensspezifischer“ Zollsatz von 21 Prozent festgesetzt. Für die Importe deutscher Hersteller steht eine Überprüfung noch aus. Ihnen dürfte jedoch der gleiche Aufschlag drohen. Womit sie mit einem größeren Preis-Handicap zu kämpfen hätten als BYD.

Weltmacht BYD 
Der chinesische Hersteller hat bereits mehr als sechs Millionen Elektroautos hergestellt - 1,6 Millionen allein im vergangenen Jahr. Ein wachsender Teil davon geht in den Export - unter anderem nach Europa. Foto: BYD
Weltmacht BYD
Der chinesische Hersteller hat bereits mehr als sechs Millionen Elektroautos hergestellt – 1,6 Millionen allein im vergangenen Jahr. Ein wachsender Teil davon geht in den Export – unter anderem nach Europa. Foto: BYD

„Wenn unsere Partner gegen die Regeln verstoßen, werden wir unsere Rechte durchsetzen“, teilte Exekutiv-Vizepräsident und EU-Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis in einer Stellungnahme mit. „Heute haben wir einen Meilenstein in unserer Antisubventionsuntersuchung erreicht“, sagte er. „Dies basiert auf eindeutigen Beweisen unserer umfassenden Untersuchung und unter voller Einhaltung der WTO-Regeln.“

China droht mit Vergeltung

Ob die Zölle von bis zu 38,1 Prozent tatsächlich gezahlt werden müssen, hängt den Angaben zufolge davon ab, ob mit China möglicherweise in den nächsten Monaten eine andere Lösung gefunden werden kann. Es se durchaus noch möglich, dass der Zollsatz noch geändert oder ganz gestrichen werde. Sollten bei den anstehenden Gesprächen mit den chinesischen Behörden jedoch „keine praktikable Lösung“ gefunden werden, würden die vorläufigen Ausgleichszölle ab dem 4. Juli durch eine Sicherheitsleistung eingeführt“, droht die EU-Kommission. Über die endgültige Höhe der Ausgleichszölle entscheidet allerdings der EU-Ministerrat. Eine „qualifizierte“ Mehrheit der Mitgliedstaaten, also mindestens 15 Staaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU repräsentieren, könnte die Maßnahme hier sogar blockieren.

Die chinesische Regierung hat der EU bereits mit Vergeltungsmaßnahmen gedroht. Chinas Außenministerium kritisierte die Untersuchung als Protektionismus. China werde nicht tatenlos zusehen und seine Interessen zu schützen wissen, sagte Außenamtssprecher Lin Jian. Wie verlautete, könnten Gegenmaßnahmen den europäischen Agrar- oder Luftfahrtsektor treffen. Aber auch Ausfuhrbeschränkungen für Schlüsselkomponenten und -rohstoffe der Autoindustrie und Energiewirtschaft – Batteriezellen und Elektromotoren – wurden bereits angedroht. Im vergangenen Jahr hatte China bereits damit begonnen, die Ausfuhr seltener Metalle in die EU stärker zu kontrollieren.

VDA: Schaden größer als Nutzen

Kritik an der Vorgehensweise der EU-Kommission kam allerdings auch von deutscher Seite. „Die Ankündigung der EU ab Anfang Juli vorläufig hohe zusätzliche Zölle von bis zu 38,1 Prozent auf E-Pkw aus China zu erheben, ist ein weiterer Schritt weg von globaler Zusammenarbeit“, kritisierte VDA-Präsidentin Hildegard Müller die Maßnahme. „Der potenzielle Schaden, der von den jetzt angekündigten Maßnahmen ausgehen könnte, ist womöglich höher als der mögliche Nutzen für die europäische – und insbesondere die deutsche – Automobilindustrie.“

Das sieht man auch bei der Volkswagen-Tochter Cupra so, die den neuen Tavascan in China fertigen lässt und nun kurz vor Modelleinführung mit einem Ausgleichszoll von 38,1 Prozent rechnen muss. „Ausgleichszölle“, hieß es dort, „sind generell nicht geeignet, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie nachhaltig zu stärken – wir lehnen sie ab.“ Der Zeitpunkt der Entscheidung der EU-Kommission sei angesichts der derzeit schwachen Nachfrage nach vollelektrischen Fahrzeugen in Europa auch höchst ungünstig. „Wir arbeiten gemeinsam mit dem Volkswagen-Konzern daran, die möglichen Auswirkungen dieses vorläufigen Beschlusses für den Cupra Tavascan zu minimieren.“ Man werde alles tun, um zu verhindern, dass die zusätzlichen Abgaben den Preis des Tavascan beeinflussen – und den Erfolg des neuen Elektroautos gefährden. Mit einem Wort: In Martorell herrscht gerade Alarmstufe Rot.

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