Auf einen Schlag 35 Kilometer mehr mehr Reichweite und ein um fünf Prozent geringerer Verbrauch? Hyundai gelang dies im Frühjahr beim Kona Elektro ganz einfach – durch die Montage von rollwiderstandsarmen Reifen vom Typ Michelin Primacy 4 in der Erstausrüstung. Jetzt könnten die Koreaner noch einmal nachlegen und die Reichweite des Elektro-SUV von aktuell 484 Kilometer nochmals um 30 Kilometer erhöhen. Denn Michelin hat mit dem e.Primacy eine neue Reifen-Generation vorgestellt, die angeblich 27 Prozent besser abschneidet als der Primacy 4.

Nach Angaben des französischen Reifenherstellers sinkt der Rollwiderstand im Durchschnitt zwei Kilogramm pro Tonne Fahrzeuggewicht, was bei Tests die Reichweite eines Elektroautos vom Typ VW e-Golf um sieben Prozent oder etwa 30 Kilometer ansteigen ließ. Gleichzeitig soll der neue Reifen auch über eine bessere Haftung auf nasser Fahrbahn und ein längere Lebensdauer aufweisen. Und auch die Abrollgeräusche sollen hörbar sinken.

Gut zwei Jahre Entwicklungsarbeit stecken in der neuen Reifengeneration, erläuterten Experten des Konzerns in einer digitalen Pressekonferenz. Die Reifenkarkasse wurde dabei ebenso überarbeitet wie die eingesetzte Gummimischung. Die Reifenflanken wurden stabiler ausgelegt, so dass sie etwa bei Kurvenfahrten weniger Energie absorbieren. Der Reifengürtel, der auf die Karkasse aufgebracht wird, wurde neu gestaltet und kommt nun mit weniger Drähten aus. Und ein neues hochelastisches Elastomer lässt den Gummi geschmeidiger über den Asphalt rollen. In Summe wird so die Effizienz des Reifen deutlich gesenkt werden, verspricht der Hersteller. Entwickelt wurde der e-Primacy mit einem starken Fokus auf die wachsende Zahl von Elektroautos. Aber auch konventionell angetriebene Fahrzeuge sollen von dem neuen Reifentyp profitieren: Zum Start im kommenden Frühjahr soll er in insgesamt 56 Dimensionen zur Verfügung stehen. Produziert wird er unter anderem im Michelin-Werk Bad Kreuznach.

Michelin will bis 2050 klimaneutral sein

Wie Michelin-Vorstand Scott Clark bei der Präsentation hervorhob, ist der e.Primacy nicht nur am Fahrzeug, sondern auch schon in der Produktion besonders umweltfreundlich: Von der Rohstoffgewinnung bis zum Transport zum Kunden wurden die Prozesse so optimiert, dass die Reifen „fast“ klimaneutral übergeben werden können. Scott: „Umweltfragen stehen im Mittelpunkt unserer strategischen Prioritäten. Um unseren ökologischen Fußabdruck schneller zu reduzieren, haben wir uns verpflichtet, die CO2-Emissionen all unserer Produktionsstätten bis 2030 zu halbieren – um bis 2050 klimaneutral zu sein. Zudem sollen im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie alle Reifen von Michelin im Jahr 2030 bis zu 20 Prozent energieeffizienter sein als im Vergleichsjahr 2010.

Unplattbar: Luftloser Reifen „Uptis“
Möglich machen das flexible Lamellen aus Gummi und Kohlefasern, die fest mit der Felge verbunden sind. Der Name steht für „Unique Puncture Proof Tire System“, zu Deutsch: durschlagsicheres Reifensystem. Foto: Michelin

Im Gespräch mit EDISON bekräftigte Europa-Präsident Anish K. Taneja die Strategie. „Der Reifen gibt immer noch viel her, sogar noch mehr als früher. Dieses Potenzial müssen wir jetzt heben.“ Reifen für Elektroautos seien dabei eine besondere Herausforderung, so Taneja: „Der Rollwiderstand kann hier bis zu 30 Prozent des Genesamtenergieverbrauchs ausmachen.“

Die Fokussierung auf Nachhaltigkeits-Themen berge für das Unternehmen aber auch die Chance, die Marke Michelin insgesamt neu zu positionieren. Taneja: „Michelin gibt es seit 130 Jahren. Und wir wollten schon immer mehr als nur Reifen liefern, sondern einen Beitrag zur Verbesserung der Mobilität zu liefern. Das ist unsere Chance, uns von den übrigen Premiumherstellern zu differenzieren.“

Bis zum Jahr 2050 sollen die Michelin-Reifen zu 80 Prozent aus biologischen Stoffen bestehen und damit größtenteils auch biologisch abbaubar sein. Auf dem Weg dorthin setzt das Unternehmen unter anderem auf den luftlosen Reifen Uptis, der bis 2024 marktreif sein soll. Taneja: „Das wird ein echter Meilenstein, eine echte Disruption. Denn viele Reifen werden nur ersetzt, weil sie Luft verlieren. Enorme Ressourcen werden dadurch verschwendet.“

Michelin und Faurecia setzen auf Wasserstoff

Europa-Präsident Anish K. Taneja
„Der Reifen gibt immer noch viel her, sogar noch mehr als früher. Dieses Potenzial müssen wir jetzt heben.“ Foto: Michelin

Ein wichtiges Element ist dabei laut Taneja der Motorsport: Michelin ist Reifensponsor der Elektro-Rennserie Formel E. Gleichzeitig teste das Unternehmen aber auch den Einsatz von Wasserstoff im Rennsport: Gemeinsam mit dem französischen Autozulieferer Faurecia hat Michelin im vergangenen Jahr das Joint Venture Symbio gegründet. Ziel ist die Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Wasserstoff-Brennstoffzellensystemen für leichte Nutzfahrzeuge. Erster Kunde ist der PSA-Konzern, der im kommenden Jahr eine Flotte von 100 Elektro-Transporter auf den Markt bringen wird, die den Fahrstrom mithilfe von Wasserstoff und Brennstoff selbst produzieren. Das Unternehmen habe sehr ambitionierte Ziele, verriet der Europa-Präsident: „2030 möchte Michelin mit Symbio einen Marktanteil von 25 Prozent und einen Umsatz von mehr als 1,5 Milliarden Euro erreichen und 2000.000 Brennstoffzellen pro Jahr produzieren.“

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2 Kommentare

  1. Jürgen Baumann

    Das Reifen ein Rolle spielen bei der Reichweite, weiss jeder der Winterreifen aufzieht. Insofern ist die Neuentwicklung zu begrüssen. Vielleicht habe ich es überlesen – für welche Jahreszeiten wird dieser neue Reifen empfohlen? Da ich einen Hyundai Kona electric fahren seit April 2019 interessiert das schon. Das Fahrzeug in dieser Version hat eine WLTP Reichweite von 449 km – real liege ich nach 21’600 km bei 485 km. Mit dem Reifen käme ich u.U. sogar auch im Winter um die 500 km weit.
    Aktuell sind es im Sommer 500 km+, Herbst und Frühling 450 km+ und im Winter 400 km+.

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    • Franz W. Rother

      Bei dem neuen e.Primacy handelt es sich um einen Sommerreifen. An einem Winterreifen dieser Bauart wird noch gearbeitet.

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