Viele Hausbesitzer haben mit der finanziellen Unterstützung durch großzügige Förderprogramme unter anderem des Bundes in den zurückliegenden zwei Jahren zu Tausenden neue Wallboxen installiert. Elektroautos können damit über Nacht so bequem wie batterieschonend geladen werden. Tagsüber aber hängt die teure Ladetechnik in der Regel ungenutzt an der Garagenwand. Warum stellt man die privaten Wallboxen tagsüber nicht auch Dritten zur Verfügung, dem Nachbarn von Gegenüber oder Elektromobilisten, die in der Stadt gerade keine öffentliche Ladesäule nutzen können, weil alle belegt sind?

In Dänemark stellten sich Casper Rasmussen und Anders Pedersen bereits 2020 diese Frage. Daraus hervorgegangen ist das Startup Monta, das mittlerweile in elf Ländern Europas Privatpersonen, aber auch Unternehmen, Organisationen und Tourismusbetrieben hilt, ihre Ladestationen zu verwalten, mit anderen Menschen zu teilen – und damit Geld zu verdienen. Stefan Schauer-Burkart hat dabei die Verantwortung für die Märkte in Deutschland und Österreich. Wir wollten von ihm wissen, wie das Geschäft funktioniert – und was für das Sharing von Ladestationen erforderlich ist.

Herr Schauer-Burkart, Monta möchte, dass wir unsere Wallboxen auch anderen Fahrern von Elektroautos zur Verfügung stellen. Ich stelle mir gerade vor, wie das praktisch funktioniert: Meine Wallbox befindet sich in der Garage, die mit einem Tor gesichert ist. Und nachts steht da auch mein Elektroauto davor. Da wird es mit dem Teilen schwierig, oder?

Im Einzelfall gibt es immer wieder Probleme physischer Natur. Ein Garagentor oder ein Poller. 

Wie lösen Sie das?

Ich bin gerade umgezogen und habe noch keine Lademöglichkeit für meinen Tesla am Parkplatz. Aber mein Nachbar, zwei Parkplätze weiter, hat eine Ladestation. Ich bin gerade dabei, ihn zu motivieren, die Monta-App zu verwenden und mir den Strom zu verkaufen. An meinem alten Wohnsitz hatte ich die Wallbox auch auf einem Zaunpfahl so montiert, dass sie auch für andere, wie meine Nachbarn, leicht zugänglich ist. 

Stromern ohne Reichweitenangst
Stefan Schauer Burkart findet Ladestationen für seinen Tesla mit der Monta-App. Diese zeigt nicht nur öffentliche, sondern auch viele private Ladestationen an, deren Besitzer sich vom Stromverkauf Zusatzeinnahmen erhoffen. Fotos: Monta
Stromern ohne Reichweitenangst
Stefan Schauer Burkart findet Ladestationen für seinen Tesla mit der Monta-App. Diese zeigt nicht nur öffentliche, sondern auch viele private Ladestationen an, deren Besitzer sich vom Stromverkauf Zusatzeinnahmen erhoffen. Fotos: Monta

Aber meistens macht man sich bei der Montage der eigenen Wallbox keine Gedanken über Sharing-Modelle wie die von Monta. 

Ja leider. Und der physische Zugang ist natürlich die Voraussetzung für unser Modell. Auf der anderen Seite gibt es sehr viele Fälle, wo die eigentlich recht teure Wallbox viel zu selten genutzt wird. Nur wenige Stunden am Tag wird hier ein Elektroauto geladen. Indem man die Wallbox auch anderen zur Verfügung stellt, amortisiert sich das Investment in eine solche Technik schneller und wird somit für mehr Menschen attraktiver. 

Eine halb-öffentliche Nutzung könnte da zugegebenermaßen die Rentabilität einer Ladevorrichtung erhöhen. Vorausgesetzt, man gibt den Strom nicht kostenlos ab. 

Das wäre ein tolles Angebot. Viele Hotels in Österreich haben das anfangs gemacht. Da kostet ein Ladevorgang schon mal 20 Euro oder mehr.  Inzwischen ist die Nutzung des Angebots aber so gut, dass sie sich den Strom bezahlen lassen und sich daraus ein Geschäftsmodell entwickelt hat, oder dass zumindest die Kosten gedeckt werden. 

„Es gibt sehr viele Fälle, wo die eigentlich recht teure Wallbox viel zu selten genutzt wird. Nur wenige Stunden am Tag.“

Wer legt da die Preise fest? Übernimmt das Monta?

Nein, die Tarifierung obliegt immer dem Betreiber. Der kann den Strom verschenken – oder zwei Euro für die Kilowattstunde verlangen – er muss es nur ausweisen. Wir von Monta wissen ja nicht, zu welchen Konditionen unsere Partner den Strom beziehen. Teuer aus dem Netz oder gewissermaßen kostenlos mithilfe einer eigenen Solaranlage. Wir sind darauf spezialisiert, die Zahlungsvorgänge im Hintergrund abzuwickeln und sorgen dafür, dass der Besitzer der Ladestelle am Monatsende sein Geld erhält. Um dies zu ermöglichen, muss er nur einen QR-Code auf seiner Ladestation anbringen. Dann kann über Google- oder Apple-Pay der bezogene Strom abgerechnet werden.

Aber die Punkte zeigen schon: Bevor man sich entscheidet, die private oder auch betriebliche Ladestation für Dritte zu öffnen, sind einige Fragen zu klären. 

Ja sicher. Über ein paar Rahmenbedingungen muss man sich schon Gedanken machen: Das Eichrecht regelt die gesetzlichen Bestimmungen und Anforderungen an die Soft- und Hardware, und es braucht Stromzähler für eine kilowattstundengenaue Abrechnung. Auch die Zugänglichkeit muss geklärt werden. 

Kompatible Wallboxen
Die Ladestation in der Garage – oder davor – muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um in das Monta-System eingebunden werden zu können. Welche das sind, zeigt die Übersicht – und eine Ausstellung in der Firmenzentrale.

Und wahrscheinlich kommen noch ein paar Punkte hinzu. Aber wir wollen ja nicht das Modell zerreden, das prinzipiell löblich ist: Wenn die Elektromobilität ein Erfolg werden soll, braucht es mehr Lademöglichkeiten, private, öffentliche und halböffentliche. 

Das war auch die Erkenntnis der Monta-Gründer, die aus Skandinavien kommen. In dünn besiedelten Gebieten gibt es meist kein Stadtwerk, das aus eigenem Antrieb an jeder Ecke Ladestationen installiert. Da braucht es Eigeninitiativen und nachbarschaftliche Lösungen. Zumindest in einer Aufbau- und Übergangsphase wie jetzt, wo die öffentliche Ladeinfrastruktur noch im Aufbau ist. In Deutschland und auch in Österreich ist das Netz schon ganz gut, aber in vielen anderen Ländern Europas gibt es noch große weiße Flecken. 

Die großen Energieversorger in Deutschland haben sich aber inzwischen von Wechselstrom-Stationen abgewendet, bauen lieber Schnellladeparks, weil sie damit eher Geld verdienen können. Werden darüber die kleinen AC-Lader nicht langsam überflüssig?

Das ist ein vielschichtiges Thema. Ein DC-Lader rechnet sich in der Tat möglicherweise für den Betreiber schneller als eine mit Wechselstrom betriebene Station. Aber ich finde, wir dürfen die Gesamtsituation nicht aus den Augen verlieren. Wir müssen auch die Stromnetze betrachten und die Möglichkeiten zur Sektorkopplung ausbauen. Wenn wir ausschließlich auf DC-Lader setzen, muss das Netz massiv ausgebaut werden, damit jederzeit die hohen Ladeleistungen zur Verfügung stehen. 70 bis 80 Prozent finden heute an Destination Chargern, also AC-Stationen, statt. Dort, wo sich die Menschen längere Zeit aufhalten. Hier reichen geringe Stromstärken völlig aus, was auch für den Akku des Autos besser ist. 

„In einer Aufbau- und Übergangsphase wie jetzt braucht es Eigeninitiativen und nachbarschaftliche Lösungen.

Monta ist 2020 in Dänemark gegründet worden. Seit wann ist das Unternehmen in Deutschland und Österreich aktiv?

Seit dem vergangenen Jahr. 

Und wie ist die Resonanz auf das Angebot bisher? 

Wir verzeichnen eine sehr gute Resonanz, vor allem im Flottengeschäft. Wir haben hier Partner gefunden, die sehr große betriebliche Ladeinfrastrukturen betrieben. Siemens oder RZB Energy in Bamberg setzen auf die Elektrifizierung ihrer und anderer Flotten und wir helfen ihnen, die Lademöglichkeiten zu verwalten. 

Und wie viele Privatkunden haben Sie für das Sharing-Modell begeistern können?

Wir haben gerade letzte Woche unseren 200.000 Monta App-Nutzer gefeiert, Privatkunden miteingeschlossen. 

Einfach überall laden
Anders Pedersen (links) und Casper Rasmussen haben Monta 2020 aus Frustration über die schlechte Ladeinfrastruktur in ihrem Heimatland Dänemark aus der Taufe gehoben.
Alle Möglichkeiten nutzen
Anders Pedersen (links) und Casper Rasmussen haben Monta 2020 aus Frustration über den schleppenden Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur für Elektroautos in ihrem Heimatland Dänemark aus der Taufe gehoben.

Wo ist das Interesse besonders groß?

Das hängt von den Rahmenbedingungen ab. In Skandinavien gibt es beispielsweise Steuerrückerstattungen abhängig von der geladenen Energiemenge. Man hat dort auch früh erkannt, dass man das Angebot und die Nachfrage nach Strom im Netz steuern muss. Variable Stromtarife und Netzentgelte gibt es dort schon viel länger. Um das steuern zu können, braucht es Softwarelösungen.

Mit einem Wort: In Skandinavien ist Monta weiter, in Deutschland und Österreich im Privatkundenbereich noch in der Akquisephase. 

Ja. Aber im Unterschied zu Skandinavien sind wir hier an anderen Stellen weiter: Zum Beispiel beim Laden mit überschüssigem Solarstrom von der privaten PV-Anlage. Dafür haben wir eine Lösung gebaut, die es privaten Hausbesitzern erlaubt, den überschüssigen Solarstrom automatisch in die Wallbox zu leiten, ohne dass es dafür zusätzliche Hardware braucht. Denn wer eine PV-Anlage besitzt, sollte möglichst viel von dem erzeugten Strom auch selbst nutzen, wenn nicht im Haus, dann für das Elektroauto. 

Wie groß ist denn inzwischen das Ladenetz, das über die Monta-App genutzt werden kann?

Da wir auch E-Mobility-Provider mit zahlreichen Roaming-Partnerschaften sind, erhält man über uns inzwischen Zugang zu über 500.000 Ladepunkten in Europa, etwa 100.000 davon allein in Deutschland und etwa 23.000 in Österreich. 

Welche Ziele haben Sie sich für das kommende Jahr gesetzt?

Zusammen mit unseren Partnern und Kunden ist es unser Ziel, die Elektromobilität weiter voranzubringen, indem wir den Zugang Schritt für Schritt weiter vereinfachen. 

Das klingt jetzt erst einmal sehr idealistisch. Und kommerziell?

Auch wenn wir in Form einer App eine Lösung für Privatkunden anbieten, läuft unser Hauptgeschäft über die Zusammenarbeit mit großen Fuhrparkbetreibern, die unser Produkt für ihre Flotten nutzen.

„Das Teilen einer Wallbox ist etwas anderes als das Teilen eines Autos, zu dem eine emotionale Bindung besteht.“ 

Dazu haben Sie keine Zahlen parat?

Wir arbeiten mit über 600 Partnern europaweit zusammen.

Das Sharing-Modell ist in den letzten zwei Jahren etwas unter die Räder gekommen. Das Geschäft mit e-Scootern steht massiv unter Druck, vom Car-Sharing haben sich viele Autohersteller zurückgezogen. Bei Ladelösungen wird es nun funktionieren?

Als Übergangsphase, bis ein großflächiges Netz durch professionelle Betreiber aufgebaut ist. Es wird immer Situationen geben, wo die Nutzung privater Ladepunkte durch Dritte eine Lösung ist. Das Teilen einer Wallbox ist immer noch etwas anderes als das Teilen eines Autos oder anderer Gegenstände, zu denen eine emotionale Bindung besteht. 

Der Markt für Elektroautos schwächelt derzeit ein wenig. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Die Entwicklung ist sicher zyklisch und auch durch die Rahmenbedingungen getrieben: Die eine Förderung kommt, die andere läuft aus. Darüber gibt es immer wieder Ernüchterungen und Unsicherheiten. Aber unter dem Strich gehen die Neuzulassungen von Elektroautos in den nächsten Jahren sicherlich weiter nach oben. In den Unternehmen sind die Entscheidungen über die Antriebswende, zugunsten der Elektrifizierung, gefallen, daran ist nicht mehr zu rütteln und wir unterstützen die Entwicklung mit unserem Baustein nach Kräften.

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