In Stuttgart wuselte ich gerne mit einem Smart ForTwo von Car2Go durch die Stadt, bei Besuchen in München war ein BMW oder Mini von Drive Now für mich lange Zeit das beliebteste Verkehrsmittel für die Fahrt in die Stadt. Die Apps der beiden Carsharing-Dienste hatte ich deshalb auf meinem Smartphone auf der ersten Seite platziert. Die Nutzung der Fahrzeuge war bequem und preiswert, vom Flughafen oder Bahnhof aus waren es meist nur wenige Schritte bis zu deren Standorten. Und nebenbei konnte man auch noch das eine oder andere neue Auto Probe fahren: Zur Flotte von Drive Now zählte unter anderem der i3 und das Mini Cabrio, bei der Mercedes-Tochter Car2Go konnte man sich mit ein wenig Glück für kleines Geld auch eine A-Klasse in AMG-Ausführung greifen. Damals, am Ende des ersten Jahrzehnts im 21. Jahrhundert.

Die Euphorie verschwand mit den Gründern

Ein Auto teilen, aber nicht besitzen: Die Idee des Carsharing beflügelte damals viele Unternehmen. Vor allem in der Autoindustrie, die sich als Mobilitätsanbieter neu zu definieren suchte. Beim Daimler waren sie besonders mutig. 2009 ging Car2Go als erstes Car Sharing-Angebot eines großen Automobilherstellers an den Start. Zwei Jahre später folgte BMW mit Drive Now. Beide Unternehmen verfolgten ambitionierte Ziele. Zügig bauten sie ihr Angebot aus, Stadt um Stadt. Mit Robert Henrich (Car2Go, heute beim Ride Sharing-Service Moia von VW) und Sebastian Hofelich (Drive Now) hatten beide Unternehmen in dieser Anfangsphase auch engagierte Geschäftsführer mit Visionen.

Verblasste Liebe
DriveNow war für BMW einst auch ein wichtiges Marketinginstrument: Junge Leute sollten hier die Fahrzeuge des Konzerns kennenlernen – erst in der Stadt Probe fahren, im Idealfall dann später kaufen. Foto: Share Now

Doch schon nach wenigen Jahren war bei beiden Unternehmen die Luft raus. Die Gründer verließen die Unternehmen, fortan war die Profitabilität der Unternehmen wichtiger als der Service und die Langfrist-Perspektive. Erst schrumpften infolgedessen die Geschäftsgebiete, dann wurde an den Fahrzeugen und an ihrer Reinigung gespart: So manchen Wagen ließ sich damals stehen, weil auf den Sitzen noch Hinterlassenschaften der Vor-Nutzer lagen oder durch den Fußraum purzelten.

Stellantis soll ShareNow übernehmen

2018 schlossen sich beide Unternehmen zusammen, um Synergien zu heben, um, wie es damals vollmundig hieß, einen weltweit führenden „Gamechanger“ im Wachstumsmarkt für urbane Mobilität zu schaffen. Aus Car2Go und DriveNow wurde „Share Now“. Und unter dem Label „Your Now“ wurden fünf Joint Ventures in den Bereichen Carsharing, Mitfahrdienste, Parken, E-Ladestationen und Apps zur Reiseplanung gegründet – ein buntes Sammelsurium unterschiedlich reifer Geschäftsaktivitäten. Geholfen hat es nichts. Statt Milliarden in die neuen Aktivitäten zu investieren, wurde wieder der Rotstift gezückt. Das Ende haben die beiden Muttergesellschaften entschieden, Share Now, „Europas führenden Carsharing-Anbieter“, zu einem nicht bezifferten Betrag an die Stellantis Gruppe zu verkaufen. Vorausgesetzt, die Kartellbehörden stimmen zu.

Modellwechsel
Die Stellantis-Gruppe wird, sofern die Kartellwächter der Übernahmen zustimmen, Share Now in die Aktivitäten von Free2move integrieren. Foto: Stellantis

Dort freut man sich aber bereits über den Zugewinn für die Stellantis-eigene Charsharing-Plattform Free2move, die bislang nur in fünf Städten der USA und in zwei Städten Europas (Paris und Madrid) aktiv war. „Die Integration der starken Position von Share Now in den großen europäischen Städten wird unseren Kunden einen besseren Zugang zu einer breiteren Palette von Dienstleistungen ermöglichen, um ihre unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnisse zu befriedigen“, sagte Brigitte Courtehoux, die CEO von Free2move, in einem ersten Statement. „Wir sind nun einen Schritt näher an unserem Ziel, die weltweite Präsenz von Free2move bis 2030 auf 15 Millionen aktive Nutzer auszubauen.“

Und auch Oliver Mackprang, der CEO des Carsharing-Anbieters „Miles“ kann dem Verkauf durchaus positive Aspekte abgewinnen: „Wir freuen uns, dass auch große Player weiter in den Markt investieren und dass kein gänzlicher Rückzug stattfindet. Die Mobilitätswende wird nur gelingen, wenn verschiedene Sharing-Anbieter koexistieren und mit dem privaten Pkw in den Wettbewerb gehen.“ Mackprang hatte 2012 das Carsharing-Aggregator-Unternehmen CarJump gegründet, das Angebote verschiedener Carsharing-Dienste in einer App bündelte. CarJump wurde 2016 an den damaligen PSA-Konzern verkauft – und dort zu Free2Move weiterentwickelt.

BMW und Mercedes-Benz hingegen wollen nichts mehr mit Carsharing zu tun haben. Statt dessen wollen sich die beiden Autohersteller wieder mehr um ihr Kerngeschäft kümmern – den Fahrzeugbau. Und die verbliebenen Mobilitäts-Joint Ventures „stärken“: „Charge Now“ soll zur wichtigsten Lade-Plattform für Elektroautos werden, „Free Now“ zur größten Plattform für multimodale Verkehre: E-Roller und E-Bikes, E-Moped und Autos sollen sich hier buchen, Taxen und Mietwagen ordern lassen. Hier sehen die deutschen Partner künftig das große Geschäft – um Carsharing sollen sich andere Unternehmen kümmern. Dabei wächst der Markt derzeit kräftig. Und zwar in allen Segmenten, wie der Bundesverband CarSharing kürzlich erfreut vermeldete.

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