Zehn Jahre tourt die Formel E, die Rennserie für elektrisch angetriebene Formelwagen, inzwischen um die Welt. Der erste Lauf, wir erinnern uns, fand damals nach mehreren Termin- und Ortsverschiebungen in Peking statt und endete mit einem Sieg von Lucas di Grassi und dem Team Abt Sportsline. Die Einheitsautos wurden von Spark Racing gebaut, hatten eine Leistung von 200 kW und waren maximal 225 km/h schnell. Der Akku, den Williams Advanced Engineering beisteuerte konnte lediglich 28 kWh Strom speichern, was die Fahrer zwang, zur Hälfte des Rennens auf ein identisches Ersatzauto umzusteigen, um überhaupt ihr Ziel zu erreichen.

Formel-1-Fans hatten damals nur Hohn und Spott übrig für den Versuch des spanischen Bankierssohns Alejandro Agag, den Motorsport in das Zeitalter der Elektromobilität hinüberzuführen. Als Mitstreiter konnte er damals unter anderem den ehemaligen BMW-Technikvorstand Burkhard Göschel gewinnen. Auch der damalige FIA-Präsident Jean Todt zog mit, ebenso wie der Technologiekonzern ABB, der seit der ersten Stunde die Ladeinfrastruktur für die Elektro-Boliden stellt und für die Stromversorgung an den Veranstaltungsorten sorgt. Aber die Automobilhersteller konnten sich anfangs nicht so recht für die „Formel Bäh“ erwärmen. Und Formel-1-Champion Sebastian Vettel war der Meinung, dass Akkus ins Handy, aber nicht in einen Rennwagen gehören. Seine grüne Ader hatte der Ferrari-Pilot damals noch nicht entdeckt.

Wettstreit der Autohersteller

Zehn Jahre später sieht die Welt ganz anders aus. Vettel sieht sich inzwischen als Klimaaktivist, verzichtet auf Flüge mit dem Privatjet und spürt angeblich auch Emotionen beim beinahe lautlosen Fahren mit einem Elektroauto. Und die Autoindustrie nutzt die Rennserie in Saison 10 intensiv, um ihre eigenen Elektroautos zu promoten und mithilfe der Daten und Erfahrungen aus der Formel E weiter zu optimieren. Porsche ist seit der Saison 2019/2020 mit eineme Start und fühlt sich dort auch so wohl, dass man in Stuttgart statt über einen Ausstieg über eine Verlängerung des Engagements über das Jahr 2026 nachdenkt.

Publikumsmagnet 
Zum neunten und zehnten Lauf zur Formel-E-Weltmeisterschaft auf dem ehemaligen Flugplatz Tempelhof in Berlin kamen kürzlich rund 30.000 Zuschauer. Der Vertrag mit der Stadt Berlin wurde daraufhin bis 2030 verlängert. Foto: Formel E
Publikumsmagnet
Zum neunten und zehnten Lauf zur Formel-E-Weltmeisterschaft auf dem ehemaligen Flugplatz Tempelhof in Berlin kamen kürzlich rund 30.000 Zuschauer. Der Vertrag mit der Stadt Berlin wurde daraufhin bis 2030 verlängert. Foto: Formel E

Um unter anderem mit Jaguar und Maserati, DS und Nissan zu wetteifern, aber auch der spanischen Konzernschwester Cupra, die nach dem Abschied von Audi die Erfahrung von Abt Sportsline aus inzwischen über 100 Formel-E-Rennen und über ein Dutzend Rennsiegen nutzt.

Mehr Leistung und Ausdauer in Generation 4

Bei den jüngsten Läufen der inzwischen zur Weltmeisterschaft erhobenen Rennserie in Berlin waren wohl auch deshalb zahlreiche hochrangige Manager der beteiligten Autobauer vor Ort, die Cupra-Vorstände Sven Schuwirth und Werner Tietz, aber auch Nissan-CEO Makoto Uchida, der sich im Gespräch mit EDISON als großer Fan der Formel E outete: „Die Elektro-Strategie hat einen hohen Stellnwert für uns, allen Marktschwankungen zum Trotz. Wir lernen hier eine Menge nicht nur über Erfolgstaktiken, sondern auch über die Technik selbst, über Energie- und Thermomanagement.“ Das Engagement sei bis wenigstens 2030 angelegt – auch mit Blick auf die vierte Fahrzeug-Generation, die ab 2026/2027 an den Start gehen soll. Uchida: „Da wird es richtig spannend.“ Auch weil die Freiheitsgrade der Teams, was die Technik der Fahrzeuge anbetrifft, noch einmal größer werden.

Starke Teamleistung 
Nissan-Chef Makoto Uchida konnte sich bei den zwei Formel-E-Läufen in Berlin mit Europa-Chef Guillaume Cartier (Mitte) über zwei Podiumsplätze von Oliver Rowland und dem Nissan-Team freuen. Foto: Rother
Teamleistung
Nissan-Chef Makoto Uchida konnte sich bei den zwei Formel-E-Läufen in Berlin mit Europa-Chef Guillaume Cartier (Mitte) über zwei Podiumsplätze von Oliver Rowland und dem Nissan-Team freuen. Foto: Rother

In der aktuellen Generation 3Evo verfügen bereits über eine maximale (im „Attack-Mode“ zeitlich begrenzte) Antriebsleistung von 350 kW, sie sind bis zu 320 km/h schnell und kommen mit dem Inhalt ihres auf 40 kWh gewachsenen Lithium-Ionen-Akkus über die volle Rennlänge von im Schnitt 45 Minuten und einer Runde. Die Fahrzeuge der Generation 4, die ab 2026 an den Start gehen, werden dank Allradantrieb – derzeit dient der Motor an der Vorderachse nur zur Rekuperation von bis zu 600 kW – sondern auch kräftiger: Angepeilt wird eine neue Spitzenleistung 700 kW oder 951 PS. Zugleich steigt die Batteriekapazität auf 55 kWh. Dadurch könnte die Renndauer auf über eine Stunde steigen.

Ladestopp liegt erst einmal auf Eis

Damit rückt die Formel E näher an die Formel 1 heran – ohne der sogenannten „Königsklasse“ allerdings das Wasser abgraben zu wollen, wie Formel-E-CEO Jeff Todds im Gespräch mit EDISON versichert. Rennen von zwei Stunden wie in der Formel 1, seien in der Regel langweilig – „wenn gerade keine Unfälle stattfinden.“ Und in einem Punkt seien die Fahrzeuge der Formel E den teilelektrischen Konkurrenten der Formel 1 ohnehin überlegen – bei der Effizienz. „Mit dem Energiegehalt unserer Fahrzeuge käme man dort keine drei Runden weit.“

Angedacht war auch, während des Rennens kurze Ladestopps in der Boxengasse einzuführen, um die Spannung zu erhöhen und Überholvoränge zu erleichtern. Williams Engineering hat dafür – wohl auch mit Unterstützung von ABB – Schnellladesäulen mit 600 kW Leistung entwickelt. Die Rennwagen könnten damit wähend eines 30-sekündigen Boxenstopps etwa vier Kilowattstunden Strom aufnehmen. Aber nach ersten Tests ist der geplante Ladestopp erst einmal auf Eis gelegt worden: Der Gewinn an Reichweite und Spannung wäre nach Einschätzung der Organisatoren wie der Teams zu gering für den Aufwand.

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