Bald 25 Jahre ist es her, dass sich General Motors (GM) zum ersten Mal an einem Elektroauto versuchte. Als erster Autohersteller der Neuzeit startete der US-Konzern 1996 in Lansing, Michigan, die Produktion eines Stromers in Serie. Der Saturn EV1 war ein schnittiger Zweisitzer, der anfangs mit der Füllung eines Bleiakkus bis zu 150 Kilometer, später mit einer Nickelmetallhydrid-Batterie immerhin 225 Kilometer weit kam.
Das Auto war eine Antwort auf die scharfen Gesetze zum Schutz der Umwelt, die kurz zuvor im smoggeplagten Kalifornien erlassen worden waren. Diese schrieben den Autoherstellern vor, bis zum Jahr 1998 wenigstens zwei Prozent ihrer Fahrzeugflotte emissionsfrei zu machen. Doch unter dem Druck der Lobbyisten aus der Auto- und Ölindustrie schwächte die Politik die Umweltgesetze alsbald ab. Das Interesse von GM am Elektroauto kühlte darüber rasch wieder ab: Schon 1999 wurde die Produktion des Saturn EV1 wieder eingestellt. Die 1117 Auto, die bis dahin gebaut und an Kunden in den USA verleast worden waren, wurden wieder eingesammelt und bis auf wenige Exemplare verschrottet.
„Der EV1 war ein großer technischer Erfolg, der unsere Ingenieure dazu antrieb, die Leistung eines Fahrzeugs mit Blick auf seine Effizienz zu überdenken“, sagt Ken Morris heute über die E-pisode in der GM-Geschichte. „Aber das Ökosystem, das nötig ist, um ein Elektroauto erfolgreich zu machen“, habe damals nicht existiert. „Wir haben damals gelernt, dass es nicht reicht, nur die Fußspitze ins Wasser zu tauchen.“
Morris entwickelte in den 1990er Jahren als junger Ingenieur noch Bremssysteme für GM und testete Konzernfahrzeuge – zu denen damals auch noch solche der deutschen Marke Opel zählten – auf dem Nürburgring in der Eifel. Inzwischen ist er im Rang eines Vizepräsidenten für die gesamte Programm von GM zur Entwicklung elektrisch und autonom fahrender Autos verantwortlich. Und der Konzern ist entschlossen, nicht nur die Fußspitze, sondern den ganzen Körper ins Wasser zu tauchen: Bis 2025 sollen insgesamt 20 Milliarden Dollar in das Programm fließen und ein ganzes Portfolio von neuen Elektroautos entstehen – Stromer in allen Größen und Karosserieformen, unter allen Marken und für alle Märkte.
Eine Million Elektroautos bis 2025
GM hat dafür eine neue modular aufbauende Fahrzeugarchitektur entwickelt, ein „Ultium“ genanntes Batteriesystem, eine Partnerschaft mit dem südkoreanischen Batterieherstellung LG Chem geschlossen und die Kooperation mit Honda vertieft: Gemeinsam will man in den USA ein Werk für Elektroautos bauen und bei der Weiterentwickung der Batterie- , aber auch bei der Brennstoffzellentechnologie zusammenarbeiten.
„Wir arbeiten auf eine rein elektrische Zukunft hin, weil wir glauben, dass der Klimawandel real ist, und weil wir das Know-how haben, um unseren Kunden auf der ganzen Welt außergewöhnliche Elektrofahrzeuge und Fahrerlebnisse bieten zu können“, formulierte es dieser Tage bei einem Pressegespräch vollmundig der für das internationale Geschäft verantwortliche GM-Vorstand Steve Kiefer. Als Ziel gab er bis zur Mitte der 20er Jahre einen Absatz von insgesamt einer Million Elektroautos in Nordamerika und China aus. Europa, wo GM nach Angaben von Ken Morris nicht über die Rolle eines „Nischenanbieters“ hinauskam, bei Elektroautos vorerst keine Rolle: Hoffnungsträger sind hier erst einmal nur die neue Corvette und das dieselgetriebene SUV Cadillac XT4.n
Verkauf des Chevy Bolt zieht wieder an
Um weltweit auf eine Million Elektroautos zu kommen, muss sich GM allerdings in den kommenden Jahren noch mächtig strecken. Derzeit hat der Konzern jedenfalls nur ein Eisen im Feuer: den Chevrolet Bolt, der in Europa bis zum Verkauf von Opel an den französischen PSA-Konzern als Ampera-e vermarktet wurde. Einige Restexemplare – so genannte Lagerfahrzeuge – des mit einer Reichweite von bis zu 520 Kilometer durchaus respektablen E-Mobils werden aktuell immer noch von Opel- Händlern zu Preisen ab 42.990 Euro angeboten. In den USA steht der Bolt noch ganz offiziell in der Preisliste. Und mit Hilfe von Rabattaktionen hat GM den Verkauf in den vergangenen Monaten auch wieder ankurbeln können: Im ersten Quartal wurden fast 6000 Autos des Typs in den USA abgesetzt.
„Der Bolt ist ein ganz tolles Auto, aber nicht das richtige für Jedermann“, so Morris. Manche Leute – insbesondere in den USA – hätten gerne ein größeres Auto, eine Limousine oder einen Pickup. All diese Varianten will GM in Zukunft mit Hilfe der neuen Plattform und Batterie-Generation bieten – bei deutlich niedrigeren Kosten und zu deutlich günstigeren Preisen.
Batterie für unter 100 Dollar/Kilowattstunde
Die neue Ultium-Batterie, führte im Pressegespräch Chefentwickler Adam Kwiatkowski aus, erlaube Reichweiten von 400 Meilen (645 Kilometer) mit Speicherkapazitäten zwischen 50 und 2000 Kilowattstunden (kWh). Im Vergleich zum Bolt werde ein Batteriepaket mit gleicher Leistung 25 Prozent leichter sein – und zu Preisen von deutlich unter 100 Dollar pro kWh Speicherkapazität angeboten werden können.
Derzeit liegen die Preise für eine Kilowattstunde nach Branchenangaben noch bei knapp 140 Euro. Gebaut werden soll der neue „Power-Akku“ gemeinsam mit LG Chem in einem neuen Werk in Ohio.
„Wir können für Elektroautos keinen Premium-Aufschlag fordern“, findet Morris: „Wir müssen preislich auf Augenhöhe mit den Verbrennern kommen.“
Der erste Auto, das die neue Technologie nutzt, wird der Pickup von GMC Hummer, der als Konkurrent zum Cybertruck von Tesla Ende 2021 auf den Markt kommen soll. Mit einer Motorleistung von 1000 Pferdestärken oder 735 Kilowatt. Wie bei Tesla werden dazu insgesamt drei Elektromotoren verbaut. Auf den ersten vollelektrischen Hummer soll 2022 dann der erste vollelektrische Cadillac folgen: ein Crossover namens Lyric. Mit Vorderrad-und Allradantrieb, vorbehalten zunächst den Kunden auf dem Heimatmarkt.
Und wie geht es weiter? Dazu wollten sich die GM-Manager in der Telefonkonferenz noch nicht äußern. Nur so viel: „Unsere Strategie ist nicht wankelmütig“, versprach Kiefer. Soll wohl heißen: Das Drama um den EV1 soll sich nicht wiederholen.