Sie stehen nicht unbedingt an jeder Straßenecke. Aber bei einer Produktion von mittlerweile 25.000 Ladesäulen seit dem Start der Produktion im Jahr 2009 haben Fahrer von Elektroautos gute Chancen, irgendwann einmal an einer Station von Compleo Strom zu zapfen. Sie werden es nur nicht merken. Denn den Firmenname sucht man auf den Säulen meist vergeblich. Meist prangen dort die Namen von Energieversorgern und Discountern. Oder die Werber von E-Mobility-Providern und Autoherstellern haben mit ihren bunten Folien alles überklebt, was auf die Herkunft der Technik deuten kann. Obendrein haben sich einige Unternehmen verbeten, sie als Kunden zu nennen: Sie möchten lieber den Eindruck erwecken, die smarte Technik sei ihrer eigenen Genialität entsprungen. Lieferantenschicksal. Selbst große Autozulieferer können ein Lied davon singen.

Georg Griesemann und Checrallah Kachouh können aber ganz gut damit leben: Die beiden Co-Geschäftsführer des jungen Dortmunder Unternehmens (Dritter im Bunde ist COO Jens Stolze) sind Eitelkeiten fremd: Hauptsache, die Zahlen stimmen. Und die können sich in der Tat sehen lassen. Im vergangenen Jahr wurde mit der Produktion von Ladestationen, aber auch mit der Projektierung der Standorte und der Installation der Technik ein Umsatz von rund 15 Millionen Euro erwirtschaftet.

In diesem Jahr, so deutet Finanzchef Griesemann im Gespräch mit EDISON an, dürften es etwa 30 Millionen Euro werden, also doppelt so viel. Corona zum Trotz. Denn die Verkaufszahlen für Elektroautos ziehen gerade mächtig an – nun haben es Energieversorger, aber auch die Autohäuser eilig mit dem Ausbau der Ladeinfrastruktur. Die Folge: Bei Compleo brummt das Geschäft so stark, dass man zum Zweischichtbetrieb übergehen musste. Und nun obendrein über weitere Kapazitätserweiterungen und sogar einen Umzug an einen neuen Standort nachdenkt, an dem das Unternehmen weiter wachsen kann, ohne gleich wieder an die Decke zu stoßen.

Compleo-Trio
Die Geschäfte des Dortmunder Unternehmens führen Jens Stolze, Checrallah Kachouh und Georg Griesemann (v.l.n.r.) gemeinsam. Bilder: Compleo

Kachouh, der bei Compleo zu den Männern der ersten Stunde zählt und der 2009 den Prototypen der ersten Säule mit zwei Ladepunkten und 22 Kilowatt Ladeleistung mitentwickelte („Damals gab es kaum Elektroautos“), muss sich manchmal die Augen reiben angesichts der rasanten Entwicklung. Das Startteam zählte 17 Mitarbeiter – heute sind fast 200 Menschen für das Unternehmen tätig, das aus der Elektro Bauelemente Group (EBG) aus Lünen hervorging. Und der Maschinenbauingenieur ist wie der frühere Wirtschaftsprüfer Griesemann, der erst 2019 dazu stieß, inzwischen einer der Geschäftsführer und obendrein Gesellschafter von Compleo.

Erste eichrechtskonforme DC-Ladesäule

Die „Verteilung von Strom im Freien“, wie die beiden Manager sagen, steckt in den Genen von Compleo. Doch das können inzwischen auch andere. Das allein erklärt nicht den Erfolg des Unternehmens in der aktuellen Wachstumsphase der Elektromobilität. Aber in Dortmund hatten sie schon immer ein gutes Gespür für die Bedürfnisse des Marktes. So brachte man 2016 die erste Gleichstrom (DC)-Ladesäule made in Germany heraus. Und vor acht Monaten war man der erste Anbieter einer DC-Station, die den Anforderungen des deutschen Eichrechts entspricht. Hintergrund: Die Mess- und Eichverordnung (MessEV) sieht vor. dass in Zukunft an allen Normal- (AC) und Schnellladesäulen (DC) die Stromlieferungen Kilowattstunden-genau abgerechnet werden müssen. Entsprechend groß ist jetzt der Nachrüstbedarf. Doch nur wenige Unternehmen können die nötige Messtechnik liefern.

Compleo hatte den Trend frühzeitig erkannt und mit einem Speicher – und Anzeigemodul (SAM) eine „geniale Lösung“ (Kachouh) entwickelt. Diese kann nicht nur den gelieferten Gleichstrom penibel zählen, sondern auch die Details der Stromlieferung speichern, dass diese auch Wochen noch abgerufen werden können, wenn der Kunde eine zu hohe Rechnung beklagen sollte. Eine ähnliche Lösung entwickelt die Forschungsabteilung gerade für eine eichrechtskonforme AC-Wallbox. Fahrer von elektrisch angetriebenen Dienst- und Geschäftswagen können darüber bald ihren Strombezug daheim mit ihrem Arbeitgeber abrechnen.

Gut lachen
Fast 200 Menschen sind inzwischen für den Ladesäulen-Produzenten tätig. Montiert werden die Stationen in einer großen Fertigungshalle in Dortmund im Zweischicht-Betrieb.

Etwa 700 eichrechtskonforme DC-Ladesäulen vom Typ Cito mit SAM hat Compleo inzwischen an Kunden ausgliefert. Keine High-Power-Charger (HPC) – das Geschäft überlässt Compleo „vorerst“ anderen. Dabei hat man für einen bekannten Autohersteller aus Süddeutschland, wie ein Blick in die Werkstatt zeigt, vor einiger Zeit schon einen HPC-Lader mit über 250 kW gebaut.

Ladeleistungen von 24 kW reichen meist

Nein, die Spezialität von Compleo sind DC-Stationen mit Ladeleistungen zwischen 24 und 50 Kilowatt (kW). Diese sind, so lernen wir, nicht nur bei EMobility Providern wie Allego (den Kunden dürfen wir immerhin nennen, ebenso die Deutsche Telekom, die Deutsche Post DHL und Siemens) begehrt. Auch vielen Autohäusern, die sich gerade für die Ära der Elektromobilität rüsten, reichten 24 kW völlig aus, erklärt Kachouh. Warum das? Weil die Ladepower reicht, um ein Kundenfahrzeug nach der Inspektion wieder komplett aufzuladen. Und weil Ladeleistungen jenseits von 24 kW wegen der Netzanschlusskosten und der notwendigen Ertüchtigungsmaßnahmen an den Stromleitungen „richtig ins Geld gehen“, wie der Ingenieur weiß.

Auch Griesemann ist froh, nur die Ladetechnik zu liefern, nicht aber das Betreiber-Risiko tragen zu müssen: „Wir verdienen Geld.“ Von den meisten Ladenetz-Betreibern könne man das derzeit noch nicht sagen.

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