Bis zum Jahresende sind es noch ein paar Wochen hin. Aber schon jetzt zeichnet sich ab: Skoda steuert in Deutschland auf neue Rekordwerte zu. Auf den höchsten Marktanteil der Unternehmensgeschichte, auf den höchsten höchsten Anteil an Elektroautos an den Neuzulassungen. Und Deutschland-Geschäftsführer Jan-Hendrik Hülsmann ist fest entschlossen, die Marktposition im kommenden Jahr zu halten. Die Bedeutung von Elektroautos wird dabei noch wachsen. Denn im Januar kommt der kompakte Elroq in den Handel, das zweite Batterieauto nach dem Enyaq. Und zum Jahresende wird der kleine Epiq zum Einstiegspreis um die 25.000 Euro seine Weltpremiere haben. Trotzdem bleibt Hülsmann mit Blick auf 2025 vorsichtig. Warum, erklärt er uns im Interview.
Herr Hülsmann, 2024 war für Skoda Deutschland ein überaus erfolgreiches Jahr, trotz Wirtschaftskrise. Gegen den Trend konnten sie 24 Prozent mehr Autos verkaufen als im Vorjahr, Ihr Marktanteil erreichte darüber 7,4 Prozent. Was waren die entscheidenden Faktoren dafür?
Drei Faktoren halfen uns: Unsere nagelneue Modellpalette, die Breite des Angebots auch bei den Antriebstechnologien – vom Benziner und Diesel über verschiedene Hybridantriebe bis hin zu Elektroautos. Und der dritte Faktor war eine starke Vertriebsorganisation, die es geschafft hat, all die Neuheiten in den Markt zu bringen.
Obwohl das Handelsnetz verkleinert wurde?
Die Vertriebsorganisation wurde einmal zum 1. Oktober dieses Jahres angepasst. Zum 1. Oktober des kommenden Jahres werden noch einmal ein paar Betriebe unser Händlernetz verlassen.
Die Schlagkraft der Organisation leidet nicht darunter?
Wir haben weiterhin ein starkes Händlernetz. Die Rahmenbedingungen haben sich geändert: 2019 wurden in Deutschland noch rund 3,6 Millionen Neuwagen verkauft, inzwischen sind es jährlich nur noch etwa 2,9 Millionen. Dem müssen wir uns anpassen. Dass wir hochmotivierte Partner haben, die für die Marke Vollgas geben, haben wir dieses Jahr gesehen und sind dafür sehr dankbar.
Welchen Anteil hatte die Elektromobilität in diesem Jahr am Erfolg?
Der Skoda Enyaq ist in Deutschland derzeit das meistverkaufte Elektroauto mit einem Marktanteil von 6,6 Prozent. Damit ist er für uns auch volumenmäßig ein ganz wichtiges Modell. Mit über 20.000 Einheiten stehen wir damit auf dem Niveau eines Fabia und Kodiaq. Die Plug-in-Hybride haben wir erst Mitte des Jahres eingeführt. Trotzdem erreichen wir schon Einbauraten von etwa 25 Prozent bei den Modellen, die mit dieser Technik bereits verfügbar sind.
Der Enyaq schlägt sich auf dem E-Auto-Markt inzwischen nicht nur besser als ein Tesla Model Y, sondern auch als die Angebote der Konzernschwestern VW, Audi und Cupra. Wie erklären Sie sich das?
Zunächst zeigt sich hier, dass der Konzern – anders als vielfach behauptet – eine sehr wettbewerbsfähige Technologie hat: Das Auto widerlegt die These, dass der Konzern keine guten Elektroautos baut. Das Gegenteil ist der Fall. Beim Enyaq hat auch geholfen, dass die Skoda-Designer seinerzeit kein allzu futuristisch aussehendes Auto gezeichnet haben. Zudem ist das Fahrzeug ein tolles Paket aus Qualität, Platzangebot und Design. Und der Preis stimmt.
Verkaufsfördermaßnahmen waren nicht nötig?
Jedes Elektroauto wird in Deutschland von jedem Hersteller mit Fördermaßnahmen verkauft. Der eine reduziert die Listenpreise, andere subventionieren die Leasingraten oder geben direkt Rabatte. Davon können wir uns nicht ausnehmen. Aber der Enyaq bekommt nicht mehr Verkaufshilfen als die Wettbewerber in dem Segment auch. Der Enyaq 85 und auch der 85x sowie der RS sind trotzdem im Flottengeschäft gut vertreten: Wir liegen hier inzwischen auf Position zwei aller Anbieter.
Wie groß ist der gewerbliche Anteil im Enyaq-Geschäft?
Deutlich über 70 Prozent.
Was erwarten Sie vom Elroq?
Deutlich mehr Privatkunden. Wenn ich heute schätzen sollte, würde ich eine Relation von 50:50 nennen. Wir müssen sehen, wie sich der Markt für Elektroautos im kommenden Jahr entwickelt. Das hängt maßgeblich von den Rahmenbedingungen ab. Je nach Höhe des Umweltbonus haben wir in der Vergangenheit Zulassungswellen gesehen, bei den gewerblichen wie bei den privaten Zulassungen. Der Enyaq war deshalb zeitweise ausverkauft. Heute haben nur noch Gewerbekunden gewisse Vorteile bei der Versteuerung eines Elektroautos. Privatkunden haben da außer der befristeten Befreiung von der Kfz-Steuer keinerlei Vorteile mehr. Das drückt natürlich die Nachfrage. Wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, kann sich das schnell ändern. Deshalb bin ich mit Prognosen derzeit sehr vorsichtig.
BMW-Chef Zipse ist ganz optimistisch, was die Nachfrage nach Elektroautos im kommenden Jahr anbetrifft. Sie auch?
Entgegen dem Trend in fast allen Märkten weltweit war die Nachfrage nach Elektroautos in Deutschland in diesem Jahr rückläufig. Die radikale Veränderung von Standortbedingungen und der Förderbedingungen hat der Elektromobilität schweren Schaden zugefügt. Ob sich das im kommenden Jahr dreht, hängt von den Rahmenbedingungen ab. Für unsere Marke bin ich aber optimistisch durch die Erweiterung des Modellangebots durch den Elroq. Mit dem Modell erreichen wir durch Fahrzeuggröße und Preis neue Kundengruppen.
Wobei der Elroq 85 auch schon an der Marke von 50.000 Euro kratzt. Der günstige Basispreis von 33.900 Euro gilt ja nur für das Einstiegsmodell mit kleinem Akku.
Für welches Modell sich der Kunde entscheidet, hängt vom Anwender und Fahrprofil ab. Ich bin sicher, dass sich viele Privatkunden eher für den Elroq 50 entscheiden werden.
Befürchten Sie nicht, dass der Elroq zu Lasten des Enyaq gehen wird?
Eine gewisse Überschneidung wird es sicher geben. Auch im Verbrennerbereich bieten wir mit Kodiaq und Karoq zwei SUV-Modelle an, die sich ihervorragend ergänzen und wir kommen bei beiden Modellen auf sehr gute Stückzahlen. Unter dem Strich werden wir deutlich mehr Fahrzeuge verkaufen.
Welche Stückzahlen trauen Sie dem Modell zu?
Noch höhere als beim Enyaq.
In welcher Größenordnung?
Das ist schwer zu sagen. Wir haben natürlich einen Plan.
Und was steht da drin?
(Lacht) Sie lesen ja sicher auch Zeitung. Wegen der momentanen Unsicherheiten haben wir unserer Zentrale gesagt, dass wir 2025 maximale Flexibilität in alle Richtungen brauchen.
So eine Ansage hilft der Produktionsplanung aber nicht.
Planzahlen fürs nächste Jahr kann ich hier nicht verraten. Nur so viel: Der Auftragseingang im Oktober, dem ersten Monat nach Öffnung der Bestellbücher, war sehr erfreulich. Für den Elroq gab es bereits so viele Aufträge wie für den Enyaq, obwohl noch keiner der Interessenten das Fahrzeug anfassen oder gar fahren konnte. Das gibt ein gutes Gefühl.
Mit welchen Lieferzeiten rechnen Sie?
Im Moment betragen sie vier Monate, weil die Produktion gerade erst hochläuft. Aber ich bin optimistisch, denn es gibt erhebliche Produktionskapazitäten für das Auto. Deshalb glaube ich nicht, dass uns die Lieferzeiten davonlaufen werden.
Der Enyaq wird im kommenden Jahr kräftig überarbeitet, optisch dem Elroq angepasst. Geht damit auch eine Neupositionierung des Modells über die Preisliste einher?
Die Positionierung wird sich nicht so groß verändern. Die ist gesund, so wie sie heute ist. Sie bildet auch die Größenunterschiede der Fahrzeuge gut ab. Aber wir werden im Design aufschließen und den Enyaq ebenso mit der neuen Designsprache Modern Solid versehen.
In diesem Jahr steuert Skoda Deutschland auf einen Verkauf von rund 200.000 Fahrzeugen zu. 2025 werden wir dann bei einer Viertelmillion landen?
Seriöse Kaufleute planen immer konservativ. Unsere Prognose ist, dass der Gesamtmarkt im kommenden Jahr nicht wächst, also bei 2,9 Millionen Autos verharrt. Wir haben jetzt einen Marktanteil von 7,5 Prozent, was ein absoluter Rekordwert ist. Wir wollen auf dem Niveau bleiben, also bei rund 200.000 Fahrzeugen. Allerdings wird sich der Modellmix mit dem Elroq zugunsten der Elektroautos verschieben.
Der Markt für Elektroautos schwächelt in diesem Jahr. Unter dem Motto „Enter Electric“ hat der VW-Konzern jetzt eine Kampagne gestartet, um das Vertrauen in die neue Antriebstechnik zu stärken. Fehlt es tatsächlich an Vertrauen in die Technik?
Es fehlt auch an Vertrauen in die Rahmenbedingungen. Die Menschen vertrauen auch einer Wärmepumpe. Sie wissen nur nicht, ob die Technik zu ihnen passt. Genauso sind wir über den Punkt hinweg, dass die Elektromobilität Angst bereitet. Jeder, der schon mal ein E-Auto gefahren hat, merkt, dass die Infrastruktur besser ist als vielfach behauptet. Rund um die Autobahnen gibt es schon sehr viele Lademöglichkeiten. Die Reichweiten-Thematik ist mittlerweile gut erklärt, die Ladethematik in den Innenstädten noch verbesserbar. Auch die Lebensdauer der Akkus ist keine offene Frage mehr. Die Diskussion ist heute eine andere als noch vor fünf Jahren. Damals waren allen klar, dass die Zukunft elektrisch ist, dass Elektroautos die Zukunft sind. Im letzten Jahr aber haben sich so viele Rahmenbedingen so dramatisch geändert, dass wieder Verunsicherung um sich gegriffen hat. Deshalb brauchen wir jetzt einen stabilen Plan mit Blick nach vorne und nicht zurück. Über die Geschwindigkeit der Transformation wird dann der Kunde entscheiden.
Größtes Handicap der Elektroautos sind derzeit die Strompreise an den öffentlichen Ladesäulen. Bei Preisen von bis zu 1,37 Euro pro Kilowattstunden sind nicht gerade hilfreich.
Das zählt zu den Rahmenbedingungen. Die Strompreise sind maßgeblich von der Politik beeinflusst. Und nicht nur die an den Ladesäulen, sondern auch zuhause. Der Preis für Haushaltsstrom in Deutschland ist einer der höchsten in Europa. Das schlägt sich natürlich auch in den Betriebskosten eines Elektroautos nieder, was die Nachfrage danach nicht stimuliert. Es braucht also eine ganz Reihe von Maßnahmen, damit sich der Wind wieder dreht.
Sie persönlich fahren auch schon ein Elektroauto?
Ja, einen VW ID.Buzz als Zweitfahrzeug. Erstfahrzeug ist aktuell ein Skoda Superb. Ich bin auch schon mal ein ganzes Jahr lang den VW ID.3 der ersten Generation gefahren, bei einem ganz anderen Stand der Ladeinfrastruktur. Ich habe jeden Use Case schon mitgemacht.
Welche Lehren zogen Sie daraus?
Es funktioniert inzwischen alles. Man muss längere Fahrten genauer planen, weil noch nicht an jeder Ecke eine Ladestation steht. Aber mit ein wenig Vorlauf ist jede Strecke machbar. Ich lebe privat noch in Wolfsburg. Wenn ich dort bin, nehme ich immer den ID.Buzz. Das Fahrverhalten ist anders. Das Auto läuft leiser, macht einfach viel Spaß. Da ist das Elektroauto dem Verbrenner schon deutlich überlegen. Wir haben deshalb kürzlich entschieden, dass alle Dienstwagen von Skoda Deutschland ab sofort einen Stecker haben müssen.