Ob es an den von der EU angedrohten Strafzöllen liegt oder an der insgesamt abgeschwächten Nachfrage nach Elektroautos: Nach Feststellungen des Marktforschungsunternehmens Dataforce aus Frankfurt sind die Verkäufe von Elektroautos aus China im Juli in 16 Ländern der Union um insgesamt 36 Prozent und damit deutlich zurückgegangen. Fast alle Autohersteller mussten Einbußen hinnehmen, MG um 20 und Polestar um 42 Prozent. Lediglich BYD konnte seinen Absatz im Juli noch einmal steigern – im Vorjahresvergleich sogar um das Dreifache. Dataforce-Analyst Julian Litzinger führt das vor allem auf das Engagement von BYD als einer der Hauptsponsoren der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland zurück.

In Deutschland lag der Anteil chinesischer Marken an den Fahrzeugzulassungen nach der Analyse von Dataforce im Juli bei nur noch acht Prozent – im Monat davor betrug der Marktanteil noch 13 Prozent. Im Nachbarland Frankreich sank der Anteil der chinesischen Hersteller an den Neuzulassungen von Elektroautos von acht auf fünf Prozent, in Belgien von zehn auf sieben. Lediglich in Großbritannien stieg der Absatz von Elektroautos aus China – das Vereinigte Königreich ist nicht mehr Mitglied der EU und plant im Unterschied zur Union derzeit keine Strafzölle.

Im Rückwärtsgang 
Der chinesische Saic-Konzern verkaufte nach den Erhebungen von Dataforce im Juli 20 Prozent weniger Exemplare des ID.3-Konkurrenten MG4. Dem Konzern drohen Strafzölle in Höhe von 36,3 Prozent auf den Verkaufspreis. Foto: MG
Im Rückwärtsgang
Der chinesische Saic-Konzern verkaufte nach den Erhebungen von Dataforce im Juli 20 Prozent weniger Exemplare des ID.3-Konkurrenten MG4. Dem Konzern drohen Strafzölle in Höhe von 36,3 Prozent auf den Verkaufspreis. Foto: MG

Die Europäische Union hingegen wirft China seit längerem vor, den Wettbewerb auf dem eigenen Markt mit überdimensionalen Subventionen zugunsten der eigenen Marken zu verzerren und will daher wohl ab November entsprechende Strafzahlungen einführen. Diese angedrohten Sonderzölle sollen, so sie dann nicht noch zurückgenommen werden, etwas geringer ausfallen als anfangs angedroht. Nachdem die EU die Zölle nochmals vertieft hat prüfen lassen, senkte sie den Maximalsatz von vormals 37,6 Prozent auf 36,6 Prozent. Doch das vermeintlich grüne Licht der eigenen Juristen für entsprechende Zölle hat für die Brüsseler Regulierer auch einen faden Beigeschmack. Nur allzu gerne hätte man die Strafzahlungen auch rückwirkend zu Anfang Juli durchgesetzt. Allerdings soll es hierfür nach aktuellem Stand keine Rechtsgrundlage geben.

Leichter Nachlass bei Strafzöllen

Für die einzelnen chinesischen Hersteller gab es nunmehr jedoch eine leichte Reduzierung der angedrohten Strafzölle. So müsste BYD statt 17,7 nach aktuellem Stand lediglich 17 Prozent Zoll extra zahlen – zusätzlich zu dem Standardsatz von zehn Prozent. Bei Geely sank der Aufschlag von 19,9 auf 19,3 Prozent und bei Saic – Hersteller von Elektroautos der Marke MG – von 37,6 auf 36,3 Prozent. Der vollelektrische MG4, einer der härtesten Konkurrenten des VW ID.3 oder Cupra Born, könnte sich dadurch deutlich verteuern.

Made in China 
Der neue Elektro-Crossover Cupra Tavascan wird derzeit in einem Joint Venture von Volkswagen mit der Anhui Jianghuai Automobile Group (JAC) gefertigt und über Shanghai in die EU exportiert. Dem Modell drohen deshalb ebenfalls Strafzölle.
Made in China
Der neue Elektro-Crossover Cupra Tavascan wird derzeit in einem Joint Venture von Volkswagen mit der Anhui Jianghuai Automobile Group (JAC) gefertigt und über Shanghai in die EU exportiert. Dem Modell drohen deshalb ebenfalls Strafzölle.

Taktisch sind die jüngsten Reduzierungen allerdings nicht mehr als ein Signal von Brüssel nach Peking, dass die Tür für Verhandlungen noch nicht geschlossen ist. Hinter den Kulissen wird angeblich eifrig verhandelt und so steht noch nicht fest, ob die Strafzölle Anfang November 2024 tatsächlich eingeführt werden. Zuvor müssen sich die 27 Staaten der Europäischen Union mehrheitlich für diese Regelung aussprechen.

Auch Smart, Mini und Cupra wären betroffen

Derzeit kommt der Widerstand gegen die Strafzölle vor allem aus Deutschland. Mit gutem Grund: Denn auch Volkswagen, BMW und Mercedes fertigen seit Jahren Fahrzeuge in China und einige der Modelle werden inzwischen nach Europa exportiert. Geely produziert zum Beispiel nicht nur die Modelle Eletre und Emeya von Lotus. Der chinesische Großkonzern fertig als Kooperationspartner und Anteilseigner von Mercedes auch die Smart-Modelle #1 und #3. Die Volkswagen-Konzernmarke Cupra wiederum lässt seinen neuen Tavascan im chinesischen Anhui bauen und verschifft ihn via Shanghai nach Europa. Und Mini lässt seinen elektrischen Cooper sowie den Aceman in einem Joint Venture mit Great Wall Motors (Spotlight Automotive Ltd.) fertigen.

Die Bayern wurden immerhin nun in den Kreis den kooperierenden Unternehmen aufgenommen. „Die Einführung zusätzlicher Importzölle führt in eine Sackgasse. Sie stärkt nicht die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Hersteller“, wetterte BMW-Chef Oliver Zipse bereits im Juni. „Sie schadet vielmehr dem Geschäftsmodell global agierender Unternehmen, schränkt das Angebot von E-Autos für europäische Kunden ein und kann damit sogar die Dekarbonisierung im Verkehrssektor verlangsamen. Solche Maßnahmen sind ein schwerer Eingriff in das auch von der EU propagierte Prinzip des freien Handels.“

(Mit Ergänzungen von Franz Rother)

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