Raketentriebwerke sind beeindruckende Technik. In wenigen Minuten verbrennen sie Tonnen von Treibstoff unter hohem Druck, ohne dass das Triebwerk schmilzt. Dabei ist das fast noch der einfache Teil. Die dabei nötigen Treibstoffpumpen müssen extrem hohe Leistungen bei niedrigem Gewicht erreichen. Die Pumpen sind so wichtig für die Effizienz des Triebwerks und die Leistung der Rakete, dass die Triebwerke nach Art des Treibstoffs und Technik der Treibstoffpumpe unterschieden werden. Im leistungsstärksten Raketentriebwerk der Welt, dem russischen RD-170, erreichen die Pumpen eine Leistung von 170 Megawatt. Die Leistung der Turbine ist eher vergleichbar mit einem Kraftwerk als der Benzinpumpe im Personenwagen. Mit solchen Leistungen können die Pumpen einen erheblichen Teil des Treibstoffs einer Rakete selbst verbrauchen.

Aber trotzdem starten seit 2016 Satelliten an Bord der Electron-Rakete von Rocketlab mit Triebwerken, die von Lithium-Polymer-Akkus betriebenen Elektromotoren betrieben werden. Sie zeigen, dass zumindest in ihrer Größenklasse die Elektrotechnik den Pumpen mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren überlegen sein kann. Die Electron ist eine Rakete für kleine Satelliten bis 150 Kilogramm. Meistens solche, die keine Mitfluggelegenheit auf einer großen Rakete gefunden haben oder eine besondere Flugbahn haben. Aber Flüge zum Mond sind schon gebucht und die Rakete kann auch Venus und Mars erreichen.

Wie kann es sein, dass Elektromotoren mit Akku ausgerechnet in Raumfahrt konkurrenzfähig sind, wo es um jedes Kilogramm geht? Der Grund ist, dass Turbinen und andere Verbrennungsmotoren ohne Luft zwei ernsthafte Probleme beim Antrieb der Pumpen haben. Ein Kilogramm Kerosin braucht fast 3,5 Kilogramm Sauerstoff für die vollständige Verbrennung oder 17 Kilogramm Luft. Aber eine vollständige Verbrennung mit reinem Sauerstoff erzeugt so hohe Temperaturen wie ein Schneidbrenner. Keine Turbine hält das aus. Mit normaler Luft ist die Lösung einfach: Sie besteht zu 78 Prozent aus unbrennbarem Stickstoff. Der verdünnt das Gas und senkt die Temperaturen. Wenn es immer noch zu heiß ist, kann jederzeit noch mehr Luft für die Verbrennung genutzt werden.

Für kleine Nutzlasten
Die Electron-Rakete hat das US-Unternehmen Rocketlab für den Transport von kleinen Satelliten von bis zu 150 Kilogramm entwickelt. Aber auch Flüge zum Mond und zu entfernteren Planeten wären damit möglich. Foto: Rocketlab

Diesen Luxus hat die Rakete im Weltall nicht. Stattdessen wird bei der Verbrennung etwa zehnmal so viel Kerosin verwendet, als vom Sauerstoff verbrannt werden kann. Das entstehende Gemisch aus Kerosindämpfen und Abgas treibt die Turbine an. Es ist aber stark rußend und muss durch einen Auspuff entsorgt werden, weil es die feinen Treibstoffkanäle in den Raketentriebwerken verstopfen würde. In einer Rakete geht dem Kerosin damit der Vorteil der hohen Energiedichte teilweise verloren, den es auch im Vergleich zu Lithium-Polymerakkus hat.

Pumpen mit Elektroantrieb haben auch den Vorteil, dass sie den gesamten Treibstoff im Tank nutzen können. Normalerweise bleibt etwa 0,5 Prozent des Treibstoffs zurück, was sehr viel Masse in einer Rakete ist, die zu 95 Prozent aus Treibstoff besteht. In einer turbinenbetriebenen Treibstoffpumpe würde die plötzlich fehlende Last bei einem leeren Tank zu einem sprunghaften Anstieg der Drehzahl führen, bevor die Leistung der Turbine reduziert werden kann. Das Turbinenrad ist ohnehin an der Lastgrenze und würde dabei auseinander brechen und das Triebwerk regelrecht explodieren. Der Elektromotor kann dagegen sofort abgeschaltet werden.

Akkus werden im All wieder aufgeladen

Noch größer sind die Vorteile, wenn die Rakete einmal im Orbit angekommen ist und nicht mehr herunterfallen kann. Satelliten werden dort oft in einem Übergangsorbit ausgesetzt und müssen den Weg zum endgültigen Orbit mit eigenen Raketentriebwerken schaffen. Sie müssen nicht mehr die gesamte Energie zum Betrieb der Pumpen mit einer einzigen Ladung von der Erde mitbringen. Einmal im Erdorbit bleibt genug Zeit, um Akkus wieder aufzuladen. In Satelliten sind die dafür notwendigen Solarpanele und auch Akkus ohnehin eingebaut, um ihre ganz normalen Aufgaben erledigen zu können. Damit spielt die Energiedichte der Akkus fast keine mehr Rolle mehr.

Trotz der großen Vorteile kommt die Technik in Satelliten bislang kaum zum Einsatz. Denn mit anderer Technik gibt es jahrzehntelange Erfahrung – und die Raumfahrt ist eine äußerst konservative Branche. Stattdessen werden entweder Turbinen verwendet oder Treibstofftanks mit Helium unter großen Druck gesetzt. Dadurch können Triebwerke ganz ohne Pumpen gebaut werden, aber es werden schwere Treibstofftanks nötig, die den Druck auch aushalten. Das mag sich ändern.

Electron auf dem Startplatz
Im Herbst will Rocketlab das neue „Rutherford“-Triebwerk mit elektrischer Treibstoffpumpe erstmals für den Transport eines US-Satelliten ins All nutzen. Bild: Rocketlab

Die dritte Raketenstufe der Elektron kann auch mit einer Stromversorgung und eingebauten Nutzlasten ausgestattet werden. Sie heißt dann Photon und kann eigenständig als Satellit oder Raumsonde im Erdorbit, zum Mond, zur Venus oder zum Mars fliegen. Das Antriebskonzept mit Elektromotor als Treibstoffpumpe bleibt dabei erhalten.

Das neueste Projekt von Rocketlab ist nun, zumindest die erste Stufe der Rakete zurück zu bringen und wiederzuverwenden. Eine normale Landung, wie bei der Falcon 9 von SpaceX, ist dabei ausgeschlossen: Kleine Raketen haben im Vergleich zu ihrem Volumen eine große Oberfläche, was die Luftreibung erhöht und Leichtbau schwierig macht.  Eine Rückkehr- und Landemanöver mit Raketentriebwerken würden mit der kleinen Rakete zu viel Treibstoff kosten. Stattdessen soll die Rakete nach dem Wiedereintritt an einem Fallschirm zum Ozean zurück gleiten und noch in der Luft von einem Helikopter aufgefangen werden. Die Raketenstufe ist dafür, mit einem Gewicht unter einer Tonne, leicht genug und das Auffangen wurde auch schon demonstriert.

Ionen-Triebwerke liefern zu wenig Schub

Es gibt auch andere elektrische Satellitenantriebe, ganz ohne jede Verbrennung: Ionentriebwerke. Sie beschleunigen elektrisch geladene Gasteilchen mit Hochspannung in elektrischen und magnetischen Feldern. Dabei können die einzelnen Atome viel stärker beschleunigt werden als in normalen Raketentriebwerken. Dadurch gehen die Triebwerke viel effizienter mit ihrem Treibstoff um. Aber der Energieverbrauch ist so hoch, dass sie nur sehr wenig Schub liefern. Manöver für die ein normales Raketentriebwerk wenige Minuten braucht, dauern mit einem Ionentriebwerk Monate. Für Flüge mit Menschen an Bord sind sie viel zu träge. Aber für langfristig angelegte Vorstöße ins All taugen sie sehr wohl: Die europäische Weltraumbehörde ESA testete einen derartigen Antrieb 2003 erfolgreich bei der Mission Smart 1 zur Erkundung des Mondes.

Raumsonde mit Elektroantrieb
Bei der Mission Smart 1 setzte die europäische Raumfahrtagentur ESA erstmals ein elektrisches Ionentriebwerk als Hauptantrieb einer Raumsonde ein. Illustration: ESA

Es ist auch nicht zu erwarten, dass in Zukunft alle Raketentriebwerke nur noch mit Akkus und Elektromotoren betrieben werden. Ob sich die Technik lohnt hängt vor allem von der Größe der Triebwerke und der Rakete ab. Mit 12 Tonnen Startgewicht ist die Elektron äußerst klein. Eine Rakete wie die Falcon 9 kommt etwa auf 550 Tonnen. Turbinen und Pumpen in größeren Triebwerken sind aber im Vergleich zu ihrer rund 50 mal so großen Leistung billiger, leichter und effizienter. Außerdem lohnen sich bei noch größeren Triebwerken auch noch komplexere Techniken, die das Abgas der Turbine in die Brennkammer leiten und mitverbrennen. Die Grenze ist aber fließend und wird sich mit höherer Energiedichte von Hochleistungsakkus noch weiter in Richtung größerer Raketen verschieben.

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