Schon wieder ein Elektro-SUV. Das waren unsere ersten Gedanken, als wir von der Möglichkeit erfuhren, den GAC Aion V zu testen. Auch die Abmessungen versetzten uns auch nicht gerade in Ekstase: 4,60 Meter lang und 1,85 Meter breit. Ein kompakter Crossover halt. Davon gibt es einige. Doch als wir den Stromer zu Gesicht bekommen haben, waren wir von seinem kantigen Aussehen, der mehrfarbigen Lackierung und dem aufgeräumten Innenraum durchaus angetan. Also haben die Strategen von Guangzhou Automobile (GAC) eine gute Wahl getroffen, als sie den Aion V zur Speerspitze für die Eroberung Europas auserkoren.

Das angenehme Gefühl lässt auch nicht nach, nachdem wir uns hinter das Lenkrad geschwungen haben. Ein kleiner Kühlschrank zwischen den beiden Vordersitzen sorgt auch bei langen Fahrten für kalte Getränke. Die dick gepolsterten Sitze sind bequem und das terracottafarbene Leder fühlt sich weich an. Dass die beiden dick gepolsterten Vordersitze über eine Massagefunktion mit acht Punkten in drei Varianten verfügen, verschlechtert das Wohlfühlambiente sicher nicht. Ganz im Gegenteil. 

Vorne und hinten ist genug Platz vorhanden. Bei der Gestaltung des Interieurs sind die Innenarchitekten der Prämisse „weniger ist mehr“ gefolgt. Allerdings haben sie das Stilmittel der Reduzierung nicht derart auf die Spitze getrieben, wie das bei Tesla der Fall ist. So blicken wir auf zwei Bildschirme: Das Instrumentendisplay misst 8,88 Zoll und der Touchscreen standesgemäße 14,6 Zoll. Ein Head-up-Display fehlt allerdings.

Zwei Antriebe mit 150 und 165 kW

Abgesehen von zwei Rollknöpfen am Lenkrad läuft die Bedienung komplett über den Touchscreen und per Sprache ab. Die Sprachsteuerung war bei unserem Testwagen allerdings noch nicht installiert. Erst wenn die BEV-Kante in Europa anlandet, wird sich zeigen, wie gut der Sprachassistent ist. Die Bedienung geht aber auch so leicht von der Hand. Im Gegensatz zu vielen anderen Automobilen aus China ist die Menüführung des Infotainmentsystems im Aion V deutlich entschlackt.

Auf dem Heimatmarkt wird der Aion V in zwei Versionen mit 150 kW / 204 PS oder 165 kW / 224 PS Leistung bei einem maximalen Drehmoment von 240 Newtonmetern angeboten. Wir haben uns die stärkere der beiden geschnappt. Nach 7,9 Sekunden erreicht der Aion V aus dem Stand Landstraßentempo. Dass bei 160 km/h Schluss ist, tut der Autobahntauglichkeit keinen Abbruch. Allerdings bleibt der typische Elektromobil-Punch aus.

LFP-Akku mit 75,3 kWh Kapazität

Das macht das Vorankommen in einer Stadt wie Paris entspannter, da man sich ohnehin auf das Motorroller- und Blechgewusel, das den orangenen E-Crossover umschwärmt, konzentriereren muss und nicht auf das Gaspedal. Neben dem dynamischen Fahrprogramm stehen noch Komfort und Eco (im GAC-Duktus „Energy Saving“) zur Auswahl, bei dem die Rekuperation besonders ausgeprägt ist. Zusätzlich kann man die Energierückgewinnung auf „schwach“ und auf „medium“ stellen. Als dritte Option bietet der Aion V noch einen Segelmodus.

Die LFP-Batterie (Lithium-Ferrophosphat-Akkumulator) unseres Testwagens hat eine Kapazität von 75,3 Kilowattstunden. Daraus resultiert eine WLTP-Reichweite von 521 Kilometern. Die mancherorts kolportierten 700 km entsprechen dem chinesischen Testzyklus und dürften sich auf die Version mit 90-kWh beziehen. Laut GAC Aion soll das E-SUV im Schnitt 15,9 km/100 km verbrauchen.

Laden mit bis zu 150 kW

Bleibt noch das Laden: Hier gibt das Datenblatt kryptisch Auskunft, dass innerhalb von 15 Minuten für 255 km Strom in die Energiespeicher fließen. Auf Nachfrage erklären die GAC-Techniker, dass an einer DC-Schnellladestelle 150 kW möglich sein sollen. Für eine Batterie mit 400-Volt-Technik wären diese Werte durchaus in Ordnung. An der Wallbox fließt der Strom mit maximal 11 kW. Gut genug, immerhin stellt GAC noch Steigerung auf 22 kW in Aussicht. Dazu braucht es dann auch die entsprechenden Wallboxen. Dass der Aion V per Vehicle-to-Load (V2L) auch als Stromquelle genutzt werden kann, wird die Grillfans freuen.

Der Aion V ist komfortabel abgestimmt, aber das Fahrwerk ist aber nicht butterweich wie bei anderen SUVs aus dem Reich der Mitte. Auch die Lenkung könnte etwas direkter sein und mehr Rückmeldung über die Traktion geben. Alles in allem ist die Abstimmung schon in ganz in Ordnung. GAC versichert, dass diese beiden Systeme bis zum Europastart des Kompakt-SUVs in gut einem Jahr noch nachgebessert werden, um den Geschmack der hiesigen Autofahrer zu entsprechen.

Zum Preis wollten sich die GAC-Manager mit dem Verweis auf die Strafzölle noch nicht äußern. Um Erfolg zu haben, sollte der Aion V zwischen 30.000 und 35.000 Euro kosten. Inklusive EU-Strafsteuer, versteht sich.

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