Gut 1,1 Millionen „Steckerautos“ sind inzwischen in Deutschland zugelassen – Batterieautos und Plug-in Hybride. Allein im Oktober kamen laut Kraftfahrtbundesamt über 54.000 Voll- und Teilzeitstromer hinzu, das waren schon 30 Prozent aller Neuzulassungen in diesem Monat. Und solange es noch eine finanzielle Förderung in Form des Umweltbonus gibt, dürfte der Bestand an Autos mit alternativen Antrieben weiter wachsen.

Das Problem ist nur: Die Zahl der Stromer steigt hierzulande deutlich schneller als die Zahl der öffentlichen Ladesäulen. Dem Zulassungs-Plus bei den Baterieautos von fast 59 Prozent im September und von 32 Prozent der Batterieautos im Oktober stand Ende September ein Plus von nur zwei Prozent beim Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur für Elektroautos gegenüber. Nach den Erhebungen von CIRRANTiC und TheonData für den „Charging Radar“ von EDISON gibt es inzwischen 66.611 Ladepunkte, an denen Elektroautos Strom ziehen können – 1094 mehr als im Monat zuvor. An den meisten Ladepunkten (55.835) fließt Wechselstrom mit bis zu 22 Kilowatt. Schnelle Gleichstrom-Lader gibt es demnach bundesweit nur an 10.776 Stellen. Und nur an 4567 Punkten fließt der Strom mit mehr als 50 kW.

Schieflage im deutschen Ladenetz

Setzt man die Zahl der öffentlichen Ladepunkte in Relation zum Bestand an „Steckerautos“, ergibt sich eine deutliche Schieflage: Mehr als 16 Autos müssen sich inzwischen eine Ladestelle teilen. Der Verband der Automobilindustrie sieht eine Relation von 10 zu 1 als ideal an. Die Einschätzung hat die Politik weitgehend übernommen.

Dennoch herrscht noch lange kein Lade-Notstand, wurden und werden noch keine langen Warteschlangen vor Ladesäulen gesichtet. Denn das Gros der Elektroautos – das gilt insbesondere für die Teilzeitstromer – wird nach wie vor an privaten Ladesäulen geladen. Und deren Anzahl ist in den zurückliegenden Monaten dank des Förderprogramms der Bundesregierung kräftig gewachsen: Fast eine Million Ladepunkte werden darüber neu einstehen, wenn die ausgestellten Zuschuss-Bewilligungen auch tatsächlich zur Installation von Wallboxen in privaten Garagen führen. Lediglich in Ballungsgebieten sind die Bewohner von Etagenwohnung größtenteils noch auf öffentliche Ladesäulen angewiesen.

ACEA beklagt Mangel an Schnellladesäulen

Trotzdem sieht „Charging Radar“-CEO Ludwig Hohenlohe auch keinen Grund, mit Blick auf die Schieflage bei der Relation von Elektroautos zu Lademöglichkeiten sowie der nach wie vor geringen Zahl von Schnelllade-Möglichkeiten Alarm zu schlagen. Der europäische Verband der Automobilhersteller (ACEA) hatte Anfang der Woche in einer Stellungnahme zu der von der Europäischen Kommission im Juli vorgeschlagenen Verordnung über die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR) beklagt, dass von den rund 225.000 öffentlichen Ladestationen in der EU nur etwa 25.000 für das Schnellladen von Elektroautos geeignet seien. Nur einer von neun Ladepunkten in Europa verfüge über eine Ladeleistung von mehr als 22 kW.

„Um mehr Bürger davon zu überzeugen, auf Elektroautos umzusteigen, müssen wir die mit dem Aufladen verbundenen Schwierigkeiten beseitigen“, sagte der Generaldirektor des ACEA, Eric-Mark Huitema. „Die Menschen müssen in ihrem täglichen Umfeld viele Ladestationen sehen, und diese Ladestationen müssen schnell und einfach zu benutzen sein – ohne lange Warteschlangen. Das Aufladen sollte so bequem und einfach sein, wie das Tanken heute ist. “

„Mehr DC-Ladeinfrstruktur an mehr Orten“

Hohenlohe zeigte sich gegenüber EDISON deutlich gelassener. „So dramatisch sehe ich die Lage noch nicht, wenngleich die Forderung zum Ausbau von mehr Schnellladeinfrastruktur sowohl aus Betreiber- als auch aus Kundensicht sinnhaft ist.“ Mehr DC-Ladeinfrastruktur an mehr Orten mache „absolut Sinn. Für die Betreiber bietet sich damit nämlich mittel- bis langfristig ein deutlich solideres Umsatzpotenzial, weil sie an einem Standort pro Zeiteinheit mehr Kilowattstunden verkaufen können, und darauf kommt es am Ende an. Für die Kunden bedeutet schnelleres Laden weniger Wartezeit und damit mehr Freiheit und Mobilität.“

ID.4 und Ioniq5 bei Aldi
Schnellladestation für Elektroautos bei Aldi
„Die Convenience spielt die entscheidende Rolle.“ Am Supermarkt braucht es deshalb keine „Monster“-Säulen mit 350 kW Ladeleistung – 50 kW tun es bei einer Aufenthaltsdauer von höchstens 60 Minuten durchaus auch.

Allerdings müsse man die Entwicklung auch differenziert betrachten, so Hohenlohe: „Neben höherer Ladegeschwindigkeit spielen vor allem der Ladeort und die damit verbundene Convenience die entscheidende Rolle. Orte, die Kunden ohnehin häufig mit dem Auto aufsuchen wie Einkaufszentren oder Möbelmärkte, sind aufgrund der Aufenthaltsdauer von bis zu einer Stunde prädestinierte Standorte für Schnellladesäulen. Dass sich solche Standorte bei E-Autofahrern großer Beliebtheit erfreuen, zeigt sich auch eindeutig in unseren Daten und Analysen.“

Somit sollte sich die maximale Ladegeschwindigkeit auch an der typischen Aufenthaltsdauer der Kunden orientieren. An einem Supermarkt brauche es keine 350 kW starken „Lade-Monster“. An der Autobahn sehe das Bild anders aus – „dort will keiner länger als nötig stehen.“

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15 Kommentare

  1. Egon Olsen

    Wieder eine lebhafte hochwertige Diskussion bei Edison.
    Ein solcher Angriff auf Herrn Rother ist nicht notwendig.
    Qualitätsjournalismus will gelebt und geschätzt sein.

    Unser Haushalt lädt seit drei Jahren ‚ausschließlich‘ zu Hause. Trotz oder wegen Corona spiegeln die Zahlen im Mittel sicher das wider, was alle Beteiligten zu sagen haben. Und hier treffen sich gerade Elektrofahrer, wie mir scheint.

    Dass ich selten unterwegs lade, aber man sich doch schon an Nadelör-Punkten oft die Ladekabel nett und direkt in die Hand reichen muss, spricht ein wenig stark für Herrn Rothers Analyse. Die weißen Flecken mit Schnarchladung, insbesondere durch große Hybride verparkt, sprechen für ein bestehendes Ungleichgewicht.

    Schön, dass wir alle den großen Plan kennen und unsere Fahrleistung sukzessive vermindern, damit nur die notwendigen Fahrten zum Problem beitragen 😉

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  2. Jan

    Wir haben 42 Mill. Verbrenner und 16.000 Tankstellen – geschätzt 100.000 Zapfsäulen. Wenn ein Großteil der Ladevorgänge zu Hause stattfinden werden (aktuell 80%) und sich die Ladezeiten weiter drastisch reduzieren werden, sollten 100.000 Ladesäulen reichen. Wenn mehr gebaut werden, werden die überschüssigen irgendwann mal wieder abgebaut. Eine Überversorgung mit Ladesäulen sorgt nur für Insolvenzen und zu teuren Ladetarifen, weil die Fixkosten dann auf weniger Ladevorgänge verteilt werden können. Man kann sich wünschen, dass die Gesetze der Physik (und Betriebswirtschaftslehre) nicht gelten, die Natur (der Markt) halten sich aber stoisch an sie. Auf absehbare Zeit fällt der Apfel immer vom Baum auf den Boden und fliegt nicht ins Weltall. Seien wir froh.

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    • Franz W. Rother

      Korrekt. Die „Verspargelung“ der Innenstädte mit AC-„Scharchladern“ wird bald als Fehlinvestition erkannt werden.

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  3. Egon Meier

    16 BEV auf eine Ladestation? Konsequenz? Viel zuviele Ladestationen! Wenn man überlegt, dass 70 % der ladevorgänge zu Hause und 15 % beim AG stattfinden.. ja dann bleibt fürs öffentliche laden nicht mehr viel übrig.

    Ich fahre 35.000 km im Jahr elektrisch und lade fast nie öffentlich (außer mal im urlaub ein bisschen)
    Wenn zwischen 2 Ladevorgängen 300km liegen und die bundesdeutsche Durchschnitts-Jahresfahrleistung 15.000 km ist beinhaltet das 90 Ladungen im Jahr – davon 15% öffentlich – das wären 8 Ladungen – also alle 1,5 Monate eine .. ja .. was ergibt das bei 16 BEV pro Ladestation? Das heißt, dass alle 3 Tage einmal ein BEV vorbekommt um aufgeladen zu werden.

    Soll das ein Witz sein????
    Die vorhandene Infrastruktur ist ungleichmäßig, es gibt weiße Flecken aber insgsamt haben wir eine massive Überversorgung mit der Konsequenz, dass die HPC und viele 22kw-Lader so gut wie unbenutzt sind.

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    • Franz W. Rother

      Da steht „rein rechnerisch“ ist die Relation 16:1, nicht, dass 16 E-Mobile vor einer Ladesäule Schlange stehen. Und das Ziel der Bundesregierung – und des VDA – war eine Relation von 10:1. Daran sollte die Wirklichkeit gemessen werden. Dass E-Autos heute nur etwas für den Kurzstreckenverkehr und Berufspendler sind, muss nicht für morgen gelten. Die intensive Nutzung der Tesla-Charger – und die Öffnung des Netzes nun auch für Fremdfabrikate – zeigt, wie wichtig eine öffentliche Schnell-Ladeinfrastruktur für die Entwicklung der Elektromobilität ist.

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      • Egon Meier

        “ Und das Ziel der Bundesregierung – und des VDA – war eine Relation von 10:1″
        Meine Rechnung demonstriert, das eine RElation 10:1 oder 16:1 oder selbst 100:1 völlig überdimensioniert ist.

        Wenn die Bundesregierung über den Daumen peilt und sich total verpeilt. .. ja .. dann darf man das auch sagen.

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        • Franz W. Rother

          Das ist schon klar. Aber nicht jeder besitzt ein Eigenheim oder eine Garage, in der er eine Wallbox installieren kann. Die Zukunft gehört den Schnellladeparks. Und da der Aufenthalt dort wenigstens 20 Minuten sein wird – damit sich das lohnt – braucht es eine große Anzahl von Ladeplätzen.

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          • Egon Meier

            Das ist zwar irgendwie richtig aber das Ziel 16:1 oder 10:1 bleibt unsinnig – egal wieviel BEV wir haben.
            Nochmal: in 20 Minuten schafft ein habwegs normales/moderne BEV 200km Reichweite. Das reicht dann (bei 30km/Tag im Durchschnitt) dann für 1 woche.
            Am Tag – bei 4 Stunden Auslastung – hat man dann 12 BEV durch ..

            Dann hat also EIN Ladepunkt für 12 Fahrzeuge gereicht – das wäre 12:1 – und was macht die Ladesäule den Rest der Woche?? Rosten? Verstauben? Vandalismusziel?

            Dass es für ein Wachsen der EMobilität langfristig mehr Ladepunkte braucht ist klar aber in welchem Verhältnis? Hier wären es jetzt (ganze woche mit 4h auslastung/Tag) 1:84 – und das bei Null % Heimladung.

            Wenn die Masse der Fahrzeuge zu Hause u. am Arbeitsplatz geladen werden dürfte locker ein Verhältnis von 1:300 ausreichen. vielleicht auch 1:400

          • Franz W. Rother

            Stimmt alles. Aber Planung zielt auf einen Bestand von 40 Millionen Batterieautos in Deutschland plus etliche Millionen Stromer aus dem Ausland, die Deutschland in Zukunft durchqueren.

  4. Jürgen Baumann

    Gab es nicht mal so ein amerikanisches Startup, das die Ladestationen gleich selbst aufgebaut hat? Sogar in Hotels… Was ist eigentlich aus dem geworden?

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    • Franz W. Rother

      Tesla gibt’s immer noch, so viel ich weiß. Deutsche Autoindustrie versucht mit Ionity ähnliches – nur mit weniger Power

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    • Egon Meier

      Nochmal .. Es geht hier in diesem Artikel (Überschrift!!) um das Zahlenverhältnis zwischen BEV und Ladepunkte und nicht um die absolute Zahl derselben.

      Wenn man realistisch kalkuliert ist ein Verhaltnis von 1:300 mehr als ausreichend und daran wird kräftig gebaut. Alle bauen – Aral/shell/Ionity/Fastned/… und jetzt EnBW bei Rewe.
      Und das ist genau das was gebraucht wird: eben mal shoppen (muss jeder mindestens 1x die Woche) und dabei nebenher sein Elektroauto aufladen.
      Wenn das so gemacht wird (und man den Belegungsstand der ladepunkte in einer App ansehen kann) regelt sich da von selbst. Selbst im urlaub wird man dann nicht zum Laden an den Rasthof fahren sondern 1km weiter ins Gewerbegebiet zum Möbelhaus/Burgerfritzen/Supermarkt usw.
      Gerade jetzt startet Citywatt indem an alle möglichen Gartenmärkte von Dehner zustellt.

      Nach meiner Wahrnehmung wächst das Ladenetzt so schnell, dass es immer mehr (lokale Ausnahmen gibt es leider trotzdem reichlich) der BEV-Zahl weit voraus ist.

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      • Franz W. Rother

        KLeine Korrektur: Shell baut die Stationen bei REWE

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  5. Gerd Heinrich

    Kann mal ein Autor über eAutos schreiben der selber eines fährt, damit er auch eine Ahnung hat über was er schreibt. Wenn er und viele andere, die darüber schreiben, ein eAuto hätten wüssten sie dass die Säulen heute weitgehend LEER sind.
    Eben wegen der Möglichkeit der 12 Millionen Garagen in Deutschland laden die meisten 70% ihrer Ladevorgänge zuhause. Gerade kamen durch die Wallboxförderung der KfW circa 900.000 wallboxen dazu. Das soll nicht heissen, dass Lademöglichkeiten nicht ausgebaut werden müssen, nur von aktuellen Engpässen sind wir weit entfernt.

    67 Millionen Verbrenner kommen auf die 14000 deutschen Tankstellen mit vielleicht 5-6 Zapfsäulen pro Tankstelle. Das macht circa 800 Verbrenner pro Zapfsäule. Leider hat KEIN einziger Verbrenner zuhause eine Tankmöglichkeit.

    Übrigens gibt es auch im hintersten Bergdorf Steckdosen, an denen man auch Laden kann, was man über Tankstellen nicht sagen kann.

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    • Franz W. Rother

      Der Autor fährt seit fünf Jahren Elektroauto, erstmals bereits im Jahr 1993. Das mal zur Klarstellung. Das Ziel einer Relation von 10 zu 1 wurde vom Verband der Autoindustrie aufgestellt und von der Politik übernommen. Insofern bildet der Charging Radar diese Forderung ab. Auch der Alarmruf des ACEA zeigt, dass das Ziel nach wie vor gültig ist.

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