Er war der Spitzentrumpf in jedem Autoquartett und der ungekrönte König der Rallye-Piste: Kaum ein Auto hat in den 1980ern buchstäblich so viel Staub aufgewirbelt, wie der Audi Quattro. Schon das Standardmodell war eine Wucht, erst recht für eine Spießermarke, die Audi damals noch war. Doch als die Herren der Ringe für die Homologation ihres Rallye-Rennwagens den Sport quattro S1 nachschoben, bekamen die Petrolheads Schnappatmung. Denn zu brutal war das Design des auf 4,16 Meter Länge und 2,23 Meter Radstand kondensierten Kraftmeiers. Und zu brachial war sein Fünfzylinder-Turbo, der mit 306 PS so viel Leistung hatte, dass jedes PS nur noch mit vier Kilogramm Gewicht zu spielen hatte.

Und spätestens als Walter Röhrl in einem auf 600 PS getunten Flügelmonster 1987 unter dicken Staubwolken den damals noch nicht asphaltierten, 20 Kilometer langen Weg rauf zum Pikes Peak in Colorado in einer Fabelzeit von 10:47 Minuten hinauf stürmte, war der Ruf des S1 als ultimative Dreckschleuder perfekt. Allerdings war die Sache mit dem S1 ein buchstäblich kurzes Vergnügen. Denn während der normale Quattro bis 1991 gebaut wurde, haben die Bayern die sportlichste Version schon 1985 wieder auslaufen lassen. 

Historisches Flügelmonster 
Der Audi Sport quattro S1 E2 in der historischen Fahrzeugsammlung. Zusätzlich zum kurzen Radstand hatte der E2 für die Teilnahme an der Rallye-WM allerlei Flügelwerk für maximalen Abtrieb bekommen. Nur 20 Exemplare wurden gebaut. Foto: AUDI AG
Historisches Flügelmonster
Der Audi Sport quattro S1 E2 in der historischen Fahrzeugsammlung. Zusätzlich zum kurzen Radstand hatte der E2 für die Teilnahme an der Rallye-WM allerlei Flügelwerk für maximalen Abtrieb bekommen. Nur 20 Exemplare wurden gebaut. Foto: AUDI AG

Marcus Holzinger war damals noch weit vom Führerschein entfernt, kann sich aber trotzdem noch bestens an den Posterboy der Petrolheads erinnern. Schließlich hat sein Vater damals als Designer bei Audi daran mitgearbeitet. Und weil der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, weiß auch Holzinger mit Stift und Reißbrett umzugehen. Er ist mittlerweile Dienstleister für Design und Entwicklung in Beilngries nahe Ingolstadt und ein Mann, der nicht nur in Erinnerungen schwelgen will. Deshalb lässt er bei Hote Design den Audi quattro S1 unter dem Namen EL1 (E-Legend1) jetzt wieder auferstehen. Und zwar nicht als Oldtimer oder nach der neuesten Mode als Restomod, sondern als liebevolle Neuinterpretation mit Elektroantrieb – stilistisch ganz nah am gestern, technisch dafür aber im hier und heute. 

Allradantriebs mit über 800 PS

Deshalb steckt unter der ohne Retro-Kitsch wunderbar authentisch gezeichneten Karosserie im S1-Stil ein Carbon-Chassis und statt des legendären Fünfzylinder-Turbos gibt es diesmal einen zeitgemäßen Elektroantrieb. Der ist allerdings so dimensioniert, dass nicht nur die Erinnerung an das Serienmodell verblasst, sondern auch Walter Röhrl neidisch werden würde – wenn der Altmeister denn irgendetwas mit Elektroautos anzufangen wüsste. 204 PS im Bug und 612 Pferdestärken an der Hinterachse summieren sich zu mehr als 600 kW oder 800 PS. Und ein maximales Drehmoment von 1.600 Nm sorgt für eine geradezu explosionsartige Beschleunigung. Von 0 auf 100 beamt der EL1 genannte Neo-Quattro die beiden Insassen in 2,8 Sekunden. Und ein Ende findet die Raserei erst bei 300 km/h. 

Asphaltfräse in Aktion
Das maximale Drehmoment von 1600 Newtonmeter will wohl dosiert eingesetzt werden. Sonst lösen sich die Reifen des elektrischen Allradlers EL1 ganz schnell in Rauch auf.

War das bislang alles noch graue Theorie, schürt Holzinger die Vorfreude auf den im kommenden Jahr geplanten Beginn der Serienfertigung nun mit einem Rolling Chassis, das er gemeinsam mit dem Kleinserienspezialisten Roding entwickelt hat. Wer darin Platz nimmt und von den Entwicklern mit einem Hosenträger-Gurt verzurrt wird, der spürt schon jetzt die unbändige und vor dem finalen Feinschliff noch ein bisschen rohe Kraft, die den EL1 so wild und ungestüm macht wie einst das Original.

Ultimative Asphaltfräse

Erst recht, weil das Auto mit 4,15 Metern Länge und 2,44 Metern Radstand ähnlich handlich ist. Weil die Batterie den Schwerpunkt weiter nach unten drückt und ihn Allrad und Differentialsperren sehr zur Freude des lokalen Reifenhändlers zur ultimativen Asphaltfräse machen. Denn während bei diesem Kraftakt im Antrieb eine gespenstische Ruhe herrscht und man vergebens nach Benzin oder heißem Öl schnüffelt, wimmern die Reifen zum Gotterbarmen unter all der Kraft. Schon in der ersten Kurve riecht es deshalb streng nach verbranntem Gummi. Ab der zweiten mischt sich darunter noch Adrenalin und Muskelschweiß – so engagiert geht der Fahrer bereits jetzt zu Werk. 

Schweißtreibende Angelegenheit
Die Kapazität des Akkus von 80 kWh soll für 400 Normkilometer - oder zwei heiße Runden auf der Nordschleife des Nürburgrings reichen. Die Antriebskomponenten werden derzeit auf einem Flugplatz nahe Ingolstadt getestet.
Schweißtreibende Angelegenheit
Die Kapazität des Akkus von 80 kWh soll für 400 Normkilometer – oder zwei heiße Runden auf der Nordschleife des Nürburgrings reichen. Die Antriebskomponenten werden derzeit auf einem Flugplatz nahe Ingolstadt getestet.

Und die Hitze wird noch eine Weile anhalten. Schließlich hat der Akku eine Kapazität von 80 kWh, die nach aktueller Schätzung nicht nur für 400 Normkilometer reichen sollen, sondern auch für zwei heiße Runden auf der Nordschleife des Nürburgrings. Und die dürften im EL1 eine schweißtreibende Angelegenheit werden. Viel Zeit zum Durchschnaufen gibt es danach übrigens nicht:  Mit 200 kW lädt der EL1 schneller als so mache Autos aus der Großserie. 

Unter 890.000 Euro geht gar nichts

So extrem wie das Fahrgefühl ist allerdings auch der Preis des EL1. Weil Holzinger von jedem seiner elektrischen Rallye-Renner nur 30 Exemplare produzieren und die aufwändige Entwicklung irgendwie refinanzieren will, stehen beim EL1 stolze 890.000 Euro auf der Rechnung. Und die Steuer kommt noch obendrauf.

Nicht mehr weit bis zur Serienfertigung 
Im kommenden Jahr sollen die ersten von insgesamt 30 Exemplare des EL1 gebaut und zu einem Stückpreis von 890.000 Euro an wohlhabende Sammler aus aller Welt verkauft werden. Fotos: Hote Design
Nicht mehr weit bis zur Serienfertigung
Im kommenden Jahr sollen die ersten von insgesamt 30 Exemplare des EL1 gebaut und zu einem Stückpreis von 890.000 Euro an wohlhabende Sammler aus aller Welt verkauft werden. Fotos: Hote Design

Natürlich ist das viel Geld. Aber erstens gibt’s dafür auch einen der spektakulärsten Sportwagen der jüngeren deutschen Geschichte, mit genauso viel Spaß, aber weniger schlechtem Gewissen. Und zweitens kann der hohe Preis echte Quattro-Fans kaum schocken. Nicht nur, weil zumindest die Oldtimer aus dem Rennzirkus heute siebenstellige Preise erzielen. Sondern auch, weil das bis 1991 insgesamt gut 11.000 Mal gebaute Original ebenfalls ein paar finanzielle Opfer verlangt hat, wenn es ein S1 sein sollte. Damit wurde der Quattro damals nicht nur zu einem der schnellsten und stärksten, sondern mit einem Grundpreis von anfangs 195.000 Mark auch zu einem der teuersten Autos im Land.

 

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