Es sind verstörende Bilder aus Nordrhein-Westfalen und dem angrenzenden Rheinland-Pfalz. Mehrere Dörfer mussten in der vergangenen Nacht geräumt werden, in Wuppertal waren viele Straßen überflutet, an manchen Standorten wurden Pegelstände gemessen, die zwei Meter über bisherigen Höchstständen lagen. In den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sind bei den Unwettern bisher mindestens 170 Menschen ums Leben gekommen, etwa 150 Personen werden noch vermisst (Stand: 22. Juli).

Flutkatastrophen und Starkregen werden durch die Klimaerhitzung häufiger und stärker. Diese Tatsache hat Brisanz. Unweit der überfluteten Dörfer befinden sich die Braunkohlekraftwerke Neurath, Niederaußem und Weisweiler – und damit drei der fünf größten Kohlendioxid-Quellen Europas.

Wetter und Klima sind nicht dasselbe, doch sie hängen eng zusammen. Lange Zeit lautete die Antwort der Klimawissenschaft, wenn es um den Einfluss des Klimawandels auf einzelne Extremwetterereignisse ging, meist, dass man dazu keine konkrete Aussage treffen könne.

Doch das hat sich inzwischen geändert. Die Klimaforschung kann zunehmend besser und schneller herausfinden, wie genau einzelne Wetterereignisse mit der Klimakrise zusammenhängen.

Mehr Wärme, mehr Verdunstung, mehr Regen

Es gibt verschiedene wissenschaftliche Ansätze zu der Frage, wie der Klimawandel bestimmte Wetterereignisse beeinflusst. Ein rein physikalischer Grund ist relativ einfach zu verstehen: Wenn es wärmer wird, verdunstet mehr Wasser. Damit ist die Menge an Wasser in der Atmosphäre insgesamt höher und es kann auch mehr regnen.

Die Menge an Regen nimmt dabei pro Grad Erwärmung um etwa sieben Prozent zu. Zum Vergleich: Die Erde hat sich durch Treibhausgase bisher um etwa 1,2 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau erwärmt.

Braunkohlekraftwerk vor den Toren Kölns
Die intensive Nutzung fossiler Energieträger hat in den zurückliegenden Jahrzehnten einiges zur Erderwärmung beigetragen. Die Umstellung der Stromerzeugung auf regenerative Energien ist deshalb zwingend. Foto: RWE

Die Staaten der Welt haben sich 2015 im Pariser Klimaschutzabkommen das Ziel gesetzt, die Erderhitzung auf deutlich unter zwei Grad und am besten auf 1,5 Grad zu begrenzen. Doch von der Erfüllung dieser Ziele ist man weit entfernt. Wenn die aktuelle Politik fortgesetzt wird, sind mindestens drei Grad zu erwarten.

Bei extremen Regenfällen wie denen, die gerade Nordrhein-Westfalen getroffen haben, geht es jedoch nicht allein um die Frage, ob insgesamt mehr Regen fällt. Vielmehr geht es um Extremereignisse, bei denen in kurzer Zeit sehr viel Regen fällt.

Die Klimawissenschaft kann hier grundsätzlich mit zwei Ansätzen arbeiten. Sie kann über Klimamodelle Aussagen über die zukünftige Wahrscheinlichkeit von bestimmten Ereignissen treffen und sie kann beobachten, ob Extremereignisse bereits jetzt häufiger auftreten.

Häufung von Starkregen-Ereignissen seit 1990

Bei extremen Regenfällen gibt es dazu schon länger relativ eindeutige Daten. Eine Studie aus dem Jahr 2015 hat etwa den Anstieg von Rekordregenfällen über einen längeren Zeitraum ausgewertet und konnte ab dem Jahr 1990 eine Häufung solcher Rekorde feststellen. Die Studie kam zu dem Schluss, dass ein Regenrekord im Jahr 2010 mit 26 Prozent Wahrscheinlichkeit durch den Klimawandel verursacht wurde.

Ein Bericht des Weltklimarates IPCC aus dem Jahr 2019 fasst den Stand der Wissenschaft zum Thema so zusammen: „Eine anhaltende menschengemachte Erwärmung wird sehr wahrscheinlich die Häufigkeit und Intensität extremer Regenfälle in vielen Regionen der Welt erhöhen.“

Doch neben diesen allgemeinen Aussagen über die statistische Häufigkeit von Extremereignissen stellt sich die Klimawissenschaft auch immer häufiger die Frage, welche Aussagen sie über einzelne Ereignisse wie Hitzewellen oder Fluten treffen kann.

Die Attributionsforschung ist ein Teilbereich der Klimawissenschaft, der sich mit der Frage des Zusammenhangs einzelner Extremwetterereignisse mit dem Klimawandel befasst. Die Attributionsforschung hat in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht.

Ein wichtiger Akteur ist hier die World Weather Attribution Initiative, die von Friederike Otto von der Universität Oxford und Geert Jan van Oldenborgh vom Königlich-Niederländischen Meteorologischen Institut geleitet wird.

Die daran beteiligten Forscher versuchen zunehmend zeitnah zu beantworten, was sich über die Wahrscheinlichkeit einzelner Extremwetterereignisse und den Klimawandel sagen lässt. Dabei wird etwa verglichen, wie wahrscheinlich ein bestimmtes Ereignis in einem Klimamodell mit und ohne den menschengemachten Klimawandel wäre.

Analyse innerhalb von wenigen Tagen

Zuletzt haben die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler innerhalb weniger Tage eine Analyse der Hitzewelle in den USA und Kanada Ende Juni veröffentlicht. An Deutlichkeit lässt sie nichts zu wünschen übrig: Diese Hitzewelle wäre demnach ohne den menschengemachten Klimawandel „praktisch unmöglich“gewesen.

Auch Fluten und extreme Regenfälle hat die World Weather Attribution Initiative bereits untersucht, wenngleich sie dabei selten so deutliche Worte findet wie bei der nordamerikanischen Hitzewelle. Regenfälle durch den Sturm Imelda in Texas im Jahr 2019 wurden in einer Analyse etwa als „wahrscheinlicher und intensiver durch den Klimawandel“ bezeichnet.

Zu den Fluten und Regenfällen der vergangenen Nacht gibt es natürlich noch keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Trotzdem bestehen kaum Zweifel daran, dass die CO2-Emissionen der Kohlekraftwerke und Tagebaue in NRW zur Erderwärmung beigetragen haben.

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1 Kommentar

  1. P45er

    Leider nur zu wahr. In diesem Zusammenhang ist es besonders interessant, wenn sich der Herr Ministerpräsident Laschet vor die Kameras stellt, die Misere dem Klimawandel zuschreibt, und vor wenigen Tagen verkündet hat, wie „unsinnig“ Tempo 130 ist

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