Bis zur neuen Gigafactory in Grünheide sind es nur 60 Kilometer Luftlinie, bis zur neuen Kathodenfabrik der BASF in Schwarzheide ist es nicht viel weiter. Und auch die Batteriefabrik von Volkswagen in Salzgitter ist in Reichweite. Es gibt einen Bahnanschluss, finanzielle Förderung des Landes – und nach dem absehbaren Ende der Braunkohleförderung ist jeder Investor in der Lausitz hochwillkommen.

Das deutsch-kanadische Cleantech-Unternehmen Rock Tech Lithium hat sich deshalb entschlossen, seinen ersten Lithiumhydroxid-Konverter in einem Gewerbegebiet in Guben zu bauen. Wenn die vom brandenburgischen Wirtschaftsministerium versprochenen Gelder freigegeben werden und die Genehmigungsverfahren wie die Bauarbeiten zügig über die Bühne gehen, soll die Lithium-„Raffinerie“ im Frühsommer 2024 nahe der polnischen Grenze damit beginnen, Roh-Lithium so zu veredeln, dass es zum Bau von Lithium-Ionen-Zellen unter anderem für Elektroautos genutzt werden kann. Geplant ist zudem der Aufbau einer Recycling-Anlage für ausrangierte Hochvolt-Akkus: Bis 2030 soll das in Guben produzierte Lithiumhydroxit zur Hälfte aus Recyclat bestehen.

Lithium-Werk Guben
Am Ufer der Neisse
Im Gewerbegebiet Guben Süd, unmittelbar an der deutsch-polnischen Grenze, will Rock Tech Lithium seine Raffinerie errichten. 2024 soll hier die Produktion von Lithiumhydroxid beginnen, das unter anderem für Elektroautos benötigt wird. Foto: Stadt Guben.

Wie Dirk Harbecke, der CEO von Rock Tech Lithium bei einer digitalen Pressekonferenz in Guben in Anwesenheit von Landeswirtschaftsminister Jörg Steinbach erläuterte, wird das Lithium in erster Linie in einem Bergwerk des Unternehmens im kanadischen Ontario abgebaut. Mit Lastwagen, Schiffen und Zügen wird das Lithium anschließend über eine Luftentfernung von rund 6500 Kilometern in die Lausitz geschafft und dort verarbeitet.

Salar de Uyuni, Bolivien Nach einer neuen Studie ist der Lithium-Abbau besser als sein Ruf. Denn die Diskussion um den hohen Grundwasserverbrauch wird hierzulande mit veralteten Zahlen geführt. Rohstoffe

Warum nicht gleich vor Ort und Stelle? In Europa sehen die deutschen Gründer des Unternehmens – zu denen der frühere BMW-Finanzvorstand Stefan Krause zählt – in den kommenden Jahren den größten Markt. Und der Transport von Roh-Lithium ist einfacher als der von toxischem und hochreaktivem Lithiumhydroxid – die Aufbereitung im Bestimmungsland spart also Kosten.

Preise für Lithium schießen durch die Decke

Auf jeden Fall wird es ein lukratives Geschäft – die Preise für Lithiumhydroxid sind durch die Decke geschossen, seit immer mehr Autohersteller auf die Elektromobilität einschwenken und Politiker nicht nur in Deutschland die Verkehrswende aus Klimaschutzgründen mehr oder minder zum Staatsziel erklärt haben. Aktuell kostet eine Tonne des „weißen Goldes“ etwa 6.500 Dollar pro Tonnet. Bis 2025 könnte der Preis laut Expertenschätzungen auf bis zu 16.500 Dollar steigen. Bei einer geplanten Jahresproduktion von 24.000 Tonnen Lithiumhydroxid lohnen sich da schon derart lange Transportwege und auch eine aufwändige Aufbereitung „made in Germany“ nach den Bedingungen des deutschen Lieferkettengesetzes.

Lithiumabbau in Bolivien
Salzsee in Chile
Das Gros des heute in Elektroautos eingesetzten Silizium wird in Lateinamerika und Asien gewonnen. Bei der wachsenden Nachfrage nach Elektroautos reichen die Vorräte dort aber bei weitem nicht – es braucht neue Quellen. Foto: BMW

Für einen Vollbetrieb wird die Anlage in Guben eine Zufuhr von rund 160.000 Tonnen Lithiumkonzentrat im Jahr benötigen. Im Tagebau in Ontario werden nach derzeitigen Schätzungen im Jahr etwa 100.000 Tonnen abgebaut werden können – der Rest muss also aus anderen Quellen kommen. Durch Zukauf in den bekannten Abbaugebieten in Chile, Australien oder Asien – und durch Rückgewinnung aus ausrangierten Akkus. Die Menge würde reichen, um rund eine halbe Million Elektroautos jährlich mit Lithium-Zellen auszurüsten. Rock Tech plant deshalb den Bau von wenigstens fünf weiteren Lithium-Raffinerien.

Um an die für das Recycling benötigten Alt-Batterien zu kommen, führt Rock Tech Lithium intensive Gespräche mit allen möglichen Unternehmen nicht nur aus der Autoindustrie, sondern auch mit der BASF und dem belgischen Recycling-Konzern Umicore. Die Pläne von Rock Tech Lithium sehen vor, die Alt-Akkus komplett – also auch inklusive der Beiprodukte – zu verwerten. Um Verfahren dafür zu entwickelt, hat das Unternehmen in Halle an der Saale zusammen mit Knauf Gips und der GP Papenburg Entsorgung Ost das Deutsche Lithiuminstitut gegründet.

Aber nun gilt es zunächst einmal, alle Bau- und Betriebsgenehmigungen einzuholen und das Gelände in Guben für die Bauarbeiten vorzubereiten. Minister Steinbach hat wie zuvor schon Tesla volle Unterstützung zugesagt. Wie Harbecke vorsorglich betonte, sei der Wasserbedarf der neuen Fabrik bei weitem nicht so hoch wie der von Tesla in Grünheide. Der Großteil davon werde nach der Nutzung zudem in den Kreislauf bzw. die nahegelegene Lausitzer Neiße zurückgegeben werden.

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