Flugzeuge mit elektrischem Antrieb sind kein neues Konzept. Bereits 1973 flog der Österreicher Heino Brditschka mit einem elektrisch angetriebenen Motorsegler auf eine Höhe von 300 Metern mit einer Batterieladung. Nickelcadmium-Akkus von Varta lieferten 15 Kilowatt Leistung, für den Vortrieb sorgte ein Bosch-Motor. Unvergessen ist auch die Erdumrundung von Bertrand Piccar mit dem Sonnenflieger Solar Impulse von 2016.
Aber erst die Klimakrise, innovative Speichertechnologien und zeitgemäße Aerodynamik verliehen dieser Antriebsform nun den nötigen Schwung. Forschung und Industrie arbeiten derzeit intensiv an Alternativen zu den Verbrenner-Flugzeugen. Kleinere Flugzeuge fliegen bereits mit Batterie, größere zumindest hybridelektrisch. Bei ihnen lädt ein herkömmliches Triebwerk oder eine Brennstoffzelle die Batterien auf und hilft bei Start und Landung.
An der amerikanisch-kanadischen Pazifikküste ist bereits im vergangenen Jahr eine elektrifizierte DHC-2 „Beaver“ erstmals geflogen. Die „Beaver“ ist ein Luftfahrtklassiker: Seit den späten 1940er Jahren sind diese einmotorigen Hochdecker die Arbeitspferde der Buschfliegerei im Norden des amerikanischen Kontinents. Der australische E-Triebwerk-Hersteller MagniX kooperiert bei diesem Projekt mit der im kanadischen Vancouver ansässigen Fluggesellschaft „Harbour Air“. Ein 560kW starker E-Motor ersetzt hier den ursprünglich genutzten Pratt & Whitney-Sternmotor. Der Elektromotor erlaubt Flüge von immerhin bis zu einer halben Stunde. Das ist zwar im Vergleich zur Verbrenner-Beaver eher wenig, aber dafür ist die Öko-Bilanz deutlich besser. „Harbour Air“ will im kommenden Jahr kommerzielle Flüge mit einem elektrischen Wasserflugzeug anbieten. Dann zeigt sich, wie alltagstauglich dieser „Stromer der Lüfte“ ist.
Und die „Beaver wird nicht die einzige Propellermaschine mit Elektroantrieb bleiben. Als nächstes installierte MagniX seinen E-Motor in eine Cessna 208 „Caravan“. Das kleine, ebenfalls propellergetriebene Passagierflugzeug hat normalerweise Platz für bis zu zehn Personen einschließlich des Piloten. Nach dem Einbau der ein Tonnen schweren Lithium-Batterie blieb allerdings nur noch Platz für den Piloten. Anfang Juni hob die „eCaravan“ im US-amerikanischen Seattle zum ersten Mal vom Boden ab – für eine Flugzeit von 30 Minuten. Denn die 560 Kilowatt (kW) starke „eCaravan“ hat dasselbe Problem wie die umgerüstete „Beaver“: Ihre Reichweite ist aufgrund der geringen Speicherkapazität der Batterie deutlich geringer.
Trotzdem rechnen sich die Verantwortlichen von MagniX und den Projektpartnern gute kommerzielle Chancen aus. Zum einen sind viele Commuter-Flugzeuge schon älter und müssen in den nächsten Jahren ersetzt werden. Außerdem werden sie oft eben nicht für längere Strecken eingesetzt, sondern für kürzere, höchstens um die 200 Kilometer lange Flüge. So könnte ein Luftverkehrssystem entstehen, das nicht nur klimafreundlicher ist, sondern auch mittelgroße Städte besser an Ballungszentren und große Flughäfen anbindet. Vor Ort könnten die Batterien dann aus Windkraft oder Solarzellen neu geladen werden.
DLR favorisiert Hybridantrieb
Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DL) sowie des Münchener Bauhauses Luftfahrt denken in eine ähnliche Richtung. Das Projekt „CoCoRe“ (Cooperation for Commuter Research oder Forschungskooperation für Zubringerflugzeuge) nimmt die nächste Generation der sogenannten Commuter-Flugzeuge unter die Lupe, also Verkehrsflugzeuge für bis zu 19 Passagiere.
„In unserer Studie haben wir exemplarisch eine Konfiguration untersucht, die sich mit einigen Modifikationen eng an die heute fliegenden 19-Sitzer Do-228 und insbesondere Jetstream 31 anlehnt“, sagt Projektleiter Wolfgang Grimme von DLR-Institut für Flughafenwesen und Luftverkehr. In beiden Triebwerksgondeln sitzen hybridelektrische Antriebe, also Kombinationen aus Gasturbine und Batterien. Mit Batteriekraft alleine flöge das Flugzeug um die 350 Kilometer, mit zusätzlicher Turbinenkraft dann bis zu 1000 Kilometer weit. Es könnte heute schon gebaut werden.
Neben „CoCoRe“ laufen hierzulande auch zwei Studien für größere E-Flugzeuge. Die „FUTPRINT50“-Studie der Universität Stuttgart entwirft ein hybridelektrisches Verkehrsflugzeug mit bis zu 50 Sitzen. Die Wissenschaftler um Professor Andreas Strohmayer vom Institut für Flugzeugbau wollen bis etwa 2035 oder 2040 eine Reihe von Technologien ausgewählt und entwickelt haben, mit denen es gebaut und kommerziell genutzt werden kann. Im Fokus der Forscher sind dabei Antrieb und Energiehaushalt an Bord.
„Ein hybridelektrischer Antriebsstrang ist eigentlich komplexer und schwerer als ein herkömmliches Triebwerk“, sagt Andreas Strohmayer, „die Frage ist also, wie er effektiver wird.“
Brennstoffzelle als „Range Extender“
In einer ähnlichen Richtung denken DLR-Forscher am Hamburger Institut für Systemarchitekturen in der Luftfahrt. Sie interessiert ein hybridelektrischer 70-Sitzer mit bis zu 2000 Kilometer Reichweite, der um 2040 in den Einsatz gehen könnte. „Wir sehen Potential, aber keine Quantensprünge bei den Batterien“, sagt Projektleiter Johannes Hartmann. Also brauchen die Öko-Flugzeuge der Zukunft zusätzliche Stromquellen wie Brennstoffzellen oder Gasturbinen.
Für Hartmann ist eine gute Ökobilanz jedoch erst dann gesichert, wenn der Strom zum Nachladen aus Wind- oder Solarkraft stammt und auch der Produktionsprozess ökologisch ausgerichtet wird. „Fliegen ohne Klima-Impact ist möglich“, meint er, „es geht um das Zusammenspiel von Lufttransportsystem und Energiesystem.“ Ob sich das Bild auf unseren Flughäfen stark verändert, bleibt abzuwarten. US-Startups wie Zunum Aero arbeiten an sehr futuristischen Flugzeugen. Aber die Hybridantriebe von morgen lassen sich mit bewährten Designs kombinieren. Und der „eCaravan“ zeigt, dass sich auch die Nachrüstung älterer Flugzeuge lohnt.