Die Ladeinfrastruktur in Deutschland entwickelt sich aus Sicht von Günter Fuhrmann, Geschäftsführer beim Ladeinfrastrukturbetreiber Mer, zunehmend positiv – doch beim Hochlauf der Elektromobilität sieht er politischen Handlungsbedarf. „Wer heute mit dem Elektroauto unterwegs ist, findet nahezu überall eine freie Ladesäule“, erklärte Fuhrmann im Gespräch mit energate.
Laut Ladesäulenregister der Bundesnetzagentur waren zum 1. Mai 2025 in Deutschland 128.198 Normalladepunkte und 38.669 Schnellladepunkte in Betrieb. Die vorherige Bundesregierung hatte das Ziel, dass bis 2030 eine Million öffentliche Ladepunkte für E-Mobilität verfügbar sein sollen. Der aktuelle Lademarkt-Report des Ladedienstleisters Elvah verzeichnete im zweiten Halbjahr 2024 rund 25 Mio. Ladevorgänge. Dies entspricht etwa 137.000 Ladevorgängen pro Tag und einer Zunahme um 20 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr.
Ladeinfrastruktur wächst – Marktdynamik verändert sich
Dank des Deutschlandnetzes und weiterer Projekte werde das Angebot laut Fuhrmann in den kommenden Monaten weiterwachsen. Die Marktdynamik verschiebt sich jedoch: Früheres Flächensichern um jeden Preis – das sogenannte „Landgrabbing“ – sei vorbei. Stattdessen würden nun gezielt Standorte priorisiert, an denen mittelfristig eine gute Auslastung zu erwarten ist.

Der Telekommunikations-Spezialist steht seit Juni 2021 an der Spitze des in München beheimateten Ladedienstleisters Mer Germany. Zuvor war er unter anderem für eeMobility tätig. Foto: Mer
Dennoch sieht Fuhrmann beim Hochlauf der E-Mobilität deutliche Bremsspuren. „Aktuell liegt der Anteil von E-Autos bei den Neuzulassungen bei etwa 16 bis 17 Prozent. Ursprünglich hatten wir mit 25 bis 30 Prozent gerechnet – darauf basierte auch die Planung der Ladeinfrastruktur.“ Sein Unternehmen passe deshalb die ursprünglichen Ausbaupläne entsprechend an.
Ein Schritt, den auch Mitbewerber gehen. So hatte jüngst etwa der Energiekonzern EnBW angesichts des schleppenden Hochlaufs der Elektromobilität seine Ambitionen beim Ausbau des Ladenetzes deutlich heruntergeschraubt. Nach Zahlen des Energieverbands BDEW waren im zweiten Halbjahr 2024 durchschnittlich nur rund 17 Prozent der öffentlich zugänglichen Ladepunkte zeitgleich belegt. Regional schwanke die Auslastung zwischen 3 und 40 Prozent. Nur jeder fünfte Ladepunkt sei überdurchschnittlich ausgelastet.
Förderstopp und Planungsunsicherheit bremsen den Markt
Besonders der Wegfall staatlicher Förderungen und die daraus resultierende Unsicherheit belasten Mer-Chef Fuhrmann zufolge den Markt. Vor allem im gewerblichen Bereich sei die Planbarkeit essenziell: „Wenn ständig überlegt wird, ob eine Förderung kommt oder nicht, halten viele Fuhrparkmanager Investitionen zurück.“ Angesichts des typischen Leasingzyklus von drei Jahren bedeute die Entscheidung für einen Verbrenner oft ein langfristiges Festhalten an dieser Technologie.
Positiv bewertet Fuhrmann, dass das Thema Elektromobilität im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung verankert ist. Allerdings reiche das allein nicht aus: „Unternehmen brauchen konkrete Vorgaben.“ Besonders lobte er die steuerliche Förderung von E-Dienstwagen bis 100.000 Euro, sieht aber insgesamt Nachholbedarf bei verlässlichen Anreizen. Eine Rückkehr zu pauschalen Kaufprämien berge Risiken – auch wegen der schwierigen Abgrenzung gegenüber ausländischen Herstellern. Trotzdem sei eine klare Linie erforderlich, etwa durch steuerliche Vorteile, um auch gesellschaftlich eine Vorbildwirkung zu erzielen.
Wettbewerb als Weckruf für deutsche Autoindustrie
Zudem sieht Fuhrmann im Wettbewerb mit chinesischen und US-Herstellern einen Weckruf für die deutsche Autoindustrie. Diese müsse ihre Entwicklungsprozesse beschleunigen: Während chinesische Hersteller deutlich schneller neue Modelle auf den Markt bringen, dauere es hierzulande häufig bis zu sieben Jahre. Der Markt für E-Fahrzeuge brauche Vielfalt – gerade auch mit Blick auf kleinere und günstigere Modelle, die bislang im Angebot fehlen.
Mer, eine Tochter des norwegischen Energiekonzerns Statkraft, betreibt eigene Ladeparks und ist Partner des Deutschlandnetzes. Mit dem Deutschlandnetz sorge der Bund für ein „flächendeckendes, bedarfsgerechtes und nutzerfreundliches Schnellladenetz in ganz Deutschland“, schreibt die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur. Die mehr als 1.000 Standorte mit rund 9.000 Schnellladepunkten sollen „weiße Flecken“ auf der Ladelandkarte schließen. Das Vorhaben stelle sicher, „dass der nächste Schnellladepunkt überall in Deutschland in wenigen Minuten zu erreichen ist“.
Im Rahmen der ersten Ausschreibungsrunde konnte Mer bereits zehn Prozent seiner Standorte in Betrieb nehmen. Auch Standorte mit geringerer Wirtschaftlichkeit seien wichtig, so Fuhrmann: „Das Projekt zeigt, dass Ladeinfrastruktur auch dort entstehen muss, wo sich der Betrieb nicht sofort rechnet.“