S oder nicht S, das ist hier die Frage? William Shakespeare möge uns diese Abwandlung des berühmten Monologs Hamlets auf Audi nachsehen. Schließlich geht es hier um die Elektroautos aus Ingolstadt und nicht um die Rachegelüste eines dänischen Prinzen. Und da ist die Frage durchaus berechtigt: Wie viel Auto, wie viel Leistung ist genug? Bei den Verbrennern ist die Sache eindeutig: Wer PS-Power, ein sportlich-knackiges Fahrwerk und eine ordentliche Portion Drehmoment-Plus will, greift zum S- oder noch besser zum RS-Modell.

Bei den Elektromodellen, also auch beim neuen Q6 e-tron, verschwimmen diese Unterschiede. War Leistung früher eine ingenieurtechnische Meisterleistung, ist dies bei E-Maschinen nicht mehr so. Auch das Drehmomentplus der Sport-Varianten gegenüber den „herkömmlichen“ Modellversionen verliert an Bedeutung, da diese Kraft bei den Stromern sofort anliegt. Und gerade in einer gemischten Verkehrsumgebung mit immer noch zahlreichen Verbrenner-Fahrzeugen ist der Vorteil des fulminanten Antritts auch mit etwas weniger Newtonmetern vorhanden. Wenn man dann noch bedenkt, dass sich bei den Audis auch beim Fahrwerk die Unterschiede minimieren, da mit immer spitzerem Stift gerechnet werden muss, wird die Antwort auf diese Frage noch spannender. Aber dazu später mehr.

19100 Euro günstiger
Wer geld- und leistungsmäßig nicht aus dem Vollen schöpfen möchte oder kann, ist mit dem Q6 e-tron gut bedient und spart eine stattliche Summe.

Schauen wir uns zunächst einmal den Preisunterschied an. Der allradgetriebene Audi SQ6 e-tron kostet mindestens 93.800 Euro und damit um 19.100 Euro mehr als der von uns gefahrene Q6 e-tron quattro (74.700 Euro) mit einer Gesamtleistung von 285 kW / 387 PS.  Was bekommt man jetzt für diese Aufzahlung?

80 kW weniger Leistung als die S-Version

Da ist zum einen die Leistung: Bei der S-Variante sind es 360 kW / 489 PS und einer identischen Drehmomentaufteilung. Wer bei Audi nach einem Systemdrehmoment fragt, erhält ein freundliches aber bestimmtes Kopfschütteln als Antwort. Vermutlich liegt das daran, dass bei den beiden Allradantrieben die Hinterachse mit dem PSM-Elektromotor Vorrang hat und die ASM-Maschine vorne nur bei Bedarf zugeschaltet wird. Wir waren mit beiden Stromern auf kurvigen Landstraßen mit Bergaufpassagen unterwegs und von der Agilität durchaus angetan.

Luxuriöses Ambiente 
Die Ledersitze wollen extra bezahlt sein. Bei Normalsitzen mit 1960 Euro. Bilder: Audi
Luxuriöses Ambiente
Die Ledersitze wollen extra bezahlt sein. Bei Normalsitzen mit 1960 Euro. Bilder: Audi

Die Grundabstimmung der Dämpfer und Federn ist bei allen Audi Q6 e-tron-Varianten ohnehin gleich. Allerdings ist das S-Fahrwerk straffer eingestellt und die Karosserie liegt 25 Millimeter tiefer als das bei unserem Q6 e-tron der Fall ist. Dennoch federt der Sportler nicht zu hart. Im Umkehrschluss heißt das aber auch nicht, dass der Q6 e-tron quattro zu weich ist und um die Kurven eiert wie ein Citroën 2CV (sorry liebe Enten-Fahrer). Ganz im Gegenteil. Auch der „normale“ Q6 bewegt sich auf Geraden und Serpentinen ebenfalls ziemlich flott.

Nur 21 Minuten an der Schnellladesäule

Ein Sperrdifferential und den Performance-Hinterwagen des Porsche Macan E gibt es beim Ingolstädter Technik-Bruder weder für Geld noch warme Worte. Egal welche Typenbezeichnung aktuell auf dem Heck angebracht ist. Der Verbrauch pendelte sich auf der Testfahrt bei 21,4 kWh/100 km ein, das sind 1,7 kWh/100 km mehr, als Audi angibt. Dass auch dieser Q6 e-tron mit der 100-Kilowattstunden-Batterie (94,9 kWh netto) auf die Straße rollt, wirkt sich auf die Norm-Reichweite aus, die bis zu 625 Kilometer beträgt.

Beim Laden zeigen die Akkus dank der 800-Volt-Technik die gleiche Leistung wie beim SQ6: Um die Energiespeicher an einer Schnellladesäule mit bis zu 270 kW von 10 auf 80 Prozent zu füllen vergehen rund 21 Minuten. An einer AC-Wallbox sind nach wie vor lediglich enttäuschende 11 kW drin, was die Zeit von null auf 100 Prozent auf zehn Stunden steigen lässt.

Kurze Pause 
Gleichstrom nimmt der Q6 e-tron mit bis zu 270 kW auf - egal, ob ein S am Heck prangt oder nicht.
Kurze Pause
Gleichstrom nimmt der Q6 e-tron mit bis zu 270 kW auf – egal, ob ein S am Heck prangt oder nicht.

Auch bei der Serienausstattung unterscheidet sich dieser Q6 natürlich vom stärker motorisierten Bruder. Sei es durch die serienmäßigen 18 Zoll großen Räder (SQ6 20 Zoll) oder die Sitze (Sportsitze im SQ6). Für alle Details muss man sich durch die 152 Seiten starke Preisliste kämpfen. Das Interieur ist ohnehin weitgehend identisch. Auch im Q6 e-tron blickt man auf gebogene Bildschirme. Das Display für die virtuellen Instrumente ist 11,9 Zoll groß, der Touchscreen daneben bringt es auf stattliche 14,5 Zoll. Ein Head-up-Display mit Augmented Reality-Darstellung, die Wegweisungen wie ein 88 Zoll großer Bildschirm quasi auf die Straße projiziert, ist gegen Aufpreis ebenfalls erhältlich.

Fazit: Ja, der „Kleine“ reicht

Dass der Automatik-Wählhebel bei Audi in der Mittelkonsole bleibt, ist nicht jedermanns Geschmack. Das Infotainment setzt auf die E3-Architektur mit der Software-Version 1.2 der PPE-Plattform. Platz ist in dem 4,77 Meter langen E-SUV genug. Auch in der zweiten Reihe kann man als Erwachsener bequem sitzen und der Kofferraum hat ein Fassungsvermögen von 526 Litern. Legt man die Lehnen der Rückbank um, werden 1.529 Liter daraus. Dazu kommt noch ein Frunk unter der vorderen Haube mit einem Volumen von 64 Litern. Also ist dieser Q6 e-tron für viele Kaufinteressenten gut genug.

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