Wer Kinder hat, kennt Herrn Tur Tur ganz sicher. In Michael Endes Kinderbuch-Klassiker „Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer“ lebt der freundliche Herr völlig vereinsamt in der Wüste am Ende der Welt. Denn aufgrund eines physikalischen Phänomens, das der Autor leider nicht erklärt, wird Herr Tur Tur aus der Ferne als furchteinflößender Riese wahrgenommen. Erst wenn man ihm näher kommt, schrumpft er auf Normalgröße.
An die Mär vom Scheinriesen musste ich denken, als eines Tages bei uns der DS 3 Crossback e-tense auf den Hof rollt. Ganz schön groß, ist der erste Eindruck. Und mit seinem grimmigen LED-Scheinwerferblick und seinem riesigen, für ein Elektroauto eher untypischen Kühlergrill, könnte der Franzose zumindest bei kleinen Kindern für Angst und Schrecken sorgen. Der fünfjährige Lukas aus der Nachbarschaft – der heißt wirklich so – weigerte sich denn auch partout, sich zusammen mit dem Auto fotografieren zu lassen.
„La Déesse“ als Inspirationsquelle
Dabei ist das neue Elektromobil mit der bösen Fratze und dem komplizierten Namen ein durchaus harmloser Zeitgenosse. Und wenn man sich ihm furchtlos nähert, schrumpft er schnell auf Normalmaß – und sogar noch darunter. Aber wir wollen nicht vorgreifen.
Überhaupt wird sich der eine oder andere – und nicht nur der kleine Lukas aus der Nachbarschaft – hier noch fragen, was das verschlungene Markensymbol im Kühlergrill bedeutet was das überhaupt für eine Automarke ist. Kein Wunder: DS Automobiles wird in den Statistiken des Kraftfahrtbundesamtes erst seit knapp vier Jahren geführt. Es war ursprünglich eine Submarke von Citroën – und eine Hommage an „Le Déesse“, das viel vergötterte Topmodell DS aus den 1950 und 1960er Jahren. Inzwischen ist DS die Topmarke des PSA-Konzerns, der demnächst mit FiatChrysler zu „Stellantis“ verschmelzen soll. DS wird dann eine von insgesamt 16 Automarken sein, die sich der besseren Wirtschaftlichkeit wegen Plattformen, Komponenten, Fabriken und vieles andere mehr teilen werden. Technisch wird es dann kaum mehr Unterschiede geben – was allein zählt, sind Markenbotschaft und Markenbild.
Französischer Chic im Zeichen der Raute
So teilt sich der DS 3 Crossback e-tense schon jetzt die modulare Elektroplattform E-CMP der PSA-Gruppe und ist somit ein Schwestermodell sowohl des Peugeot e-208 und e-2008, des Opel Corsa-e, des Opel Mokka-e und des Opel Vivaro-e sowie des neuen Citroën ë-C4 oder ë-Jumpy – um nur ein paar der Auto-Klone zu nennen. Der Baukasten ist jeweils der gleiche, allein das Design sorgt für die Differenzierung. Und natürlich die Fahrwerte und Preise. Hier scheiden sich dann gewissermaßen die Geister.
DS versteht sich in Markenhierarchie von PSA als die Topmarke. Das schlägt sich in dem, sagen wir mal selbstbewussten Auftritt des DS 3 Crossback e-tense deutlich nieder. In dem großen platingrauglänzenden Grill des SUV, verchromten, automatisch aus- und einfahrenden Türgriffen sowie allerlei Schmuckelementen außen, aber noch mehr in der extravaganten Gestaltung und Ausstattung des Innenraums. Sitze und Sichtflächen sind fein mit Alcantara überzogen, Chrom gibt es reichlich, einen großen Touchscreen. Vor allem aber jede Menge Elemente in Rauten-Form: Karo mag im Skat den geringsten Markenwert habe – bei DS ist Karo Trumpf.
Der legendäre Design-Leitsatz „Form follows function“ wurde dabei von den den Gestaltern des Interieurs offensichtlich umgekehrt: Erst kommt die Form, dann die Funktion. Was die Bedienerfreundlichkeit nicht unbedingt verbessert: Man muss beispielsweise schon eine Weile suchen, um in der wie ein Setzkasten geformten Mittelkonsole die Taster für die Fensterheber gefunden hat. Oder auch den Schalter für die Feststellbremse. Und wehe, man vergisst diesen beim Verlassen des Fahrzeugs zu betätigen: Es erschallt sogleich ein schriller Ton mit der Lautstärke einer Alarmanlage.
Der DS 3 hat seine Eigenheiten, an die man sich mit der Zeit und mit längerer Nutzungsdauer gewöhnen mag. Für einige andere Dinge gilt das allerdings nicht. An die Positionierung der Ladeklappe etwa: Da das Modell auch als Benziner erhältlich ist und der Hersteller die Tankklappe nicht verlegen wollte, wurde der Ladestecker hinten links untergebracht. In Ländern mit Linksverkehr wird man das sicher begrüßen. Hierzulande bedeutet dies mehr Rangierarbeit als nötig wäre. Unsere Redaktions-Zoe, die zu Vergleichszwecken herangezogen wurde, bietet hier mit einem Ladestecker in der Front die deutlich praktikablere Lösung.
Noch weniger gewöhnen mochten wir uns indes mit dem vergleichsweise hohen Energieverbrauch des DS 3: Das wuchtige SUV-Design fordert hier Tribut. Mit einem Durchschnittsverbrauch von bis zu 20 Kilowattstunden (kWh) pro 100 Kilometer saugte der 100 kW (136 PS) starke DS unter den Testbedingungen signifikant mehr Strom aus der 50 kWh großen Batterie im Fahrzeugboden als das Schwestermodell von Opel (16,4 kWh). Selbst im Eco-Modus musste man sich schon stark zurücknehmen, um mit einer Akkuladung 240 Kilometer weit zu kommen. Die Spitzengeschwindigkeit von 150 km/h sollten man nur fahren, wenn die nächste Ladestation nicht allzu weit entfernt ist.
Außen groß, innen kompakt
Unser Testwagen stammte noch aus der Vorserie und konnte Wechselstrom deshalb nur einphasig laden. In den Serienfahrzeugen sollen Ladegeschwindigkeiten von bis zu 11 Kilowatt möglich sein. Wie gut, dass der Stromer über einen CCS-Schnellladeanschluss verfügt. Darüber sind Ladeleistungen von bis zu 100 kW möglich. Wir machten davon während des Tests reichlich Gebrauch, um zügig voran zu kommen.
Und nicht nur in der Beziehungen verspricht der Franzose mehr als er verspricht. Das gilt auch für das Platzangebot. Der Kofferraum ist mit einem Ladevolumen von 350 Litern zwar deutlich größer als im Opel Corsa (267 Liter) und auch einen Tick größer als in der Zoe (338 Liter). Aber die Passagiere finden spürbar weniger Platz vor, als der großspurige Auftritt des DS 3 vermuten ließ. Wie schon im Corsa macht die weit nach hinten gesetzte B-Säule eine ausgeklügelte Fuß-Choreographie erforderlich, um auf die Rücksitzbank zu gelangen. Wenn man erst einmal hineingefunden hat, sitzt es sich hinten zwar ganz kommod. Aufgrund der hohen Fensterlinie fühlt man sich allerdings etwas eingezwängt: Kleingewachsene Menschen müssen den Hals recken, um die Landschaft, die draußen vorbeirauscht, genießen zu können. Auch hier muss sich die Funktion (Fenster) dem Design (kecker Hüftschwung) unterordnen. Vorne sind die Sitz- und Sichtverhältnisse deutlich besser, wozu im Testwagen auch das (aufpreispflichtige) Head-up-Display beitrug.
Apropos Kosten: Wie es sich für eine Top- und Luxusmarke gehört, gibt es den DR 3 Crossback auch in der Elektro-Ausführung nicht zum Discounterpreis: Wer es einfach nur chic will, wählt die Basisausführung für 37.422 Euro. Unser Testwagen in der Ausstattungslinie Performance Line kam auf einen Basispreis von 39.090 Euro und hatte darüber hinaus noch ein paar nette Extras an Bord, die den Gesamtpreis auf 43.740 Euro trieben. Zum Vergleich: Der Corsa-e von Opel startet bei 29.146 Euro und kostet in der Topausstattung e-Elegance 32.060 Euro. Selbst wer alle Extras hinzuwählt, hat Mühe, über die Marke von 37.000 Euro zu springen. Und eine Renault Zoe kostet in Topausstattung und inklusive Batterie nur 39.000 Euro. Ökobonus und staatliche Innovationsprämien gelten für alle Modelle gleich, mindern den Luxus-Aufschlag beim DS 3 Crossback also nur bedingt.
Zumindest in dem Punkt ist der neue e-tense ein echter Riese – egal, aus welcher Entfernung man ihn betrachtet.
Sorry, aber es heißt „La Déesse“ und nicht „Le Dèesse“. Wenn schon denn schon.
Das wird natürlich sofort korrigiert.