In Singapur ist ein Frachtschiff von Mitsubishi zu seiner Jungfernfahrt nach Brasilien ausgelaufen, das zum Teil vom Wind angetrieben wird. An der Entwicklung des neuartigen Segels war ein britischen Segel-Olympiasieger beteiligt.
Die in Singapur registrierte „Pyxis Ocean“ ist ein 229 Meter langer Massengutfrachter des Baujahrs 2017, der von seinem Eigner kürzlich nachträglich mit Segeln ausgestattet wurde. Damit soll er den Wind als Antrieb nutzen, was gleich in doppelter Weise von Vorteil ist: Der Betreiber spart täglich bis zu drei Tonnen Treibstoff, was die Betriebskosten für die Cargill-Reederei aus der Schweiz senkt, die die „Pyxis Ocean“ gechartert hat . Und das Schiff wird auf hoher See weniger fossilen Treibstoff zu verbrennen, ist wiederum gut für die Umwelt.
Mit den Segelschiffen aus früheren Jahrhunderten hat die nach einem liturgischen Schmuckgefäß benannte „Pyxis Ocean“ indes wenig zu tun: So hat das Schiff kein verwirrendes System aus einer Vielzahl von Leinen, und es muss auch niemand in die Wanten aufentern, um Segel zu setzen oder zu bergen. Die beiden Masten befinden sich auch nicht wie bei historischen Windjammern mittschiffs, sondern sind an der Steuerbordseite, also rechts, montiert.
Windwings mit Formel-1-Expertise
„Windwings“ heißt das innovative Antriebssystem, das vom britischen Unternehmen BAR Technologies entwickelt wurde. Gebaut hat die Windwings das norwegische Unternehmen Yara Marine Technologies, das auf saubere Technologien für Schiffe spezialisiert ist.
Ein „Windwing“ ist ein starres System aus einem Glasfaserverbundwerkstoff und ähnelt eher einer Tragfläche als einem klassischen Segel. Vorbild waren die High-Tech-Segel aus dem Spitzensport, wie sie etwa beim America’s Cup eingesetzt werden. Ein Spitzensportler war auch daran beteiligt: BAR Technologies ist ein Spin-off von Ben Ainslie Racing (BAR), dem Rennsegel-Team von Sir Ben Ainslie, 46. Ainslie ist viermaliger Segel-Olympiasieger und Gewinner des Americas Cup 2013. Chairman von BAR Technologies ist der Luftfahrtingenieur und frühere Chef des Formel-1-Teams von McLaren, Martin Whitmarsh. Und McLaren’s früherer Geschäftsführer John Cooper ist CEO des Unternehmens.
Sensoren richten Segel automatisch aus
Aber zurück zur Technik. Ein Windwing ist 37,5 Meter hoch und besteht aus drei Elementen. Das in der Mitte ist 10 Meter breit, die beiden äußeren jeweils 5 Meter. Das ganze Segel kann nach dem Wind gedreht werden. Zudem lässt sich der Winkel der beiden äußeren zum mittleren Element einstellen. Die beiden Masten stehen auch nicht dauerhaft: Sie können gelegt werden, etwa wenn das Schiff unter einer Brücke hindurchfährt oder im Dock liegt.
Sensoren überwachen das System. Sie erfassen Windrichtung und -geschwindigkeit und sorgen dafür, dass Windwings stets bestmöglich zum Wind ausgerichtet sind. Wird der zu stark – bei etwa 40 Knoten, umgerechnet etwa 74 km/h – sorgen sie dafür, dass die Windwings ebenfalls eingeklappt werden.
Weitere Sensoren erfassen die Krängung des Schiffes, Abweichungen vom geplanten Kurs sowie die Rudereinstellung. „Wir haben Ben nicht an Bord, also muss das automatisch gehen“, sagte John Cooper, der Chef von BAR Technologies, der britischen Tageszeitung The Telegraph (Paywall).
Jeder dieser Windwings spart 1,5 Tonnen fossilen Brennstoff pro Tag. Bei gestellten Segeln braucht das Schiff also etwa drei Tonnen weniger Treibstoff. „Wenn die internationale Schifffahrt ihr Ziel, die CO2-Emissionen zu reduzieren, erreichen will, dann muss die Innovation in den Vordergrund rücken“, sagte Cooper. „Wind ist ein nahezu kostenloser Treibstoff, und die Möglichkeiten zur Verringerung der Emissionen sind neben erheblichen Effizienzgewinnen bei den Betriebskosten der Schiffe beträchtlich.“
Was das System auf der Jungfernfahrt gebracht hat, wird sich zeigen, wenn die „Pyxis Ocean“ in einigen Wochen an ihrem Zielort Paranagua in Brasilien eintrifft.
(Mit Ergänzungen von Franz Rother)