Design können die Italiener. Das sieht man den Aehra E-Crossover sofort an, dessen Silhouette aussieht wie ein hochgesetzter Lamborghini Huracan. Kein Wunder, schließlich hat Filippo Perini, der bei Italdesign für die Formsprache des Elektroautos verantwortlich war, jahrelang beim Sportwagenhersteller in Sant’Agata Bolognese den Zeichenstift geschwungen – und mittlerweile für die koreanische Premiummarke Genesis tätig. Die minimalen Überhänge und die kurze, leicht geschwungene Front bringt man eher mit einem klassischen V12-Heckmittelmotor-Renner in Verbindung als mit einem batterielektrischen Crossover. „Warum müssen Elektroautos immer aussehen wie jene mit Verbrennungsmotor?“, fragt Aehra-Gründer Hazim Nada bei der Weltpremiere des Autos in Mailand.
Innenraum bleibt noch im Dunkeln
Auf diese rhetorische Frage ist keine Antwort nötig. Wir lassen lieber die Fakten sprechen. Der Aehra ist rund 5,10 Meter lang, etwa 1,64 Meter hoch und hat einen Radstand von 3 Metern. „Da passen vier NBA-Spieler rein“, sagt Nada und lächelt vielsagend, als wir entgegenhalten, dass es schon einen Unterschied macht, ob es kleinere Aufbauspieler oder monströse Center sind. Für die Pforten zu dem geräumigen Innenraum sind hochaufschwingende Flügeltüren vorgesehen. Noch ist der Innenraum bei der Präsentation des Fahrzeugs mit schwarz folierten Scheiben verhüllt, aber das Bedienkonzept soll innovativ sein und die großzügigen Platzverhältnisse des breiten Armaturenbretts nutzen. Wird spannend zu sehen sein, wie später die Umsetzung aussieht.
Nada ist kein Car Guy. Der CEO von Aehra wurde in den USA geboren, hat einen Abschluss in Theoretischer Physik an der Universität von Cambridge und promovierte in Angewandter Mathematik am Imperial College London. Ganz ohne Mobilität geht es bei dem 40-jährigen nicht. Er hat einen Pilotenschein und besitzt einen eigenen Windkanal. Das erklärt auch den Ansatz, der hinter dem Aehra E-Crossover steht: Es geht in erster Linie um Gewicht sowie Aerodynamik.
120 kWh-Akku für 800 Kilometer Reichweite
Motoren oder die Batterie werden zugekauft. Deshalb ist auch noch nicht entschieden, welche E-Maschinen Aehra nutzen will. Ein Zulieferer, mit dem man gerade spricht, hat nur Aggregate mit jeweils 200 kW (272 PS) im Angebot, so dass es insgesamt drei Antriebseinheiten Einheiten mit einer Gesamtleistung von 600 kW (816 PS) werden könnten. Macht ein anderer Zulieferer das Rennen, bekommt das Auto zwei Triebwerke mit zusammen 550 kW oder 748 PS.
Eines steht immerhin schon fest: „Die Batterie hat 120 Kilowattstunden Kapazität“, sagt Nada und erzählt, dass er sich in Gesprächen mit zwei „außereuropäischen“ Anbietern befindet. Sein Ziel sind rund 800 Kilometer Reichweite, um mit dem US-Hersteller Lucid Motors und dessen Elektro-Limousine Air konkurrieren zu können. Die Spannung des Antriebssystems beträgt 850 Volt, so dass kurze Ladezeiten garantiert sind.
Jahresproduktion von 25.000 Autos als Ziel
Trotz dieser mächtigen Akkus soll das Aehra weniger als zwei Tonnen wiegen. Um das zu erreichen, setzen die Techniker auf Verbundstoffe wie SMC (Sheet Moulding Compound) oder Carbonfaser. Und um das angestrebte Produktionsvolumen von 25.000 Einheiten pro Jahr zu realisieren, kommen kurze Fasern zum Einsatz, die lediglich mit hohem Druck gepresst und nicht unter hohem Energieaufwand gebacken werden: Nachhaltigkeit ist dem Firmengründer wichtig.
Das Aehra wird trotzdem eine sehr steife Karosserie haben, die Basis-Struktur lediglich rund 170 Kilogramm wiegen. Eine Hinterachslenkung wie beim Mercedes EQS erhöht bei der Agilität und der angestrebte cW-Wert von 0,21 vergrößert die Reichweite. Schön zu sehen, dass die Italiener das mit einem ansehnlichen Heck und ohne Entenbürzel-Spoiler erreichen.
Preise von 180.000 Dollar aufwärts
Für Hazim Nada ist es wichtig, in der Fahrzeugentwicklung neue Wege zu gehen. Deshalb hat der CEO verschiedene Universitäten abgeklappert, um talentierte Ingenieure zu finden und anzuheuern. Ein wichtiger Punkt ist auch die Qualitätssicherung während und nach der Produktion. Bei Aehra weiß man, wie wichtig eine solide Verarbeitung gerade Fahrzeuge eines Start-ups ist. Die Fehler von Tesla will man nicht wiederholen.
Um die hochfliegenden Pläne Realität werden zu lassen, ist allerdings noch viel Geld nötig. Mehr als Nada besitzt. Zwei Investoren haben schon Interesse bekundet und die erste Finanzierungsrunde scheint gesichert. Wenn alles glattgeht, soll es nicht bei dem einen Modell bleiben, das 2025 auf den Markt kommen und rund 180.000 US-Dollar kosten soll. Nada plant bereits eine Limousine, die im kommenden Jahr vorgestellt werden und nach dem E-Crossover erscheinen soll. Beide Fahrzeuge teilen sich die Plattform und rund 75 Prozent der Bauteile. So halten sich die Zusatzkosten für das zweite Modell in Grenzen.
Doch wir haben in den vergangenen Jahren schon viele interessante Elektroauto-Konzepte gesehen und von ambitionierten Pläne gehört – Stichwort: Faraday Future. Von vielen hat man seitdem nichts mehr gehört. Auch der Markt für Elektroautos reicht nicht in den Himmel – und die Stromer fliegen nicht von alleine. Warten wir mal ab, ob und wann der Aehra tatsächlich abhebt.