Anfang Juli ändert sich erneut einiges für die Autofahrer in Europa. Dann tritt der nächste Verordnungs-Strauß der EU in Kraft. Darunter Systeme wie der „Event Data Recorders“ (EDR), der bei einem Unfall die Fahr- und Fahrzeugdaten abspeichert, die in den letzten fünf Sekunden vor dem Zusammenstoß und 300 Millisekunden nach dem Unglück angefallen sind. Beim Erlass der Verordnung erklärte die Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager damals: „Die Technologie hilft uns, das Sicherheitsniveau unserer Autos zu erhöhen. Heute stellen wir sicher, dass unsere Vorschriften es uns ermöglichen, autonome und fahrerlose Fahrzeuge in der EU in einem Rahmen einzuführen, der die Sicherheit der Menschen in den Mittelpunkt stellt.“

Was bringt das?

Auf dem Weg zum vollautomatischen Fahren macht diese Blackbox durchaus Sinn. Bei einem Robo-Auto, das sich selbständig durch den Verkehr bewegt, haftet nämlich der Hersteller im Falle eines Unfalls. Da können die Daten etwaiges Fehlverhalten des Auto-Piloten nachweisen. Allerdings birgt so ein Datenspeicher, der bei jedem Neustart des Wagens aktiviert werden muss, auch einige Risiken. Schließlich sind moderne Fahrzeuge rollende Computer mit einer Vielzahl an Steuergeräten und anderer Elektronik.

Digitales Gedächtnis
Ein solch kleines Kästchen muss ab Juli in jeden Neuwagen eingebaut werden. Der Event Data Recorder zeichnet ähnlich wie die Blackbox im Flugzeug permanent eine Reihe von Daten auf. Das erleichtert die Ermittlung von Unfallursachen. Foto: VDO
Digitales Gedächtnis
Ein solch kleines Kästchen muss ab Juli in jeden Neuwagen eingebaut werden. Der Event Data Recorder zeichnet ähnlich wie die Blackbox im Flugzeug permanent eine Reihe von Daten auf. Das erleichtert die Ermittlung von Unfallursachen. Foto: VDO

Als im Jahr 2021 die Pläne der EU, einen solchen Datenspeicher einzuführen, konkret wurden, stellte das Fachinformationsportal „Datenschutz & Datensicherheit“ zusammenfassend fest: „Der rechtliche Rahmen scheint durchaus dafür auszureichen, einen Unfallhergang aufgrund der erfassten Daten eines Unfalldatenspeichers zu rekonstruieren, ohne gegen die Grundsätze der DSGVO zu verstoßen. Wie es sich mit den übrigen Daten verhält, die in aktuellen Fahrzeugen erfasst werden, bedarf weiterer Klärung.“

Welche Daten werden gespeichert?

Das sieht der ADAC ähnlich. „Autofahrer wissen nicht, welche Fahrzeugdaten darüber hinaus gespeichert werden und haben auch keinen Zugriff darauf. Bislang kann der Autohersteller allein entscheiden, für wen die vom Auto generierten Daten zugänglich sind.“ Bei der Untersuchung von vier Autos verschiedener Hersteller stellten die Experten des Verkehrsclubs bereits 2016 fest, dass Daten gesammelt werden, die im „Sinne des Verbraucherschutzes aufgefallen sind“.

Interessant ist auch, dass sich die Sammelwut der Autobauer durchaus unterscheidet. Da aktuell nur der Hersteller Zugriff auf die Daten haben, ist die Konsequenz klar. „Eine gesetzliche Regelung muss sicherstellen, dass Fahrzeugbesitzer selbst über ihre Daten verfügen, die Freigabe an Dritte steuern und von der Vermarktung für datenbasierte Geschäftsmodelle profitieren“, fordert ADAC- Technikpräsident Karsten Schulze.

Wer nutzt die Daten bereits?

Dies soll der „Data Act“ der EU-Kommission regeln, der vermutlich bis zum nächsten Jahr in Kraft tritt. In einem Gastbeitrag für den Berliner „Tagesspiegel“ stellte der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber 2019 fest, dass mit einem Datenspeicher ausgestattete Fahrzeuge in Zukunft ein gewaltiges Überwachungsrisiko bedeuten könnten. „Autos müssen neben dem Schutz der körperlichen auch den Schutz der digitalen Unversehrtheit gewährleisten“, so Kelber.

Der gläserne Autofahrer ist aber keine Utopie mehr, sondern längst Realität. In den USA und auch in Deutschland bieten Versicherungen heute schon günstigere Telematik-Tarife für Autofahrer an, die einer Blackbox und der Überwachung ihres Fahrverhaltens zustimmen. Wer sich zum Beispiel immer an die Tempolimits hält, zahlt eine geringere Versicherungsprämie. Und kontrolliert wird längst nicht mehr nur die Gesetzestreue des Fahrzeughalters.

Ganz freiwillig
Verschiedene Autoversicherer bieten heute schon sogenannte Telematik-Tarife an, bei denen sich die Versicherungsprämie nach dem Fahrverhalten richtet. Die Auswertung erhalten die Versicherten über eine App. Foto: Marc Stiftung Warentest
Ganz freiwillig
Verschiedene Autoversicherer bieten heute schon sogenannte Telematik-Tarife an, bei denen sich die Versicherungsprämie nach dem Fahrverhalten richtet. Die Auswertung erhalten die Versicherten über eine App. Foto: Marc Stiftung Warentest

Die Verbraucherzentrale hat bei einem großen Versicherer herausgefunden, dass für die Gewichtung des Versicherungsbeitrags folgende Daten gesammelt werden: Bremsverhalten: 20 Prozent, Beschleunigung: 30 Prozent, Kurvenverhalten: 20 Prozent, Geschwindigkeit: 10 Prozent, Tag, Zeit, Straßenart: 20 Prozent. Mit diesen Informationen gibt der Versicherungsnehmer schon einiges über sich preis.

Welche Probleme kann es geben?

Neben die bekannten Risiken eines Zugriffs durch Hacker, die das Auto wie jeden anderen Computer manipulieren könnten, eröffnen sich für den Autofahrer weitere problematische Konsequenzen. Wie schaut es mit der Verkehrszeichenerkennung aus? Im Falle eines juristischen Streitfalls ist es sicher relevant zu wissen, ob der Fahrer eines Automobils eine Geschwindigkeitsbegrenzung missachtet hat oder nicht. Allerdings ist dieser elektronische Helfer alles andere als zuverlässig.

Das Fachmagazin „KFZ-Betrieb“ hat kürzlich bei BMW und Mercedes nachgefragt, ob die Blackbox solche Daten sammelt. Offenbar zeichnet der Münchner Hersteller die „letzte Tempolimit-Warnung vor einem Unfall“ auf. Verfügt nun ein Richter, dass der Speicher ausgelesen wird, bekommt diese Meldung eine juristische Relevanz, die eventuell nur mit großem Aufwand widerlegt werden kann. Zumal die Anzeigen der vorgeschriebenen Geschwindigkeit nicht nur auf die Angaben der Kamera basieren, sondern auch auf dem vorhandenen Kartenmaterial. Und das ist nicht zwangsläufig aktuell.

Wie langlebig ist die Technik?

Doch ein Experte für Verkehrsrecht gibt gegenüber dem „KFZ-Betrieb“ Entwarnung. „Eine Verwendung der Daten würde dem Unmittelbarkeitsgrundsatz widersprechen. Was die Beschilderung betrifft, wären Beweismittel wie zum Beispiel Beschilderungspläne oder Zeugenaussagen heranzuziehen“, erklärt Wolf-Henning Hammer von der Kanzlei Voigt.

Neben den datenschutzrechtlichen Risiken gehen mit der automobilen Blackbox noch ganz handfeste Folgen einher. Jede Technik ist fehleranfällig und muss regelmäßig gewartet werden. Das Ganze kann für die Autofahrer zu einer kostspieligen Angelegenheit werden, die sich nicht jeder leisten kann. Dazu kommt, dass die Technologie einer gewissen Expertise bedarf.

Zu was das führen kann, erfahren beispielsweise Besitzer von Autos, die Anfang der 2000er-Jahre zugelassen wurden: Sie suchen händeringend nach funktionierenden Steuergeräten und einem Fachmann, der sich damit auskennt. Eine Leserin des „KFZ-Betrieb“ sieht die Sache mit den Datenspeichern dagegen ganz pragmatisch: „Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Stilllegungskits auf Ebay und Co auftauchen. Wie schon bei der Start/Stop-Funktion.“

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