Florian Hildebrand ist von der Möglichkeit begeistert, mit modularen Anlagen Kohlenstoffdioxid der Luft entziehen zu können. Er ist einer von drei Gründern des Essener Start-ups Greenlyte Carbon Technologies (GCT), das eine sogenannte Direct Air Capture (DAC) Technologie entwickelt. Grundlage bildet ein Verfahren, das Peter Behr, ebenfalls Teil des Gründerteams, in den vergangenen 15 Jahren an der Universität Duisburg-Essen entwickelt hat. Dabei wird CO2 aus der Luft entnommen und in einer Flüssigkeit absorbiert. Aus der entstandenen Lösung wird anschließend das CO2 als ein Carbonat-Salz ausgefällt und in einer Wasserelektrolyse gelöst. Dadurch entsteht als Nebenprodukt der CO2-Abscheidung Wasserstoff.
Pilotanlage soll 2024 starten
Ein großer Vorteil des patentierten Prozesses sei, dass er – anders als die meisten DAC-Verfahren – mit weniger Energie auskomme und gleichzeitig Wasserstoff liefert, erläutert Hildebrand. Zudem könne Greenlyte die Anlage auf Basis von Standardkomponenten bauen, dies reduziere die Kapitalkosten deutlich.
Im Labor funktioniere das Verfahren bereits. Noch in diesem Jahr plant Greenlyte nun, in Essen eine Pilotanlage zu bauen. Sie soll 100 Tonnen CO2 pro Jahr aus der Luft entziehen. Als Nebenprodukt fallen rund zwei Tonnen grüner Wasserstoff an. Hildebrand erhofft sich, durch den Bau der Pilotanlage beweisen zu können, dass Kosten von 100-150 Euro pro Tonne CO2 auch bei modularen Anlagen möglich sind. Damit läge Greenlyte in dem Bereich, der auch von der Internationalen Energieagentur (IEA) als notwendige Obergrenze angegeben wird. In Abhängigkeit von der Technologie und den Kosten für Strom und Wärme schätzt die IEA die aktuellen Kosten bei einer großen Anlage mit einem jährlichen Entzug von einer Millionen Tonnen CO2 auf eine Spanne zwischen 120 und 335 US-Dollar pro Tonne CO2.
Greenlyte will CO2 und Wasserstoff vermarkten
Mit der Pilotanlage sollen alle Prozesse unter verschiedenen Umgebungsbedingungen getestet werden, um so die „unknown Unknowns“ zu entdecken, wie Hildebrand es ausdrückte. Ihr Geschäftsmodell sei offen: Eine Option sei der Bau und Verkauf von Anlagen. „Kleine Anlagen verkaufen, um anschließend große Anlagen bauen zu können“, erklärt Hildebrand. Eine weitere Möglichkeit wäre, selbst CO2 und Wasserstoff zu vermarkten. Dabei müsse das CO2 nicht eingelagert, sondern könnte direkt zur Produktion von E-Fuels, E-Chemicals oder Mineralwasser genutzt werden.
Von den Marktchancen der Technologie ist Hildebrand überzeugt. Der Maschinenbauingenieur versteht sich als Start-up-Unternehmer und konnte bereits ein anderes von ihm mitgegründetes Tech-Unternehmen innerhalb von fünf Jahren erfolgreich auf über 100 Mitarbeiter skalieren. Nach dieser Erfolgsgeschichte habe er mit vielen Unis gesprochen, um ein erfolgversprechendes „Hardware“- Projekt zu finden und seinen Unternehmergeist weiter auszuleben. So sei er an der Universität Duisburg-Essen auf das Projekt von Behr aufmerksam geworden.
Der Dritte im Gründerteam ist Niklas Friedrichsen. Er ist für die Prozesse und Entwicklung bei Greenlyte verantwortlich. Das Unternehmen hat aktuell insgesamt 16 Mitarbeiter und konnte in zwei „Pre-Seed-Runden“ acht Millionen Euro von drei Fonds aus dem Bereich Climate Tech als Finanzierung erhalten.
Regulatorischer Rahmen für CO2-Entnahme fehlt noch
Aktuell steckt die DAC-Technologie noch in den Kinderschuhen, 18 bestehende Anlagen hat die IEA im vergangenen Jahr gezählt. Die entnommene CO2-Menge sei jedoch vernachlässigbar, die größte Anlage entzieht 4.000 Tonnen aus der Luft. Bis 2050 sollen es knapp eine Gigatonne (Gt) CO2 pro Anlage sein. Die jährliche Abscheidung aus der Luft liegt dagegen laut Studien des Weltklimarats (IPCC) bei 3,5 bis 16 Gt. Dabei wurde allerdings auch die Kombination von Bioenergie und CO2-Speicherung oder Nutzung als Möglichkeit negativer CO2-Emission berücksichtigt.
Ein regulatorischer Rahmen für die Anerkennung von negativen Emissionen, die unter anderem durch Direct Air Capture möglich werden, fehlt noch. Unternehmen wie Carbon Engineering, die bereits Großanlagen planen, fordern eine Aufnahme der Technologie in den EU-Emissionshandel. Die EU-Kommission hat erst Ende November 2022 den Vorschlag für eine Richtlinie zur Zertifizierung von CO2-Entnahmen vorgelegt.
(Co-Autor: Moritz Huhn)