Die Garagenmieten und Gebühren für das Anwohnerparken in den Städten steigen immer höher. Ins Büro pendelt man nur noch zwei, drei Mal die Woche – Homeoffice ist Trumpf. Und dann drohen grüne Politiker auch noch mit Fahrverboten in den Innenstädten. Ein eigenes Auto? Macht vor dem Hintergrund eigentlich keinen Sinn mehr.

Zu dem Schluss sind im zurückliegenden Corona-Jahr landauf, landab viele Menschen gekommen. Ob diese ihr Privatauto tatsächlich verkauft haben, weiß man beim Bundesverband Car Sharing (bcs) zwar nicht zu sagen. Aber auf eine Mobilitätswende deutet immerhin die stark gestiegene Zahl der Menschen, die sich 2022 bei einem der zahlreichen Carsharing-Anbieter angemeldet haben. Bei einem oder gleich mehreren. Jedenfalls waren am 1. Januar in Deutschland exakt 4.472.800 „Fahrberechtigte“ – Menschen mit einem Führerschein – für das Charsharing angemeldet – 31,8 Prozent mehr als im Jahr davor.

Gleichzeitig wuchs auch das Angebot: In 1082 Städten und Gemeinden lassen sich inzwischen Autos für ein paar Stunden oder Tage ausleihen, um damit größere oder auch kürzere Wegstrecken innerhalb der Region oder Stadt zurückzulegen. Wie bcs-Geschäftsführer Gunnar Nehrke in einem Pressegespräch einräumen musste, werden die Fahrzeuge in vielen Großstädten auch ähnlich wie ein Taxi genutzt: Man sucht sich per Smartphone-App ein verfügbares Auto in der Nähe, fährt damit zum Zielort – und lässt es dort dann für den nächsten Kunden stehen.

Fahrzeugflotte wächst langsamer als Kundenzahl

Allerdings ist der Wettbewerb um die Autos größer geworden. Denn die Zahl der Autos, die von den Carsharing-Unternehmen eingesetzt wurde, wuchs nicht in gleichem Maße wie der Zahl der Kunden. Am Stichtag 1. Januar stand hier lediglich ein Plus von 12,4 Prozent. Unter anderem wegen der eingeschränkten Lieferbarkeit von Fahrzeugen. Aber auch, weil einige Anbieter grübeln, ob die Anschaffung von Elektroautos noch Sinn macht – wegen des schleppenden Ausbaus der Ladeinfrastruktur in den Städten und der mangelnden Bereitschaft der Bundesregierung, in Ladepunkte speziell für Carsharing-Systeme zu investieren.

Unter neuer Flagge
Bis zum vergangenen Jahr war Volkswagen in Hamburg und Berlin mit WeShare im Sharing-Markt aktiv. Inzwischen hat Miles Mobility die Geschäftsgebiete, Fahrzeugflotten und Kunden übernommen. Foto: Miles
Unter neuer Flagge
Bis zum vergangenen Jahr war Volkswagen in Hamburg und Berlin mit WeShare im Sharing-Markt aktiv. Inzwischen hat Miles Mobility die Geschäftsgebiete, Fahrzeugflotten und Kunden übernommen. Foto: Miles

Die Folge: Der Anteil der Elektroautos an der Carsharing-Flotte aus aktuelle 33.930 Fahrzeugen sank von 23,3 auf 20,5 Prozent. Und der Prozentsatz könnte noch weiter sinken – wenn wie geplant der Umweltbonus für gewerblich zugelassene Elektroautos im September gestichen wird.

Weiterer Auftrieb durch 49-Euro-Ticket?

Trotzdem zeigte sich Nehrke insgesamt zufrieden mit der Entwicklung. „Das starke Wachstum der Carsharing-Branche ist eine gute Nachricht für die Verkehrswende und den Klimaschutz in Deutschland.“ Denn nach Schätzungen des Verbandes ersetzt ein Carsharing-Auto etwa 20 Privat-Pkw. „Unsere Nutzer sind oft mit Fahrrad, Bus und Bahn unterwegs – ein Auto nutzen sie gezielt nur, wenn sie es brauchen.“ Einen zusätzlichen Schub für das Carsharing-Geschäft erhofft sich der bcs-Geschäftsführer vom neuen, 49 Euro teuren „Deutschlandticket“: Ein preisgünstiger Öffentlicher Nahverkehr könnte ab 1. Mai noch mehr Menschen motivieren, auf das Privatauto zu verzichten.

Größter Carsharing-Anbieter in Deutschland ist inzwischen übrigens „Miles Mobility“. Das Berliner Unternehmen, das in der Hauptstadt erst 2016 gegründet wurde, hat im vergangenen Jahr die VW-Tochter WeShare übernommen und damit seinen Aktionsradius wie Kundenstamm massiv ausgebaut: Das Unternehmen ist nun in acht deutschen Städten aktiv und verfügt allein über eine Flotte von rund 9000 Fahrzeugen, darunter 100 Tesla Model Y.

„Free Floating“-Systeme sind überholt

Auf Nummer zwei der Rangliste ist ShareNow abgerutscht: Das einstige Gemeinschaftsunternehmen von BMW und Mercedes-Benz wurde im vergangenen Jahr vom Stellantis-Konzern übernommen und ins europäische Free2Move-Angebot integriert. Die Umstellung der Flotte auf Fahrzeuge der Marken Citroën, Fiat und Peugeot aber kostete offenbar Volumen.

Überhaupt wurde das Feld der Anbieter im vergangenen Jahr kräftig durcheinander gewirbelt: Einige große Anbieter verabschiedeten sich von dem Markt wegen mangelner Rentabilität, andere kleine kamen neu hinzu. In Summe tummeln sich auf dem deutschen Markt mittlerweile 249 Anbieter – professionelle Unternehmen, aber auch Genossenschaften und Vereine mit eherenamtlicher Organisation. Free-floating Carsharing ohne feste Stationen und Stellplätze bieten inzwischen nur nur drei große Anbieter an: Neben Miles und Share Now macht nur noch Sixt Share ein solches Angebot.

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