„Dit is jo moai in sjikke auto, mar neat foar Sylt: Wy hawwe it hjir graach lûd“. Der ältere Herr vor dem alten Schulhaus in Archsum meint es offenbar gut mit uns. Aber bei der Verständigung hapert es noch etwas: Friesisch zählt nicht unbedingt zu den Sprachen, mit denen ein Rheinländer sofort klar kommt. Das merkt auch unser Gesprächspartner, der auf dem Parkplatz des Restaurants um den neuen Audi SQ8 e-tron in der Ausführung Sportback herumstreicht. Das Auto, erklärt er uns deshalb in etwas gestelztem Hochdeutsch, sehe ja wirklich schick aus. Aber für die Nordseeinsel Sylt sei das Auto nur bedingt tauglich: „Hier hat man es gerne laut.“ Außerdem sei es mit der Ladeinfraktur nicht zum Besten bestellt. Sagt’s, schwingt sich in einen Audi RS Q3 und verschwindet mit quietschenden Reifen und einem lautstark röhrenden Motor in der Dunkelheit.
Willkommen auf der Insel der Schönen und Reichen, wo man gerne zeigt, was man hat. Wir sind zum allerersten Mal hier. Mitte November sind Hotelunterkünfte günstig und der Sohn wollte schon immer mal sehen, wie sich seine Lenkdrachen bei Windstärke sieben oder acht schlagen. Und da hatte uns Audi doch einen gletscherweißen SQ8 e-tron Sportback vor die Tür gestellt, das wenigstens 98.050 Euro teure „Top-Modell im elektrischen SUV-Portfolio bei Audi mit hohem Oberklasse-Komfort, einem optimierten Antriebskonzept, verbesserter Aerodynamik, höherer Ladeperformance und Batteriekapazität“, wie es vollmundig in der Pressemappe heißt. Mit einer Antriebsleistung von 370 kW (PS) und einer Batteriekapazität von netto 106 kWh, die für eine Norm-Reichweite von 471 Kilometern gut sein soll. Und obendrein mit einer Ladekarte von Audi Charging für den Zugriff auf fast eine halbe Million Ladepunkte in Europa sowie einem intelligenten Routenplaner für entspannte Reisen auf der Langstrecke. Was hält uns da noch im Rheinland?
Vom Siebengebirge bis nach Westerland auf Sylt, informiert uns Google Maps, wären es 672 Kilometer. Davon könnten wir 39 Kilometer abziehen – für die Fahrt über den Hindenburgdamm würde uns ein Zug Huckepack nehmen. Und netto 633 Kilometer sollte der Audi mit einem Zwischenstopp ja wohl locker schaffen können, so die Kalkulation. Zwei Tage später geht es los zum Wochenendausflug auf die Insel, mit vier Personen samt Reisegepäck – der SQ8 e-tron war beim Start am frühen Morgen nicht nur mit Strom zu 100 Prozent beladen.
Hoher Reisekomfort dank Luftfederung
Die Eingabe des Reiseziels braucht nur wenige Sekunden. Und der Bordcomputer hat auch schnell errechnet, dass wir es mit der Akkuladung nicht bis zum Ziel schaffen werden: Spätestens nach 388 Kilometer sei eine Ladepause fällig. Und wenn wir das Hotel tatsächlich mit zehn Prozent Restkapazität erreichen wollten, wäre noch ein zweiter, aber kurzer Ladestopp zu empfehlen. Die Reisezeit mit dem Auto summiert sich damit auf acht Stunden und 16 Minuten – die Verladung in Niebüll und die Reisezeit mit dem „blauen Autozug“ nicht eingerechnet. Gut, dass wir im Voraus ein Bahnticket mit flexibler Abfahrtszeit gebucht haben. Wer will sich auf einer solchen Tour mit einem Luxus-Stromer schon stressen?
Tatsächlich gestaltet sich die Reise mit dem geräumigen wie dank Luftfederung auch enorm komfortablen Audi zunächst ganz vergnüglich. Den elektrischen Oberklasse-SUV hatten wir schon 2018 bei ersten Ausfahrten mit dem Prototypen schätzen gelernt, im November vergangenen Jahres auf einer kurzen Testfahrt auch den modellgepflegten und zum Q8 aufgewerteten „neuen“ e-tron schätzen gelernt. Aber die wahren Qualitäten eines Autos zeigen sich bekanntlich immer erst im Alltagsverkehr, nicht auf präparierten und sorgfältig ausgewählten Strecken bei Presseveranstaltungen. Die Tour gen Norden – und zurück – liefert denn auch eine ganze Reihe neuer Eindrücke und Erkenntnisse.
Kameraspiegel irritieren nur
Aber sie festigt auch alte Erkenntnisse. Beispielsweise über die „virtuellen“ Außenspiegel, die Audi beim Q8 e-tron für einen Aufpreis von 1650 Euro anbietet. Zwei Kameras übernehmen hier die Aufgabe von einfachem Spiegelglas. Sie liefern Ansichten der Umgebung und des nachfolgenden Verkehrs auf zwei kleine Farbmonitore in den Vordertüren. Mit farbigen Lichtsignalen wird unterwegs zudem angezeigt, ob sich andere Fahrzeuge gerade im toten Winkel befinden. Das soll Überholmanöver noch sicherer machen und obendrein Strom sparen, weil sich der cW-Wert des Fahrzeugs durch den Ersatz der großen Außenspiegel durch die kleinen Kameras verbessert.
Allerdings ist die Technik gewöhnungsbedürftig. Der Monitor in der linken Tür sitzt recht tief und zwingt den Fahrer, seinen Kopf tiefer zu neigen als sonst üblich. Darüber kann schon mal die eine oder andere Sekunde vergehen, ehe das Hindernis beim Rückwärtsrollen oder das andere Fahrzeige auf der Überholspur erkannt wird. Erst recht in der Dunkelheit. Das Geld dafür spart man sich also besser.
Besser investiert ist das Geld in die Akustikverglasung (500 Euro Aufpreis) und das Soundsystem von Bang & Olufsen (770 Euro), vor allem aber in das Head-up-Display (1390 Euro). Alle drei Features sorgen für entspannten Reisen mit dem sportlichen Großstromer von immerhin über 4,90 Metern Länge und einem Leergewicht von rund 2,7 Tonnen. Letzteres wird uns auf der Tour noch in gewisse Nöte bringen. Dazu später mehr.
Akku des SQ8 e-tron fasst 106 kWh
Vor fünf Jahren startete Audi mit dem e-tron ins Zeitalter der Elektromobilität. Mit einer Batteriekapazität von 90 kWh und einer Antriebsleistung von 300 kW. Seitdem haben die Audi-Ingenieure das Auto schrittweise verfeinert und zur großen Modellpflege Ende vergangenen Jahres in vielen Punkten stark verbessert. Er wurde in die Audi Nomenklatur einsortiert und ist nun ein Q8, er bekam ein neues Gesicht und mit dem SQ8 ein nochmals stärkeres Topmodell mit einer Spitzenleistung von 370 kW und 973 Newtonmeter Drehmoment an die Seite gestellt. Vor allem gab es dank Fortschritten in der Zellchemie einen neuen Stromspeicher mit nun netto 106 kWh Kapazität. Auch stieg die maximale Ladeleistung von 150 auf 170 kW. Auf den letzten Wert kommt zwar inzwischen auch ein VW ID.3 in der Ausführung Pro S. Aber während der Volks-Stromer den Wert meist nur kurze Zeit erreicht, hält ihn der Audi erstaunlich lang und bis kurz vor 80 Prozent SoC auch kontinuierlich. Auf die Ladekurve, die manche Ladesäulen unterwegs auf Knopfdruck zeigten, hätte man glatt ein Lineal legen können. So viel können wir hier schon einmal lobend festhalten.
Ladeplaner ist der Zeit voraus
Aber vorher gab es doch auch die eine oder andere böse Überraschung. Und dafür verantwortlich war der bordeigene Ladeplaner. Der ist durchaus fix, auch fein individuell konfigurierbar. Aber die Daten, mit denen er arbeitet, sind nicht immer up to date. Und nach welchen Kriterien er letztlich die Ladepunkte aussucht, blieb uns bis zum Ende der Reise schleierhaft. Gleich zweimal mussten wir uns deshalb doch mit einer Smartphone-App behelfen.
Der erste Ladestopp führte uns nach 285 Kilometern auf den Shell-Autohof Vechta etwas abseits der A1. Dort, so erfuhren wir, würde der Audi an einem 175-kW-Supercharger seinen Akku füllen können. Was der Bordcomputer nur nicht wusste: Die Ladesäulen von Shell Recharge stehen zwar, sind aber noch nicht in Betrieb – die Strabag muss das Gelände ringsum noch gestalten. Also weiter. Immerhin ist die Elektromobilität inzwischen auch ins Oldenburger Land vorgedrungen – den nächsten freien Schnelllader (von EWE Go mit 150 kW) fand unser Q8 e-tron mit Unterstützung der Moovility-App am Autohof Clopppenburger Land – keine zwölf Kilometer weiter. Wohl dem, der den Stromspeicher nicht bis zum letzten Elementarteilchen ausreizt.
Stromverbrauch von knapp 30 kWh/100km
Wer mitgerechnet hat: Nach 300 Kilometern war die erste Ladepause fällig. Gut, die Außentemperaturen betrugen gerade einmal zehn Grad Celsius. Und eine Fahrt über die Autobahn frisst mehr Strom als eine Bummeltour durch eine 30-Kilometer-Zone in der Innenstadt. Dabei hatten wir uns schon streng an die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h gehalten und nur zweimal zu Überholmanövern die Power des Allradantriebs genutzt. Aber der Q8 e-tron ist leider auch in der jüngsten Generation kein Kostverächter. Am Ende der Reise, auch das sei hier schon verraten, stand ein Durchschnittsverbrauch von 29,7 kWh/100 km.
Insofern haben wir unterwegs die eine oder andere Ladesäule mehr aufsuchen müssen als gedacht. Am niedrigsten war der Stromverbrauch auf der Strecke zwischen Niebüll und Westerland, die der Audi huckepack zurücklegte. Der kleine Scherz sei hier erlaubt.
Jede Menge Lademöglichkeiten auf Sylt
Auf Sylt selbst ist die Stromversorgung inzwischen besser als so mancher Insulaner wahrhaben will. Ionity hat auf dem Parkplatz eines Feinkostgeschäfts in Wenningsstedt-Braderup drei High Power-Charger aufgestellt. Und auch die Energieversorgung Sylt (EVS) war fleißig und hat zwischen List und Hörnum zwei Dutzend Wechselstrom-Säulen mit 22 kW Ladeleistung montiert. Auch vor unserem Hotel in Rantum stand eine.
Da kann niemand meckern, weder Insulaner noch Tourist. Eher schon über die Tarife. Sylt, das zeigt sich auch hier, ist ein teures Pflaster. So kommt an den Ladesäulen der EVS zum Strompreis von 49 Cent/kWh (AC) bzw. 59 Cent/kWh (DC) noch jeweils ein Grundpreis von 3,30 Euro pro Ladevorgang. Bei einem Elektroauto mit einem 106 kWh-Akku kommt da ein hübscher Betrag zusammen. Der aber immer noch niedriger ist als der für eine Füllung des 85-Liter-Tanks eines Audi Q8 mit Superbenzin.
Weniger hübsch war das Wetter. Aber Ende November kann niemand Tage voller Sonnenschein erwarten. Auch nicht auf Sylt. Dafür ging ein ordentlicher Wind, konnten die Windparks auf dem Festland ordentlich Grünstrom produzieren. Energie für unsere Heimreise ein paar Tage später.
Hohes Gewicht irritiert die Waage
An der Bahn-Verladestelle in Westerland wurden wir kurz ausgebremst: Die Preise für das Bahnticket werden nach der Abfahrtzeit, aber auch nach der Größe des Fahrzeugs und dessen Gewicht gestaffelt. Bei Pkws beträgt das Höchstgewicht drei Tonnen – da ging nach dem Überfahren der Waage bei uns kurz das rote Licht an. Der vollbeladene (mit Strom, Insassen und Gepäck) Audi Q8 e-tron muss beim Auffahren da vorübergehend das Limit erreicht haben. Nach zweisekündiger Standzeit durfte es allerdings weitergehen.
Und die Rückreise? Verlief wiederum nicht ganz störungsfrei. Schuld hatte wiederum der Ladeplaner, der uns schon in Quickborn (nach 190 Kilometern) von der Autobahn holte und zum Laden des Akkus vor das BMW-Autohaus May&Olde lotste. Blöd nur, dass der dortige HPC-Charger von E.ON außer Betrieb war. Und das wohl schon eine ganze Weile. Also musste wieder nach einer Alternative gesucht werden. Und wieder war Rettung in Gestalt einer Ladestation von Shell Recharge nahe. Wir hätten aber auch auf der Autobahn bleiben können, sahen wir später: An der Raststätte Holmmoor West hat Mer inzwischen einen DC-Lader aufgestellt, der immerhin eine Ladeleistung von 120 kW darstellen kann. Für den Audi-Rechner war das aber offenbar nicht ausreichend.
Manche Schwächen sind geblieben
Ja, ein Elektroauto ist immer nur so gut wie die Intelligenz des Lademanagements. Und in dem Punkt ist, sorry, der Q8 e-tron nach dem Facelift immer noch nicht top. Für ein Fahrzeug dieser Preisklasse ist das bei allen klassischen Tugenden, mit denen es aufwarten kann, ein echtes Manko. Umso mehr, als der Wagen immer noch einen relativ hohen Energieverbrauch hat und deshalb auf Fernfahrten häufiger Strom nachzapfen muss als die Prospektwerte glauben machen. Man darf gespannt sein, wie der neue Q6 e-tron die Herausforderung meistert: Der Elektro-SUV ist ähnlich groß wie der Q8 -e-tron, verfügt aber nicht nur über eine 800-Volt-Plattform für ultraschnelles Laden mit bis zu 270 kW, sondern auch über eine komplett neue Software-Architektur mit höherer Leistungsfähigkeit und Intelligenz.