Exakt 166.867 öffentliche Ladepunkte für Elektroautos wies das Register der Bundesnetzagentur am 1. Mai dieses Jahres in Deutschland aus. An 128.198 Punkten konnte Wechselstrom mit bis zu 22 kW Leistung gezapft werden, an 38.669 Schnellladepunkte floss Gleichstrom mit bis zu 400 kW. Bei einem Bestand von derzeit 2,65 Millionen Voll- und Teilzeitstromer mit Stecker teilen sich also rein rechnerisch 15 Fahrzeuge einen öffentlichen Stromanschluss – so sie denn daheim keine Lademöglichkeit haben.
Wie sich die Relation im Laufe des Jahres entwickelt, bleibt abzuwarten. Einerseits hat der Verkauf von Elektroautos in Deutschland wieder Fahrt aufgenommen – allein im Mai wurden laut Kraftfahrtbundesamt hierzulande 68.241 BEVs und PHEVs neu zugelassen. Andererseits investieren die großen E-Mobility-Provider und Ladepunktbetrieber wie mobility+ (EnBW), Ionity, Fastned und Allego, aber auch Aral und Shell weiterhin kräftig in die Ladeinfrastruktur. Vor allem in neue Schnelllader: Marktführer EnBW hat gerade mit dem Bau von 36 neuen Ladepunkten begonnen, Ionity eine Expansion in die Städte angekündigt.

Der Ingenieur und Spezialist für Energiemanagement ist seit 2024 für Electra tätig, seit Mai leitet er die Geschäfte des Unternehmens in Deutschland. Zuvor war er unter anderem für Digital Energy Solutions in München, den Autozulieferer Webasto und die VW-Tochter Elli tätig. Für den Mobility Service Provider leitete als Senior Vice President zuletzt den Bereich Öffentliches Laden. Fotos: Electra
Und mit Electra tritt nun ein ganz neuer Player auf den deutschen Markt. Das 2020 gegründete und von Infrastruktur- und Pensionsfonds finanzierte Unternehmen aus Frankreich ist in seinem Heimatland und in Belgien bereits Marktführer und europaweit mit über 470 Schnellladeparks präsent. Unter Führung des ehemaligen Volkswagen-Managers und früheren Chefs des VW-eigenen Ladedienstes Elli, Paul Tonini, gehen die Franzosen nun auch bei uns die Offensive. Vier türkisfarbene Ladeparks – im bayerischen Gräfelfing, Dasing und Neufahrn sowie in Dortmund – hat Electra bereits in Betrieb genommen. Weitere Anlagen sind bereits im Bau, unter anderem in Hamburg und Berlin, Lübeck und Pforzheim. Weitere 100 bis 140 Projekte sind in der Entwicklung. Bis zum Jahresende will Electra bereits 30 Schnellladeparks in Deutschland in Betrieb haben. In der Regel mit drei Ladesäulen und sechs Ladepunkten.
Standortsuche mit KI
„Wir sind ein bisschen später in den wichtigsten E-Mobilitätsmarkt Europas eingetreten als vielleicht der eine oder andere erwartet hätte“, räumt Tonini im Gespräch mit EDISON ein. Der Vorteil sei nun, dass man aus den Fehlern der Wettbewerber lernen könne: Manche hätten sich Standorte gesichert, ohne sie bedienen zu können. Andere hätten Ladesäulen an Stellen gebaut, an denen ein wirtschaftlicher Betrieb kaum möglich sei. Oder sie hätten sich an Partner gebunden, die ihnen die Standorte diktierten.

In Belgien hat Electra eine der ersten Vorzeigestationen vom Typ „Electraline L“ eröffnet. Auch Hannover bekommt bald eine des Typs.
Electra sei da so etwas wie ein „Trüffelschwein“, das mit speziellen Tools und auch Künstlicher Intelligenz die idealen Standorte sucht und bewertet, um anschließend mit hoher Geschwindigkeit Schnelllademöglichkeiten für E-Autos zu schaffen. Vor allem in den Städten. Tonini: „Unser Fokus liegt definitiv auf Metropolregionen und städtische Lagen, wo es bis heute eine Unterdeckung mit schnellen Lademöglichkeiten gibt.“ Mit Hotelketten habe man bereits Verträge geschlossen, mit Handels- und Fitnessketten, Autovermietern und Baumärkten im Gespräch.
Teil der europäischen Spark Alliance
Entlang der Autobahnen werde man sicher auch „den einen oder anderen“ Ladepark bauen – aber nur, um Netzwerkeffekte zu erzielen, nicht um Ionity oder Fastned. Mit den beiden großen Ladenetzbetreibern – sowie Atlante aus Italien – ist Electra in der länderübergreifenden Spark Alliance verbunden, die Reisenden den elektrischen Alltag auf langen Strecken erleichtern will. Mit einem einfachen wie komfortablen Zugriff auf Ladepunkte mit nur einer App oder Ladekarte. Oder noch einfacher über Plug&Charge.

Electra will sich auch in Deutschland auf das schnelle Laden des Elektroautos in der Stadt fokussieren. Dafür wurde ein spezielles Designkonzept entwickelt, das die Sichtbarkeit der Anlage durch Lichtsäulen erhöht – ohne das Stadtbild zu stören.
„Wir haben Partner gesucht und gefunden, die das gleiche Qualitätsbewusstsein haben wie wir. Gemeinsam“, kündigt Tonini an, „werden wir sicherlich dieses Jahr noch das eine oder andere Feature auf den Markt bringen, das Elektroauto-Fahrern weitere Erleichterungen bringt.“ Über die Smartphone-App von Electra können diese beispielsweise schon heute Ladepunkte entlang der Reiseroute reservieren, um Wartezeiten vor der Säule zu vermeiden. Den Service bietet das Unternehmen seinen Kunden kostenlos an.
Raus aus der dunklen Ecke
Auch sonst will es Tonini diesen an den möglichst leicht und komfortabel machen. Durch eine gute Sichtbarkeit der Ladeparks mit Fahnenmasten und eine klare Ausschilderung der Zuwegung. Bei den Flagship-Ladeparks der sogenannten „Electraline L“ – einer davon soll noch im Herbst in Hannover eröffnet werden – kommen Dachkonstruktionen hinzu, Sitzbänke, Abfalleimer und Photovoltaik-Elemente zur Stromerzeugung hinzu.
„Die Early Adopter verziehen ihrem Ladepartner noch, wenn die Ladesäule irgendwo in einer dunklen Ecke des Rasthofs oder eines Industriegebiets stand“, weiß Tonini. „Inzwischen sind die Elektromobilisten anspruchsvoller. Er erwartet, dass man trocken steht und nicht in prallen Sonne. Dass man seinen Müll entsorgen kann – und auch als Rollstuhlfahrer keine Probleme hat, das E-Auto mit der Ladesäule zu verbinden. Die ersten Planer solcher Anlagen“, kritisiert der ehemalige Elli-Vorstand, „waren in der Beziehung vielfach betriebsblind.“

Electra setzt auf Highpower-Charger des Marktführers Alpitronic. Auf dem großen Monitor werden die Strompreise groß angezeigt und die Besonderheiten der Ladetechnik erklärt. Bezahlt werden kann mit Lade-, Kredit- und Bankkarte.
Bei Electra favorisiert man deshalb auch Satellitensysteme mit mehreren Ladesäulen und einer zentralen Station, von wo aus der Ladepunkt aktiviert wird. Auch weil man auf diese Weise die Stromversorger besser steuern kann: Ein Renault 5 mit einer maximalen Ladeleistung von 100 kW etwa ist an einem 400 kW Highpower-Charger fehlt am Platz. „Mit einem Dispenser-Satellitensystem kann man die Leistung viel besser lokalisieren und die Autos nach Bedarf laden.“ So dass der Fahrer eines Elektroautos mit 800-Volt-Technik tatsächlich die volle Ladeleistung bekommt und diese nicht mit anderen teilen muss. „Der Fahrer zahlt dann sicherlich auch gerne ein paar Cent mehr.“
Vorerst Einheitstarif von 59 Cent/kWh
Womit wir beim Tarifmodell wären. Aktuell zählt der Electra-Kunde in Deutschland immer und überall 59 Cent für die Kilowattstunde Gleichstrom („Wir haben uns den Wettbewerb angesehen und uns dann in der Mitte positioniert“), die Reservierung des Ladepunkts ist wie beschrieben kostenlos. Es gibt weder Blockiergebühren wie etwa bei EnBW und Tesla, noch muss wie bei Shell für die Aktivierung der Säule extra gezahlt werden. Ein Abo-Modell mit einer Staffelung der Tarife je nach Höhe einer monatlichen Grundgebühr ist derzeit (noch) nicht vorgesehen. Tonini: „Ich will mich nicht festlegen, wie in Zukunft die Preismodelle aussehen werden. Alles ist möglich.“
In Frankreich hat Electra bereits mit dynamischen Preisen experimentiert – „technologisch sind wir dazu in der Lage.“ Die Frage sei nur, ob der Kunde und der Markt dafür schon bereit ist. „Vor zwei Jahren“, erinnert sich sich der Manager, „wollten die Kunden ein möglichst einfaches Preismodell und einen einheitlichen Preis möglichst an allen Stationen in Europa. Dann stiegen die Strompreise – und die Kunden suchten einen möglichst niedrigen Preis über einen ausgewählten Partner. Nun reden wir über eine Dynamisierung der Preise: Man wird es nie allen recht machen können.“