Der neue Fiat 500 „La Prima“ wird sie montiert haben, wenn der kleine Stromer im Herbst in den Handel kommt. Und auch beim ID.3 von Volkswagen sind sie in der Erstausrüstung montiert: Die neuen Leichtlaufreifen Turanza Eco von Bridgestone. Der japanische Hersteller hat die Reifen für beide Fahrzeuge maßgeschneidert. Sie wurden speziell abgestimmt auf das Gewicht des Autos und auf die Wünsche seines Herstellers. Zum Einsatz kam dabei unter anderem eine innovative Leichtbau-Technologie, die Gewichtsersparnisse von bis zu 20 Prozent ermöglicht.
Die Entwicklung von so genannten OE-Reifen (Pneus in Erstausrüster-Qualität) war schon immer eine besonders anspruchsvolle Angelegenheit. Bei Autos mit Verbrennungsmotoren gibt es hier, Sicherheit, Komfort und Dynamik miteinander in Einklang zu bringen. Bei Elektroautos kommen noch andere Aspekte hinzu – die Reifen sollen jetzt auch noch helfen, eine möglichst große Reichweite zu erzielen. Und sie müssen mit dem hohen Drehmoment klar kommen, das Elektromotoren auf die Straße bringen. Reifen für Elektroautos sind somit immer Highperformance-Produkte. Über die besonderen Herausforderungen dabei sprachen wir mit Christian F. Mühlhäuser. Seit Juli 2018 leitet der Diplom-Ingenieur von Bad Homburg aus das Geschäft von Bridgestone in Zentraleuropa.
Herr Mühlhäuser, nach einer Reifenpanne mit meinem Elektroauto musste ich kürzlich mehrere Tage warten, ehe der Händler Ersatz beschaffen konnte: Den passenden Reifen hatte er nicht auf Lager. Ich habe mich da gefragt: Sind für Elektroautos Spezialreifen notwendig oder würde es nicht reichen, einfach Reifen für SUVs mit einer höheren Traglast zu montieren?
Jede Reifenentwicklung in der Erstausrüstung zielt darauf ab, das Zusammenspiel zwischen Fahrwerk und Reifen möglichst optimal, im Sinne maximaler Sicherheit, abzustimmen. Die Elektrofahrzeuge der neuesten Generation, also reine BEVs, weisen signifikante konzeptionelle Unterschiede gegenüber herkömmlichen Fahrzeugkonzepten auf. Dazu gehören unter anderen der durch das Batteriepaket bedingte tiefe Schwerpunkt, die geringere dynamische Achslastverlagerung, das hohe Drehmoment am Rad oder auch die veränderte Akustik im Fahrzeuginnenraum. Um das individuelle Anforderungsprofil eines BEVs mit Hilfe des Reifens umfassend und bestmöglich zu erfüllen, liefern speziell entwickelte, quasi maßgeschneiderte Reifen, die überzeugendsten Ergebnisse.
Rollwiderstandsarme Reifen werden auch für konventionell angetriebene Pkw benötigt. Worin unterscheiden sich dann beide Kategorien?
Grundsätzlich müssen Reifen für BEVs aufgrund des Batteriegewichtes eine höhere Tragfähigkeit aufweisen. Ebenso wie Erstausrüstungsreifen für konventionell angetriebene Pkw müssen sie darüber hinaus viele weitere Ansprüche möglichst ideal abdecken. Ein klassischer Zielkonflikt besteht zwischen dem hohen Drehmoment am Rad und dem gewünschten geringen Rollwiderstand sowie einer gleichzeitig akzeptablen Laufleistung. Die unterschiedliche Schwerpunktlage und die dynamische Radlast bei BEVs erfordern zudem eine entsprechend angepasste Reifenkonstruktion zur Optimierung der Aufstandsfläche.
Es dürfte nicht so einfach sein, diese Aspekte alle „unter einen Hut“ zu bringen…
In der Tat. Zumal auch Reifenbreite und Außendurchmesser bei BEVs in einem Zielkonflikt stehen.
Inwiefern?
Sie dürfen am Fahrzeug nicht zu weit nach innen reichen, da sonst das Batteriepaket im Weg wäre. Und aufgrund der gesetzlichen Vorschriften ebenso nicht nach außen. Die Reifen für Elektroautos zeichnen sich daher tendenziell durch einen großen Durchmesser und eine schmalere Reifenbreite aus. Der große Durchmesser fördert zugleich die Tragfähigkeit und einen bei gleicher Breite geringeren Rollwiderstand. Um diese Zielkonflikte bei Parametern wie beispielsweise Rollwiderstand, Nasshaftung und Laufleistung möglichst optimal zu lösen, arbeiten wir unter anderem erfolgreich mit innovativen High-End-Laufstreifenmischungen, die entwicklungsbedingt immer wieder neue zielführende Lösungen eröffnen.
Welche Potenziale sind bei der Einsparung des Energieverbrauchs noch möglich – oder sind diese bereits weitgehend ausgeschöpft?
Hier muss ebenfalls zwischen den unterschiedlichen Antriebskonzepten unterschieden werden. Beim konventionellen Powertrain erreichen moderne rollwiderstandsreduzierte Reifen teilweise bereits heute so geringe Fahrwiderstände, dass es spezieller Maßnahmen wie eines verkleinerten Kühlwasserkreislaufs in der Warmlaufphase oder einer zusätzlichen Kühlwasservorheizung bedarf, um Motor und Getriebe auf die optimale Betriebstemperatur zu bringen und so auch den Schadstoffausstoß zu optimieren. Bei den BEVs geht dagegen jede weitere Rollwiderstandsreduzierung mit einer Erhöhung der Reichweite einher. Ähnliche Effekte bringt eine aerodynamische Optimierung. Hier liegt noch einiges Potenzial.
Ein Reifen muss aber natürlich noch andere Anforderungen erfüllen – er muss ein guten Halt und ein gutes Bremsverhalten auf der Fahrbahn unter unterschiedlichen Witterungsbedingungen bieten. Wie löst man diese Zielkonflikte?
Die Schlüsselrolle spielt dabei Forschung und Entwicklung. Mithilfe modernster Technologie reduzieren unsere Techniker und Ingenieure diese Zielkonflikte immer weiter durch neue Gummimischungen, verbesserte Profilstrukturen, die Optimierung der Reifenaufstandsfläche durch Simulationen oder auch Leichtbau. Die neue Bridgestone Enliten Leichtbau-Technologie sorgt beispielweise durch eine signifikante Gewichtsreduktion von rund 20 Prozent und die damit einhergehende geringere Massenträgheit nicht nur beim Beschleunigen oder Verzögern für weniger Energieverluste, sondern schont gleichzeitig die Ressourcen durch einen geringeren Materialeinsatz. Reifen mit dieser Technologie kommen unter anderen in der Erstausrüstung des neuen Volkswagen ID.3 zum Einsatz. Auch die immer besseren Möglichkeiten der digitalen Simulation liefern wertvolle Daten, lange bevor die Produkte real existieren. Sie tragen maßgeblich dazu bei, potenzielle Problemfelder bereits im frühen Projektstatus zu erkennen und in der Folge entsprechend effiziente Lösungen zu entwickeln.