Schon über zehn Millionen E-Bikes gibt es in Deutschland, schätzt der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV). Der weitaus größte Teil davon sind Pedelecs – Fahrräder mit einer elektrischer Trittunterstützung von bis zu 25 km/h. Den meisten Radlern reicht der Rückenwind, für den der 250 Watt starke Elektromotor am Tretlager oder in der Hinterradnabe sorgt, auf den Fahrten durch die Stadt oder auf den Ausflügen ins Grüne völlig aus. Wem das nicht reicht, kann sich ein S-Pedelec zulegen. Er erfährt die Trittunterstützung dann bis zu 45 km/h. Er muss das E-Bike dann allerdings versichern, muss einen Mofa-Führerschein der Klasse AM besitzen – und darf in Deutschland weder Rad- noch Waldwege benutzen.
Denn ein S-Pedelec ist kein Fahrrad mehr, sondern ein Leichtkraftrad, das hierzulande nur auf öffentlichen Straßen bewegt werden darf. Rechtliche Grundlage dafür ist Paragraph 39, Absatz 7 der Straßenverkehrs-Ordnung – und die seit 2017 geltenden EU-Verordnung 168/2013, in der S‑Pedelecs in der Kategorie L1e‑B bis zu einer bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit (bbH) von 45 km/h eingestuft sind. Entsprechend gering ist in Deutschland die Nachfrage nach dieser meist auch deutlich teureren Zweiradgattung.
E-Bike-Tuning ist eine Straftat
Wesentlich günstiger scheint da – auf den ersten Blick – das Tuning eines einfachen Pedelecs per Chips oder Dongle. Entsprechende Bausätze sind im Internet für praktisch jeden Motor schon für 100 Euro zu haben und mit ein wenig Geschick schnell montiert. Die Bausätze heben die Geschwindigkeitsbegrenzung auf, indem sie der Motorsteuerung eine deutlich niedrigere Fahrgeschwindigkeit als die tatsächliche vorgaukeln. Geschwindigkeiten von bis zu 70 km/h werden dadurch möglich. Der ZIV schätzt, dass in Deutschland etwa zehn Prozent aller E-Bike-Antriebe inzwischen manipuliert sind.
Doch das Tuning kann böse enden. Nicht nur, weil Bremsen und Reifen des Fahrrads durch das irrwitzige Tempo überfordert werden – vom Fahrer mal ganz abgesehen. Zudem kann der Motor Schaden nehmen. Vor allem aber: Die Benutzung eines getunten Pedelecs im öffentlichen Raum ohne Führerschein und Versicherungsschutz ist eine Straftat, die in Deutschland mit Punkten in Flensburg und saftigen Geldstrafen geahndet wird. Zudem entfällt der Versicherungsschutz, wenn es mit dem Fahrrad aufgrund der überhöhten Geschwindigkeit zu einem Unfall kommt. Und das ist wohl nicht selten der Fall: Nach Analysen des Statistischen Bundesamts enden Pedelec-Unfälle häufiger tödlich als die von Fahrrädern ohne Hilfsmotor.
Neuer Prüfstand der Polizei im Bike-Paradies
In den Niederlanden, der Fahrradnation Nummer 1 in Europa, besorgen die steigenden Unfallzahlen mit motorisierten Fahrrädern – und zum Teil frisierten E-Bikes die Versicherer und Ordnungshüter schon länger. In Amsterdam soll deshalb sogar ein Tempolimit von 20 km/h für Fahrräder eingeführt werden. Und die Polizei dort hat eine neue Generation von Rollenprüfständen entwickelt, mit denen in kürzester Zeit festgestellt werden kann, ob E-Bikes den gesetzlichen Anforderungen genügen. Die mobilen Anlagen sind sogar in der Lage, festzustellen, ab welcher Geschwindigkeit die elektrische Trittunterstützung ihre Arbeit einstellt. Bei Verstößen wird ein Bußgeld in Höhe von 290 Euro verhängt. In schweren Fällen kann das Fahrrad auch konfisziert werden.
Die niederländische Polizei hat 247 Exemplare der neuen Prüfstände geordert, um sie im Land flächenmäßig und schwerpunktmäßig einzusetzen. Da kann der Ferienausflug mit einem getunten E-Bike ins Fahrrad-Paradies nach Holland für deutsche E-Biker schnell zum Albtraum werden.