Bewegung ist eines der großen Leitmotive für Anna Maria Mühe. Wenige Tage nach dem Interview bricht die 38jährige Schauspielerin in den Urlaub auf. In ihrem neuen Film „Sophia, der Tod und ich“ (ab 31. August im Kino), begibt sich ihre Figur auf eine Autofahrt durch Deutschland, bei der sich das Schicksal des männlichen Ich-Erzählers entscheidet. Zudem ist die Berlinerin Markenbotschafterin für die E-Flotte von Skoda. Nicht zuletzt wird ihr Leben durch eine große Reiselust geprägt. Doch sie ist sich voll bewusst, dass es beim Thema Fortbewegung in den aktuellen Zeiten viele Aspekte abzuwägen gilt. So berichtet sie beim Gespräch nicht nur von Reiseerfahrungen im Allgemeinen und ihr persönliches Verhältnis zum Auto im Besonderen, sondern setzt sich auch aus ökologischer Perspektive mit dem Spannungsfeld von Verzicht und Genuss auseinander.

Anna Maria Mühe
Die Künstlerin wurde am 23. Juli 1985 als Tochter des bekannten Schauspielerpaars Jenny Gröllmann und Ulrich Mühe geboren. 2002 gab sie in „Große Mädchen weinen nicht“ ihr Filmdebüt. Zu ihren bekanntesten Projekten gehört die TV-Reihe „Solo für Weiss“. Zu ihren letzten Projekten zählten die Serie „Die neue Zeit“ und der Mehrteiler „Unsere wunderbaren Jahre“, die 2019 bzw. 2020 ausgestrahlt wurden, sowie die Netflix-Serie „Die Totenfrau“ (2022). Ab 31. August ist sie in der schwarzen Komödie „Sophia, der Tod und ich“ im Kino zu sehen. (Fotos: Jan Kapitän

Frau Mühe, Ihr Film „Sophia, der Tod und ich“ stellt die Frage nach dem Sinn des Lebens im Angesicht des sicheren Todes. Inwieweit beschäftigen Sie sich mit der großen Sinnfrage?

Es gibt Momente im Leben, wo diese Frage so vorbeihuscht. Ich beantworte sie oft unterschiedlich, abhängig von meiner aktuellen Situation und meinem Gemütszustand. Natürlich ist für mich der Sinn des Lebens dadurch geprägt, dass ich eine elfjährige Tochter habe, was mit einer bestimmten Verantwortung verbunden ist.

Welche Antworten haben Sie im Lauf der Zeit gefunden?

Es sind nie klare und bewusste Antworten. Es ist eher das, was man in Gesprächen herausfindet, wenn man sich darüber unterhält, wo man gerade steht und worin vielleicht der aktuelle Sinn liegt, der aber in ein paar Monaten auch schon wieder ein anderer sein kann.

Nachdem wir ja nun miteinander ein Gespräch führen – worin besteht der aktuelle Sinn für Sie?

Mein letztes halbes Jahr war durch sehr viel Arbeit bestimmt. Jetzt gilt es für mich, in der Ruhe wieder den Sinn, die Liebe zum Leben und die Liebe zu sich zu finden. Dafür muss ich mich wieder auf die kleinen Dinge zurückbesinnen, um sie neu genießen zu können. Das dauert immer etwas, wenn man so viel gearbeitet hat und wie im Hamsterrad funktioniert hat. In seiner eigentlichen Realität anzukommen, geht nicht von heute auf morgen.

Im Film spielt sich die Sinnsuche auf einer Reise ab. Wenn Sie verreisen, hilft Ihnen das, zu sich selbst zu finden?

Wenn ich privat reise, dann führt es mich eher zu mir hin. Ich mag Reisen sehr gerne. Ich komme bei mir an und finde meine Ruhe – und zwar auf Reisen jeder Art, ob Städtetrips, Strandurlaub oder bei Aufenthalten in den Bergen.

Gibt es eine Reise, die Sie nachhaltig beeindruckt hat?

Ich bin mal im Stil der Beduinen durch die Sahara gereist. Das war nur eine gute Woche, aber das hat noch lange nachgehallt. Es war schon sehr beeindruckend, durch die Wüste zu laufen, im Zelt zu schlafen und nur das Essen der Beduinen zu sich nehmen.

Läuft man denn zu Fuß durch die Wüste?

Am ersten Tag habe ich den Fehler gemacht, nur auf dem Kamel zu reiten, was dazu geführt hat, dass ich am nächsten Tag einen extremen Muskelkater hatte. Danach war ich nur noch zu Fuß unterwegs wie alle anderen.

Weite Reisen, für die man auf das Flugzeug angewiesen ist, sind angesichts der Klimaproblematik in Verruf geraten. Wie sehen Sie das?

Ich reise nach wie vor noch gerne. Ich verzichte aber schon lange auf innerdeutsche Flüge. Außerdem prüfe ich, wie weit man innerhalb Europas mit dem Zug kommt. Wenn es die Zeit zulässt, dann bevorzuge ich das. Aber wenn ich nur eine Woche zur Verfügung habe, dann fällt es mir ehrlicherweise schwer, sechs Tage für Hin- und Rückfahrt im Zug zu verbringen und nur einen Tag an dem Ort zu haben, wo ich gerne sein würde. Insofern ist das immer ein Abwägen.

„Elektromobilität ist wahrscheinlich die Lösung für einige Probleme, wenn auch nicht für alle.“

Unsere Lebenszeit ist bekanntermaßen begrenzt, was ja auch der Film thematisiert. Es gibt Umweltaktivisten, die sich sogar schon für die ‚Letzte Generation‘ halten. Inwieweit teilen Sie deren Sichtweise?

Ich versuche nicht in Panik zu geraten, die man durchaus bekommen könnte, wenn man sich die Situation anschaut. Ich habe ein sehr schlaues Kind, die diese Thematik im Unterricht durchnimmt und mir viele Sachen dazu erzählt. Für mich ist sie ein totales Vorbild, und so gesehen hoffe ich, dass ihre Generation das Ruder herumreißt. Natürlich müssen wir dafür auf bestimmte Dinge verzichten, aber ich habe das Gefühl, dass das in meinem Umfeld alle tun.

Worauf verzichten Sie, abgesehen vom innerdeutschen Fliegen?

Es ist ein viel bewussteres Leben geworden. Ich überlege mir auch im Alltag genau, wie ich eine Strecke zurücklege, ob zum Beispiel mit dem Auto oder dem Fahrrad.

Sie sind Markenbotschafterin für die E-Autos von Skoda. Ist E-Mobilität die Lösung?

Es ist wahrscheinlich die Lösung für einige Probleme, wenn auch nicht für alle. Aber in jedem Fall für den Jetztzustand.

„In Sophia, der Tod und ich“ fahren die Protagonisten durch ganz Deutschland. Mögen Sie privat solche Autotrips?

Ich fahre liebend gerne Auto. Ich mag es, irgendwo hin zu kommen, weil die Zeit nicht so dahin fliegt, sondern weil man bewusst mit der Zeit mitgeht. Bei Flugreisen dagegen ist man plötzlich innerhalb von ein paar Stunden an einem paradiesischen Ort, aber der Körper kommt nicht so hinterher. 

Haben Sie ein Beispiel für eine besonders bemerkenswerte Autofahrt?

Als meine Tochter noch ein Baby war, habe ich alles mit dem Auto gemacht. Das war sehr hilfreich, um das alles zu stemmen. Damals habe ich tagsüber in Regensburg gedreht und bin und nachts in den Spreewald gefahren, wo ich einen zweiten Dreh hatte. So konnte ich meine Tochter mit einer Nanny mitnehmen. Das klingt natürlich anstrengend, aber für mich waren das total wertvolle Stunden. Ich hatte im Auto meine Ruhe- und Auszeiten, konnte aber auch Telefonate führen und habe mich auf die Figuren eingestimmt, die ich spielte.

Inwieweit ist für Sie Genuss wichtig, der ja auch ein Teil des Lebenssinns sein kann?

Ich kann in vielen Situationen Genuss empfinden – bei gutem Essen genauso wie mit gutem Wein oder durch Zeit mit meinen Liebsten, weil die teilweise sehr rar gesät ist. Ich habe aber auch Glücksmomente, wenn ich im Auto sitze und sehr laut Musik höre und dabei lauthals mitsinge.

Welche Songs sind das?

Ich habe dieses Jahr das erste Mal Theater gespielt – in dem Stück „Stolz und Vorurteil – oder so“. Darin hatten wir sehr viele 80er Songs, die ich auf dem Weg zum Theater immer sehr laut im Auto gehört und mitgesungen habe, selbst wenn ich meine Beifahrer damit wahnsinnig gemacht habe. Das waren insbesondere „Lady in Red“ von Chris de Burgh und „Time After Time“ von Cindy Lauper. 

Was ist Ihr genereller Wunschsoundtrack für lange Autofahrten?

Das ist von meinem Gemütszustand abhängig. Ich höre sehr gerne alten Hip Hop oder Soundtracks von tollen Filmen wie „Jenseits der Stille“ oder „Es war einmal in Amerika“. Sozusagen querbeet.

In der heutigen Situation kommt es aber eben auch auf Verzichten an, wie Sie schon erwähnten. Steht das zum Genießen im Widerspruch?

Ich bin prinzipiell kein Mensch, der auf den Verzicht schaut, sondern auf das, was er hat. Das heißt, bei mir stellt sich nicht die Frage, ob ich auf etwas verzichten muss und deshalb nicht genießen kann. Das, was ich habe, das genieße ich. Wenn ich etwas nicht habe, dann habe ich dafür etwas anderes.

Sie haben also keinen Wunsch nach bestimmten materiellen Besitztümern?

Nein. 

Gibt es Gegenstände in Ihrem Besitz, die Ihnen besondere Freude bereiten?

Ich liebe es, in meine Wohnung zu kommen. Ich liebe meine unterschiedlichen Koffer, weil die mir anzeigen wie lange die Reise dauern wird. 

Aber was tun Sie sonst, um sich ökologisch bewusst zu verhalten?

Wir essen zuhause Nahrungsmittel aus der Region, was ich auch meiner Tochter beibringe. Ich wasche Wäsche nur dann, wenn es sein muss. Nie bei 60 Grad. Kleidungsstücke, die ich aussortiere, versuche ich zu spenden oder in den Second Hand Shop zu geben.

Nachdem Sie Panikzustände vermeiden, denken Sie, dass wir ökologisch und klimatechnisch noch die Kurve kriegen? 

Ich bin immer generell Optimist. Und wenn ich mir die Generation meiner Tochter anschaue, dann bin ich ganz besonders optimistisch.

„Wenn ich mir die Generation meiner Tochter anschaue, dann bin ich ganz besonders optimistisch.“

Ist diese Generation Ihnen in Sachen Umweltbewusstsein voraus?

Ja. Weil sie mit einer anderen Selbstverständlichkeit rangehen und gar nicht über den Verzicht nachdenken. Zum Beispiel ist meine Tochter seit drei Jahren Vegetarierin. Das hat sie einfach so entschieden. Ich habe ihr keinen Film gezeigt oder erklärt, wie schlimm manche Schweine gehalten werden. Auf diese Weise haben wir zuhause kein Fleisch mehr. Die Selbstverständlichkeit dieses Verhaltens hat sie mir vermittelt.

Wenn man ganz strenge Maßstäbe anlegt, könnte Ihre Tochter Reiseziele, die Sie selbst schon kennen, nicht erleben, weil sie eben nicht fliegen dürfte.

Es gibt schon Fälle, wo aus meiner Sicht ein Flugzeug okay ist. Es gibt zum Beispiel Städte wie New York, die ich schon gesehen habe, aber die ich ihr gerne noch zeigen würde. 

Wenn Sie selbst nur noch eine Fernreise unternehmen könnten, wohin würden Sie dann fliegen?

Nach Neuseeland. Das kenne ich nur von Fotos, und eine Freundin von mir kommt aus Neuseeland und sie erzählt mir darüber nur Gutes. Die Natur muss atemberaubend sein. 

Gibt es Erfahrungen in der Natur, die besonders intensiv waren? 

Meine Serie „Die Totenfrau“ wurde in den Bergen gedreht. Und das ist schon ein unglaubliches Naturerlebnis, wenn du erst Schnee hast, dann kommt die Sonne heraus und er schmilzt und plötzlich schneit es wieder und alles ist dicht. Diese schnelle Veränderung fand ich sehr beeindruckend.

Könnten Sie sich auf Dauer ein Leben in der Natureinsamkeit vorstellen?

Auf Dauer nicht. Ich brauche schon mein kleines Nest im Prenzlauer Berg, den guten Weinladen um die Ecke und mein Lieblingscafé und alle meine Freunde rechts und links nebendran. 

Sophia, der Tod und ich
Der Film von Charly Hübner (rechts) erzählt von einem jungen Mann, der ganz plötzlich an einem Herzfehler sterben soll, dann aber eine zweite Chance erhält, weil der Tod das mit dem Abmurksen einfach nicht rechtzeitig auf die Kette kriegt. Ann Maria Mühe spielt hier an der Seite von Dimitrij Schaad (links), Marc Hosemann und Johanna Gastdorf. Foto: DCM

Ihr Trip durch die Sahara dürfte auch ein ziemlich intensives Naturerlebnis gewesen sein…

Das ist richtig. Wir saßen jeden Abend am Lagerfeuer. Plötzlich meinte der eine Beduine, dass wir leise sein sollten, dann schlug er mit dem Schuh in den Sand, und darunter war ein Skorpion, der gerade auf dem Weg zu unseren Füßen war. Bis dahin waren wir nur barfuß gelaufen, weil wir es so toll fanden. Ab dann nicht mehr. Einmal hatten wir in der Nacht einen unglaublichen Sturm. Als wir in der Früh aus den Zelten getreten sind, sah die Landschaft ganz anders aus als am Abend zuvor und das ganze Camp war mit toten Skorpionen gepflastert.  Nach solchen Erfahrungen merkt man, dass man In dieser wahnsinnigen Natur so klein und unbedeutend ist.

Wie sehen Sie sich jetzt?

Ich bin immer noch demütig, was aber auch mit meiner Erziehung zu tun hat. Natürlich vergeht dieses extreme Gefühl wieder, das ich in der Wüste hatte, und das finde ich auch in Ordnung. Man kann es sich ja wieder hochholen und daran erinnern, wenn man zum Beispiel Fotos anschaut. Oder man macht nochmal so eine Reise. 

Lebt man eigentlich bewusster, wenn man um die eigene Endlichkeit Bescheid weiß?

Auf jeden Fall. Das ist auch hilfreich. Es gibt viele Leute, die das verleugnen. Aber wenn man denen ein gutes Vorbild ist und zeigt, dass es anders geht und man auch durch Verzicht Glück empfinden kann, dann kann sich jeder an die eigene Nase fassen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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