Die Tomate ist sofort präsent nach dem ersten Biss. Etwas bitter im ersten Augenblick, aber je mehr Speichel sich in der Mundhöhle zu dem kleinen Brocken „Vegilate“ hinzugesellt, desto fruchtiger wird der Geschmack auf der Zunge. Basilikum schmecke ich noch heraus, auch Muskatnuss und schwarzen Pfeffer. Dann hat sich das Stück aufgelöst, bleiben nur noch ein paar kleine Mandelstückchen übrig – und ein Nachgeschmack wie nach einem Glas Tomatensaft.

Oliver Coppeneur hat derweil die nächste Tafel geöffnet und reicht mir das zweite Geschmacksmuster herüber. Breite orangefarbene Streifen vor dunkelbraunem Hintergrund lassen eine Mischung aus dunkler Schokolade mit Karamell vermuten. Doch weit gefehlt. Auf der Zunge schmecke ich zunächst frischen Ingwer, dann Hokkaido-Kürbis, fein gewürzt mit Pfeffer, gerösteten Mandeln und ein wenig Zucker. Langsam schmilzt das fingernagelgroße Stückchen auf der Zunge und breitet dabei nach und nach sein volles Aroma im Mundraum aus.

Oliver Coppeneur 
Der Konditormeister und Chocolatier aus dem Siebengebirge ist für seinen Einfallsreichtum bekannt. Die Gemüseschokolade ist seine neueste Kreation - und den Namen des neuen Genussmittels - Vegilate - hat er gleich miterfunden. Foto: Markus Werner
Oliver Coppeneur
Der Konditormeister und Chocolatier aus dem Siebengebirge ist für seinen Einfallsreichtum bekannt. Die Gemüseschokolade ist seine neueste Kreation – und den Namen des neuen Genussmittels – Vegilate – hat er gleich miterfunden. Foto: Markus Werner

Vegane Schokolade gibt es schon länger. Sie enthält Kakao, aber Kuhmilch-Pulver ist hier durch Kokosnussöl, Soja- oder Hafermilch ersetzt. Eine einfach Übung und inzwischen gängige Praxis. Alle großen Schokoladen-Hersteller haben inzwischen auf diesen Trend reagiert.

Aber Coppeneur, Chocolatier aus Leidenschaft, wollte mehr und erfand darüber eine komplett neue Gattung von Genussmittel: Vegilate – eine leckere Mischung aus Schokolade und 30 Prozent Gemüse. Aus Kakaobutter sowie frischen Tomaten, knackigen Karotten und erdiger Roter Beete. Oder eben eine Kombination aus dunkler Schokolade mit schonend getrocknetem Kürbis in Pulverform. Ganz ohne Farbstoffe oder Geschmacksverstärker, rein bio.

Lufthansa lieferte den Impuls

Den Begriff Vegilate hat der 57-jährige Unternehmer aus dem Rheinland ebenso selbst erfunden wie das Produkt – „geboren aus Neugier, Sprachspiel und einem guten schuss Kreativität“, wie er bei einem Besuch in seiner „Manufaktur für Lebensfreude“ in Bad Honnef mit einem Schmunzeln erzählt. „Vegilate ist mehr als nur ein Markenname – es ist ein Statement“, führt Coppeneur aus. „Ein Ruf zu kulinarischer Wachsamkeit, eine Einladung zu geschmacklicher Neugier. Und eine Liebeserklärung an die Schokolade – auch wenn hier Gemüse im Rampenlicht steht.“

Sonnengereift 
Intensiv wie Tomatenmark schmeckt die Tomaten-Vegilate von Coppeneur. Basilikum und Mandelkerne sorgen für zusätzliche Aromen.
Sonnengereift
Intensiv wie Tomatenmark schmeckt die Tomaten-Vegilate von Coppeneur. Basilikum und Mandelkerne sorgen für zusätzliche Aromen.

Die Idee zu der Kreation lieferte ihm einer seiner Großkunden: die Lufthansa. Die Fluggesellschaft beliefert der Chocolatier aus dem Siebengebirge seit vielen Jahren mit feinen Pralines. Diese werden den Gästen der Business- und First Class kurz vor der Landung als kleines letztes Schmankerl gereicht. Ein Must-have für viele Fluggäste auch in der Economy-Class ist Tomatensaft – bei niedrigem Luftdruck und geringer Luftfeuchtigkeit wie in der Kabine eines Düsenjets schmeckt der besonders fruchtig und lecker.

Experimente auch mit Lauch und Spargel

Eine Tomatensaft-Praline, so die Überlegung von Coppeneur, müsste da doch besonders gut ankommen. Einige Wochen tüftelte er an der neuen Kreation. Doch herkömmliche Mixturen aus Kakao und Milch überlagerten lange den Tomatengeschmack. Erst der Ersatz des Milchpulvers durch Tomatenpulver brachte den Durchbruch. „Es schmeckte ganz toll.“ Auch den Experten im Einkauf der Lufthansa. Doch mit Rücksicht auf die eher traditionellen Geschmacksvorlieben ihrer Vielflieger lehnten die eine Bestellung der Tomaten-Praline ab.

Was Coppeneur nicht entmutigte, im Gegenteil. Angeregt durch das „revolutionäre“ Geschmackserlebnis experimentierte er in den Woche nach der Verkostung bei der Lufthansa mit anderen Gemüsesorten. Mit Karotten, Sellerie, Kürbis und Rote Beete, auch mit Lauch und Zwiebeln, Kohlrabi und sogar Spargel.

Allerlei Gemüse
Aus fünf verschiedenen Sorten besteht derzeit Sortiment der Vegilate-Tafeln. Kakao ist in keiner der Schokolade-Tafeln enthalten.

„Nur wenige Sorten haben auf Anhieb funktioniert“, gibt er zu, während wir seine Lieblingssorte degustieren: Sellerie-Mandarin. Durch die Süße der Früchte – neben Mandarinen sind auch Orangen und Äpfel in getrockneter Form verarbeitet – kommt diese „Vegilate“ einer konventionellen Weißen Schokolade etwa mit Erdbeergeschmack noch am nächsten. Durch den geringeren Zuckeranteil ist das Geschmackserlebnis aber hier viel komplexer und vielschichtiger, wozu auch die vermahlenen Walnusskerne beitragen.

Vegilate bald auch als Heißgetränk

Letztlich hat sich Coppeneur für – vorerst – fünf Sorten entschieden, die er nun Schritt für Schritt in den Handel bringt. Und das nicht nur in seinen eigenen Verkaufsläden in Bonn und Bad Honnef. Seit kurzem sind die 85 Gramm schweren Vegilate-Tafeln auch in den Markthallen der Handelskette Globus erhältlich sowie im Online-Handel. Daneben gibt es Vegilate-Mischungen als Kuvertüre für Profi- und Hobbyköche und Bäcker – zur geschmacklichen Anreicherung etwa von Risotto (statt mit Parmesankäse) oder auch feinen Nachspeisen. Auch als Heißgetränk, Brotaufstrich oder Snacks für unterwegs kann sich Coppeneur seine Vegilate-Kreationen im Handel vorstellen. Und natürlich als Praline.

Auch für diese Darreichungsformen hat sich der Konditormeister schon eigenen Namen überlegt, „Shake & Slurp“ etwa für das Heißgetränk und „Break Out“ für den Schoko-Gemüseriegel. Für Coppeneur hat die Geschichte gerade erst Fahrt aufgenommen. „In weniger als fünf Jahren“, da ist er sicher, „wird Gemüse in Schokoladenform ganz selbstverständlich im Supermarkt-Regal stehen.“

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