Eigentlich ist Kia ja die sportlichere der beiden Schwestermarken aus der südkoreanischen Hyundai Motor Group. Aber mit dem Ioniq 5N hat Hyundai vor bald zwei Jahren ein Elektroauto auf den Markt gebracht, das hierzulande selbst eingefleischte Verbrenner-Fans in Verzücken versetzt. Mit einer Antriebspower von bis zu 478 kW oder 650 PS und einem maximalen Drehmoment von 770 Newtonmeter, mit einem synthetischen Motorensound und simulierten Gangwechseln samt Schaltruckeln sowie vier Fahrspaß-Knöpfen. Damit fühlen sich Motorsport-Fans selbst auf Landstraßen ein wenig wie auf der Nordschleife des Nürburgrings – der Buchstabe N ist davon abgeleitet.

Jetzt zieht Kia nach. Der EV6 GT, 2023 immerhin als „World Peformance Car“ ausgezeichnet, wurde zum Modelljahr 2025 kräftig überarbeitet. Er erhielt den gleichen Allradantrieb wie der Hyundai Ioniq 5N, dazu einen größeren, nun 84 kWh fassenden Akku. Die Reichweite steigt darüber von 424 auf 450 Kilometer. Auch die Ladeleistung wurde nochmals erhöht, von 240 auf 258 kW, was die Ladepausen trotz des größeren Akkus auf dem Niveau des Vorgängermodells hält: Spätestens nach 18 Minuten ist der Stromspeicher wieder zu 80 Prozent gefüllt, verspricht der Hersteller.

Geschärftes Profil 
Auch am Heck haben die Kia-Designer Hand angelegt, um die Sportlichkeit des Topmodells der Baureihe zu betonen. Mit einem größeren Heckspoiler und einer prägnanteren Heckschürze. Serienmäßig sind auch die neongrünen Bremssättel an Bord. Fotos: Kia
Geschärftes Profil
Auch am Heck haben die Kia-Designer Hand angelegt, um die Sportlichkeit des Topmodells der Baureihe zu betonen. Mit einem größeren Heckspoiler und einer prägnanteren Heckschürze. Serienmäßig sind auch die neongelbe Bremssättel an Bord. Fotos: Kia

Zusätzlich wurde die Karosserie aerodynamisch mit einem größeren Heck- und einem flügelförmigen Frontspoiler weiter optimiert, auch dem Fahrwerk ein Feinschliff verpasst. Alles, um das „sportlichste Pferd im Stall“ (so Produktmanagerin Felicitas Wunder) noch rassiger, noch begehrenswerter zu machen. Und das Schönste daran: Das Upgrade hat das Modell nicht teuer gemacht. Im Gegenteil: Der Einstiegspreis wurde um rund 3000 Euro auf 69.990 Euro gesenkt. Damit ist er über 5000 Euro günstiger als ein Ioniq 5N, für den Hyundai aktuell 75.560 Euro aufruft. Kia hofft mit der Preissenkung vor allem Gewerbekunden zu gewinnen: Diese dürfen derzeit maximal 70.000 Euro für einen Dienstwagen ausgeben, wenn sie in den Genuß von Steuervorteilen kommen wollen.

Gran Turismo statt Sportwagen

Das ist schon mal ein gutes Argument, um den Kia zu kaufen oder – was bei Elektroautos immer zu empfehlen ist – günstig zu leasen. Aber bietet der EV6 GT auch den gleichen Fahrspaß wie das Schwestermodell von Hyundai? Um das herauszufinden, durften wir auf der zwei Kilometer langen Ovalbahn des Testing Center Aldenhoven bei Aachen, wo für die TV-Serie „Alarm für Cobra 11“ schon wilde Verfolgungsszenen gedreht wurden, einige Runde mit dem neuen „Gran Turismo“ aus Korea drehen. Ein Sportwagen wie der Ioniq 5N, das machten uns die deutschen Markenverantwortlichen von Kia gleich zum Start klar, will der EV6 GT auch nach Facelift und Upgrade nicht sein, eher eine flotte, langstreckentaugliche Reiselimousine mit hohen Sicherheitsreserven.

Powershot 
Der neongelbe Knopf am Lenkrad des Kia EV6 GT mobilisiert alle Kräfte des elektrischen Allradlers aus dem Stand heraus: 478 kW Leistung und bis zu 770 Newtonmeter Drehmoment. In 3,5 Sekunden ist per "Launch Control" dann Tempo 100 erreicht.
Powershot
Der neongelbe Knopf am Lenkrad des Kia EV6 GT mobilisiert alle Kräfte des elektrischen Allradlers aus dem Stand heraus: 478 kW Leistung und bis zu 770 Newtonmeter Drehmoment. In 3,5 Sekunden ist per „Launch Control“ dann Tempo 100 erreicht.

Was nicht heißt, dass der Fahrspaß im EV6 GT zu kurz käme. Wie der Hyundai verfügt er über ein Soundmodul, das Verbrennergeräusche aus der Benzin-Ära simuliert. Nur dass diese hier deutlich zahmer ausfallen und – dankenswerterweise – nur nach innen schallen: Der Ioniq 5N lässt über zwei Außenlautsprecher auch andere Verkehrsteilnehmer und Menschen am Wegesrand am Spaß teilhaben, den der sportliche Fahrer gerade hat.

Wie bei dem Schwestermodell gibt es nun auch im Kia eine „Launch Control“ für atemberaubende Ampelstarts. Und ebenfalls einen „Virtual Gear Shift“-Schalter, der Gangwechsel simuliert. Allerdings begnügt sich Kia mit einem künstlichen Sechsgang-Getriebe – der Ioniq 5N durcheilt auf dem Weg zur Speitzengeschwindigkeit von 260 km/h per „N E-Shift“ acht viertuelle Gangstufen.

Drift-Modus per Knopfdruck

Das macht auf der flotten Fahrt durch die Steilwandkurve allerdings keinen großen Unterschied. Wichtiger ist da, dass der Wagen ruhig wie sicher auf der Piste liegt und bei Tritten aufs Fahrpedal nicht zu tanzen anfängt: Unkontrolliert driften möchte bei hohen Geschwindigkeiten niemand. Wobei der Kia EV6 GT auch diese Disziplin beherrscht – wo es die Auslaufzonen zulassen. Dazu muss allerdings erst am Lenkrad per Knopfdruck der „Drift“-Modus aktiviert werden. Bis zu 100 Prozent der Antriebskraft werden dann auf die Hinterräder gelenkt, was zum Beispiel auf einer beregneten Fläche und bei schneller Kurvenfahrt gezielte Seitwärtsbewegungen ermöglicht. Wozu auch immer das gut sein soll. An Rallyes wird mit dem knapp 2,3 Tonnen schweren Elektroauto sicher niemand teilnehmen mögen.

Fährst Du quer, siehst Du mehr
Ja, mit dem allradgetriebenen EV6 GT lässt sich auch ganz wunderbar driften. Kia hat dafür eigens ein Fahrprogramm entwickelt, das per Knopfdruck aktiviert werden kann. Bis zu 100 Prozent der Antriebsleistung werden dann auf die Hinterräder gelenkt.

Im Alltagsverkehr sind eher andere Dinge wichtiger: Großzügig dimensionierte Bremsscheiben und Hochleistungs-Bremssättel – die beim EV6 GT neongelb lackiert sind. Oder eine Rekuperation, die auch Radarsignale und topographische Daten verarbeitet und automatisch bremst, wenn beispielsweise der Sicherheitsabstand zum voranfahrenden Auto unterschritten wird oder eine Beschleunigung keinen Sinn mehr macht. Oder eine adaptive Geschwindigkeits-Regelanlage, die im Stop-and-Go-Verkehr selbständig abbremst und wieder beschleunigt.

Solch smarte Funktionen machen einen kraftvollen Elektro-GT begehrenswerter als halbstarke, zur Schau getragene Muskelspiele. Kia hat da einen guten Mittelweg gefunden. Und der Preisvorteil schlägt natürlich auch positiv zu Buche. Kiat hat vom EV6 (mit allen Varianten) im vergangenen Jahr rund 5.200 Exemplare auf deutsche Straßen gebracht, Hyundai vom Ioniq 5 mit 7638 Fahrzeugen rund 47 Prozent mehr. Wir sind gespannt, wie sich der Wettbewerb der Geschwister in diesem Jahr entwickelt: Die neongelbe GT-Taste am Lenkrad des EV6 ist ein starker Kaufanreiz, wenn Emotionen beim Autofahren nicht zu kurz kommen sollen.

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