Der Akku kann etwa 65 Kilowattstunden Strom speichern, der Antrieb ist 400 kW oder 550 PS stark: Die technischen Daten des allradgetriebenen „Odyssee 21“ klingen nicht besonders spektakulär – ein Audi e-tron in S-Ausführung etwa kann da durchaus mithalten. Spektakulär wird der Elektro-SUV erst beim Blick auf das Gewicht von 1650 Kilo, sein Design – und vor allem seinen Einsatzzweck: Bewegt werden soll die E-Flunder im kommenden Jahr bei der „Extreme E“, einer spektakulären Rallye für Elektroauto in einigen der abgelegensten Gegenden der Welt und besonders extremen Umgebungen: im brasilianischen Regenwald, in Grönland und dem Himalaya, am Salzsee Lac Retbe im Senegal sowie in der Oase Al-Ula in Saudi-Arabien.

Erfunden wurde sie von dem spanischen Unternehmer und ehemaligen EU-Parlamentarier Alejandro Agag, der 2014 schon die Formel E aus der Taufe gehoben hatte – die derzeit erfolgreichste Motorsport-Serie für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben. Mit der Extreme E verfolge er nun einen neuen, erweiterten Ansatz, erläuterte der Motorsport-Manager im Gespräch mit EDISON: „Wir wollen mit der nachhaltigsten Rennserie die Welt für den Klimawandel sensibilisieren, zeigen, wie weit er bereits fortgeschritten ist – in der Arktis und im Himalaya. Und welche Auswirkungen das auf den Regenwald im Amazonas und andere Biosphären hat.“ Auch auf die zunehmende Verschmutzung der Ozeane wolle man hinweisen: „Das ist unser Kernanliegen.“

Klingt gut, aber schadet man der Umwelt nicht mehr, wenn man mit einem „Rennzirkus“ in ein hochsensibles Gebiet einfalle, um dort mit acht Teams zwei Tage lang Rennen auszutragen? Auch wenn diese jeweils nur etwa 15 Minuten dauern?

Brennstoffzellen liefern den Ladestrom

Agag hört die Frage offensichtlich nicht zum ersten Mal, ist darauf vorbereitet: „Wir werden keine Schäden verursachen, nicht einmal einen Fußabdruck hinterlassen.“ So sollen die Teams an den Austragungsorten an oder nahe der Küste auf einem Frachter, der MS „St. Helena“, verbleiben, die zu einer Art „schwimmenden Garage“ mit angeschlossenem Hotel für rund 200 Personen umgebaut wurde. Auch die Ladestationen haben hier ihren Platz: Container, in denen Brennstoffzellen mit Hilfe von Wasserstoff Strom erzeugen, während das Schiff von einem Veranstaltungsort zum nächsten schippert.

Und ein wissenschaftliches Komitee, dem unter anderem der Arktis-Experte Peter Wadhams und der Wüstenforscher Richard Washington angehören, sollen darauf achten, dass die Rallye vor Ort keine Schäden hinterlässt. Zudem werde man Maßnahmen einleiten, um die Situation vor Ort zu verbessern – durch die Wiederaufforstung von 500 Hektar Regenwald im Amazonas-Gebiet oder Säuberungsaktionen in dem von Mangroven gesäumten Flussdelta vor Dakar. In Grönland („Wir können da schlecht neues Eis produzieren“) werde zusammen mit der UNICEF ein Projekt starten, um die Bildungschance von Kindern der Inuit zu verbessern. Agag: „Wir haben uns da schon einiges einfallen lassen, um die Welt durch unsere Anwesenheit wenigstens ein kleines Stück besser zu machen.“

Extrem-Abenteurer
Cupra-Chef Wayne Griffiths, Abt-Chef Hans-Jürgen Abt und Rennfahrer Mattias Ekström vor dem Prototypen des E-SUV „Odyssee21“, mit dem Ende des Monats erste Testfahrten in Südfrankreich unternommen werden sollen. Foto: Cupra

Und das nicht nur für die Verbesserung der Umweltbedingungen. Auch für die Gleichstellung von Männern und Frauen will die Extreme E einen Beitrag leisten: Die acht Teams sind dazu verpflichtet, wenigstens einen der beiden Fahrerplätze mit einer Frau zu besetzen. Auch reine Frauenteams sind möglich – bis zum ersten Lauf, der nach heutigem Stand am 23. Januar nächsten Jahres in Dakar stattfinden soll, kann hier noch viel passieren.

Die Fahrzeug-Technik ist dafür in den beiden ersten Jahren der Rennserie für alle Teams identisch – hier diente die Formel E als Vorbild. Aufgebaut werden die E-SUV bei Spark Racing Technology in Frankreich. Die Batterien, deren Kapazität für Fahrten über zwei Runden von insgesamt acht Kilometer Länge oder eine Viertelstunde unter Volllast reicht, steuert Williams Advanced Engineering bei, Reifenpartner ist Continental.

Cupra ist erster Autohersteller an Bord

Erst ab 2023 sollen die Teams die Möglichkeit erhalten, das Fahrzeug nach ihren Vorstellungen umzugestalten, mit Modifikationen an der Karosserie, am Antriebsstrang, am Chassis. Das Konzept kommt gut an: Mit der Seat-Schwestermarke Cupra hat Agag bereits einen ersten Fahrzeughersteller für die neue Rennserie gewonnen. Kooperationspartner von Cupra ist Abt Motorsport aus Kempten, das den zweimaligen DTM-Champion Mattias Ekström an den Start bringt – seine Partnerin am Steuer wird noch gesucht. Ein anderes Team wird der mehrfache Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton stellen – hohe Aufmerksamkeit für die Rennserie ist damit garantiert.

Hans-Jürgen Abt, der für den Extrem-E-Einsatz ein zehnköpfiges Team aufgestellt hat, freut sich jedenfalls schon auf die ersten Testfahrten mit dem „Odyssee 21“, die Ende des Monats in Südfrankreich stattfinden sollen – wenn es die Corona-Bestimmungen im Nachbarland zulassen: „Das ist alles schon cool gemacht und gut durchdacht.“ Die Extreme E werde die nachhaltigste Rennserie weltweit – und die erste, bei der von vornherein kein Publikum an der Strecke vorgesehen ist. Zu sehen werden die Rennen allein im Fernsehen und im Internet. Aus Umweltschutzgründen, wie Agag erklärt: „Je mehr Menschen bei einem solchen Event vor Ort sind, desto größer ist die Umweltverschmutzung.“

Ein Vorbild für die Formel E sei das allerdings nicht: Das das Finale dieser Rennserie in Berlin komplett vor leeren Zuschauerrängen stattfinden musste, hat Agag nach eigenen Worten „sehr, sehr weh“ getan.

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1 Kommentar

  1. Fritz Hainz

    Für mich ein sehr interessantes Thema in Verbindung mit Motorsport

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