Die Investitionen in öffentliche Ladestationen für Elektroautos beginnen sich für deren Betreiber auszuzahlen. Wie aus der jüngsten, exklusiv für EDISON erstellten Ausgabe des „Charging Radar“ von CIRRANTiC und THEON Data Solutions hervorgeht, sind die rund 74.000 öffentlichen Ladepunkte in Deutschland mittlerweile gut frequentiert. Fast zwei Millionen Ladevorgänge sorgten bis Ende April für eine intensive Nutzung der Anlagen. Zum Vergleich: Gegenüber dem Vorjahr stieg die Auslastung der Ladestationen um 109 Prozent, hat sie sich also mehr als verdoppelt.
Und das dürfte sich bei den großen Betreibern der Ladeinfrastruktur wie Ionity, EnBW, Fastned, E.On und Allego ausbezahlt haben – wenngleich die gestiegenen Beschaffungskosten seit Beginn des Ukraine-Krieges auch für sie gestiegen sind. Das hat sich bei den Preisen, die Fahrer von Elektroautos ohne Tarifbindung an der Ladestation zu entrichten haben, deutlich niedergeschlagen. Im Schnitt lag der Preis für die Kilowattstunde Wechselstrom am Stichtag 30. April bei 48 Cent, am DC-Schnelllader bei 64 Cent. Im Jahr zuvor lagen die Strompreise hier noch im Schnitt zehn Cent niedriger. Und inzwischen haben einige Anbieter noch weiter an der Preisschraube gedreht.
„Die Marktpreise zeigen eine interessante Bewegung: Die durchschnittliche untere Preisschwelle steigt an (AC und DC)“, kommentierte Charging Radar-Geschäftsführer Ludwig Hohenlohe das Ergebnis der Datenanalyse. „Sicherlich ist das eine Konsequenz der vielen Preiserhöhungen vieler Ladedienste in den vergangenen Wochen und Monaten. Gleichzeitig hat sich aber der obere Durchschnittspreis leicht nach unten bewegt, d.h. wir sehen auch wieder Preisreduzierungen am oberen Ende der Preisskala. So sehen wir im Durchschnitt jetzt wieder einen Abstand von 12 Cent zwischen AC- und DC-Preisen, aber auf insgesamt höherem Niveau.“
Preise für Ladestrom steigen deutlich an
Aber es gibt auch Ausreißer nach oben wie nach unten, wie die Marktanalyse zeigt. Der günstigste Ladestrom-Anbieter verlangte für die Kilowattstunde Wechselstrom (AC) Ende April 37 Cent, der teuerste bereits 64 Cent. Bei Gleichstrom (DC) lag das günstigste Angebot nach den Erhebungen für den „Charging Radar“ bei 45 Cent, das teuerste bei 82 Eurocent. Vereinzelt werden aber für die Kilowattstunde Gleichstrom inzwischen schon über ein Euro an Ladestationen aufgerufen.
Interessante Erkenntnisse liefert der Charging Radar aber auch zur derzeit vieldiskutierten Frage, ob der Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland schnell genug vorangeht. Immerhin sollen bis zum Jahr 2030 nach der bisherigen Planung der Bundesregierung rund 15 Millionen Elektroautos zugelassen sein, um die Belastungen des Klimas aus dem Straßenverkehr zu reduzieren. Derzeit sind – wenn man die wiederaufladbaren Plug-in-Hybride hinzurechnet – in Deutschland rund 1,29 Millionen Elektroautos unterwegs. Bei einer Zahl von rund 74.000 öffentlichen Ladepunkten ergibt sich daraus eine Relation von 17:1 – theoretisch müssen sich 17 Stromer auf Reisen einen Ladepunkt teilen.
Ausbau des Ladenetzes für Elektroautos lahmt
Demnach gäbe es in der Tat erheblichen Handlungsbedarf: Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hält eine Relation von 10:1 ideal. Und die Zahlen des „Charging Radar“ belegen, dass sich das Wachstum der Ladeinfrastruktur seit Jahresbeginn abgeschwächt hat: „Sahen wir in 2021 im Durchschnitt noch rund 1.400 neue Ladepunkte pro Monat, sind es in 2022 im Durchschnitt lediglich 1.150“, konstatiert Hohenlohe. Da allerdings wegen der bekannten Lieferprobleme parallel auch die Zahl der Neuzulassungen von Elektroautos zurückging, hat sich die Relation der Ladepunkte zur E-Auto-Flotte sogar leicht verbessert, sank der Lade-Index um einen Punkt. Auch die – zumindest teilweise – Öffnung des Schnellladenetzes von Tesla für Elektroautos anderer Marken dürfte die Situation entspannten.
Nicht eingerechnet sind hierbei die privaten Ladepunkte sowie die nicht öffentlich zugänglichen Ladestationen etwa auf Betriebsgeländen: Schätzungsweise 85 Prozent aller Ladevorgänge finden derzeit hier statt.