Die Feinstaubbelastung? Mit 0,25 Mikrogramm pro Kubikmeter kaum messbar, sehr gut. Stickstoffdioxid? So gut wie nicht vorhanden. Sehr gut. Das gleiche gilt für Kohlenstoffmonoxid. Nur ein wenig Ammoniak ist in der Luft. Und auch der Ozonwert ist mit 87,66 Mikrogramm pro Kubikmeter leicht erhöht. Trotzdem: In Hennef an der Sieg, einer prosperierenden Kleinstadt am Rande Bonns, drohen so bald keine Fahrverbote für Dieselfahrzeuge, wird sicher nicht so schnell Feinstaubalarm ausgelöst.

Diese Schlussfolgerungen kann Bürgermeister Klaus Pipke leicht aus den zahlreichen Daten ziehen, die ihm seit September letzten Jahres ein kleiner Luftqualitätssensor vom Balkon des historischen Rathauses der Stadt auf sein Smartphone liefert. Und nicht nur ihm: Die Umweltdaten kann auch jeder Bewohner der smarten City Hennef jederzeit über eine App einsehen.

Der Handteller-große Breeze-Sensor misst eine Vielzahl von Schadstoffen in der Luft und wertet die Daten mit Hilfe Künstlicher Intelligenz aus. Foto: Breeze

Entwickelt hat den schlauen Sensor das Hamburger Start-up Breeze Technologies. Und nicht nur den: Zum Sensor gehört auch eine Cloud-basierte Plattform, auf der die Messwerte mit Labor- und Vergleichsmessungen amtlicher Mess-Stationen abgeglichen werden. Daraus erstellt anschließend eine Software mit Hilfe Künstlicher Intelligenz einen leicht verständlichen Luftqualitätsindex nach Schulnotensystem.

Für Hennef lautet die Gesamtnote an diesem Februarmorgen: Gut. Für Breeze Technologies gab es kürzlich sogar die Note „Sehr Gut“ mit Auszeichnung: Das Startup gewann den Ideenwettbewerb „Mobility for a better world“, den APX, der  Accelerator von Porsche Digital und Axel Springer Digital Ventures, gemeinsam ausgeschrieben hatten. Über 150 Jungunternehmen aus aller Welt hatten sich mit ihren Ideen und Projekten an dem Wettbewerb beteiligt. Eine vierköpfige Expertenjury, zu der auch EDISON zählte, wählte aus den vielen Vorschläge acht Finalisten aus Deutschland, Spanien, Finnland und Neuseeland aus, die nun in Berlin in einem Pitch gegeneinander antraten – live und zugeschaltet per Skype.

Alles andere als „Katzenfutter“
Robert Heinecke hat als Chef des Startup Breeze aus Hamburg Sensoren entwickelt, um die Luftqualität in den Städten breitflächig zu messen und mit Künstlicher Intelligenz zu analysieren.

Gründer und CEO Robert Heinecke, der die innovative Umwelt-Sensorik in Berlin vorstellte, überzeugte Fachjury und Publikum vor allem mit einem Kostenvergleich: Die Container, die heute in vielen Städten am Straßenrand stehen und die Luftqualität prüfen, kosten bis zu eine Million Euro und liefern nur punktuell Informationen. Die Sensoren von Breeze hingegen kosten nur etwa 1000 Euro und lassen sich zu einem Netzwerk zusammenschließen. Die Informationsdichte ist dadurch deutlich höher. Zudem erlaubt das System Prognosen über die Entwicklung der Luftqualität in der gesamten Stadt. Zudem lassen sich leicht „Hotspots“ identifizieren, an denen die Schadstoffbelastungen besonders hoch sind. Dafür gab es beim Live-Voting von Experten und Publikum die höchste Punktzahl und den ersten Preis in Höhe von 8000 Euro.

Simulieren geht vor Probieren
Ramakrishna Nanjunddaiah vom Startup Phantasma Labs aus Berlin will Autoherstellern mit Simulationen helfen, das Verkehrsgewühl in den Städten zu analysieren und so preiswert Daten für das vollautonome Fahren zu gewinnen. Foto: apx

Es war eine knappe Entscheidung. Denn auch die anderen Finalisten präsentierten interessante Konzepte, mit denen sich in Zukunft die Mobilität neu organisieren ließe. Der Zweitplatzierte, das Startup Phantasma Labs aus Berlin, hat beispielsweise mit Hilfe von Game-Engines eine Plattform entwickelt, über die sich menschliches Verhalten im städtischen Verkehr simulieren lässt, zehn Mal billiger und schneller als mit konventionellen Methoden. Wie Co-Gründer und CEO Ramakrishna Nanjundaiah darlegte, ließe sich die Plattform unter anderem dazu nutzen, um die Steuerungssoftware vollautonom fahrendes Autos auf Level 5 zu programmieren. Den Marsch von fast zwei Millionen muslimischen Gläubigen rund um die Kaaba von Mekka habe man damit schon recht gut simulieren können und auf der Basis Konzepte zur Erhöhung der Sicherheit entwickeln können – bei dem Teil der Wallfahrt kommen im dichten Gedränge regelmäßig Menschen zu Tode. Mit einigen Autohersteller, verriet Nanjundaiah, stehe man bereits in Kontakt. Das Preisgeld von 5000 Euro für den Zweitplatzierten kann er sicher trotzdem gut gebrauchen.

Entenvater
Kai Kreisköther hat den Streetscooter mitentwickelt und will nun den Gütertransport in den Städten mit Hilfe elektrisch angetriebener Leichtfahrzeuge revolutionieren. Foto: apx

Mit dem vollautonomen Fahren hat sich auch der Drittplatzierte von Berlin auseinander gesetzt. Im Mittelpunkt der Aktivitäten von Droid Drive, einer Ausgründung der RWTH Aachen, steht allerdings nicht der Personen-, sondern der Güterverkehr, in der Stadt, aber auch auf Werksgeländen. Als Mitarbeiter des Streetscooter-Gründers Achim Kampker und als Leiter des Lehrstuhl PEM (Production Engineering of E-Mobility Components) hat der Oberingenieur Kai D. Kreisköther auf dem Gebiet bereits jede Menge Erfahrung sammeln können. Erwachsen ist daraus das Konzept „Ducktrain“: Vierteilige, elektrisch betriebene Paketzüge, bei dem hinter einem Führungsfahrzeug mehrere leichte Ladungsträger hinterherzockeln – wie Entenküken hinter dem Muttertier.

Follow Me
Bis zu vier elektrische „Enten-Kücken“ bilden einen „Ducktrain“, der in den Städten die Paketverteilung übernehmen könnten. Vollautonom oder – in der ersten Entwicklungsstufe – unter Aufsicht eines Menschen, der dem Zug mit einem Fahrrad voranfahren könnte. Foto: Droid Drive

Jeder kleine „Duck“ kann Paket von bis zu zwei Kubikmeter Größe und bis zu 300 Kilogramm Gewicht aufnehmen. Eine intelligente Sensorik und eine spezielle „Follow Me“-Software koppeln die Teile des „Platoons“. Sie sorgen aber auch dafür, dass die Einzelwaggons Hindernissen selbständig ausweichen und eigenständig ihren Bestimmungsort ansteuern können. Die Deutsche Post DHL hat bereits Interesse an dem Konzept signalisiert, auch andere Logistik-Dienstleister. Aber noch fehlt dem „Ducktrain“ die technische Reife: In diesem Jahr sollen zunächst zehn Prototypen gebaut werden, 2025 der erste vollautonom fahrende Entenzug durch eine Stadt fahren. Einen „zweistelligen Millionenbetrag“, verriet Kreisköther, bräuchte das Unternehmen noch zur Finanzierung der technischen Entwicklung. Immerhin 4000 Euro gab es für ihn und seine Mitstreiter als Lohn für den dritten Platz im Ideenwettbewerb „Mobility for a better world“.

Dessen Initiatorin, die Porsche-Managerin Daniela Rathe, zeigte sich von den bei dem Wettbewerb präsentierten Konzepten ebenso beeindruckt wie Robert Martin, Manager Business Planning bei Porsche Digital: „Ich bin sehr gespannt, was aus den Projekten wird.“ Zu hoffen sei, dass die eine oder andere Idee „dazu beitragen kann, die Welt ein Stück weit zu verbessern.“

EDISON kann sich dem nur anschließen.

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