Tesla ist dabei, die Tank& Rast-Gruppe, Ionity, Fastned, Allego, Aral, der Energieversorger EnbW und noch einige mehr. Die Unternehmen sind harte Konkurrenten auf dem wachsenden Ladeinfrastrukturmarkt und haben in den zurückliegenden Jahren Milliardensummen aus Eigenmitteln in den Aufbau von Ladesäulen und Schnellladeparks für Elektroautos investiert. Nun aber ziehen sie an einem Strick – um die jüngst erfolgte Ausschreibung des sogenannten „Deutschlandnetz“ noch zu stoppen und die Bedingungen in Gesprächen mit der neuen Bundesregierung abzuändern.

In einem dreiseitigen Schreiben, das von der Berliner Fachanwältin Katharina Boesche aufgesetzt wurde, appellieren die Ladeinfrastrukturbetreiber an die Bundesregierung, sich von der 100-Prozent-Finanzierung der geplanten 1000 Schnellladeparks ebenso „lossagen“ wie von der vorgesehenen Preisobergrenze von 44 Cent, die an den neuen „Bundes-Ladeparks“ für die Kilowattstunde Gleichstrom aufgerufen werden soll. „Durch die Deutschlandnetz-Ausschreibung auf Grundlage des Schnellladegesetzes sehen wir den bereits heute gut entwickelten Lademarkt massiv durch den Staat gestört“, heißt es in dem Papier, das EDISON im Original vorliegt. Die vollständige Übernahme der Bau- und Betriebskosten während der ersten acht Jahre sei eine „wettbewerbsschädigende Überförderung, die weit über eine zu deckende Finanzierungslücke hinausgehe“ und somit nicht mit den neuen Richtlinien der Europäischen Union vereinbar sei – einige interpretieren diesen Hinweis schon als versteckte Drohung mit einer Klage.

Staatlicher „Maximalpreis“ sorgt für starke Sogwirkung

Auf die Palme bringt die Unternehmen aber vor allem, dass die Bundesregierung mit der Ausschreibung mit der Festsetzung eines Höchstpreises für die Kilowattstunde Strom in die unternehmerische Freiheit eingreift und das Recht zur freien Preisbestimmung eingreift – „in sozialistischer Manier“, wie einer der Beteiligten im Gespräch mit EDISON moniert. „Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Preisobergrenze gesetzlich angeordnet ist oder aufgrund der Marktverhältnisse faktisch verbindlich wirkt“, heißt es in dem Papier. Nach Einschätzung der Unternehmen führe es zu einem „staatlichen Verdrängungswettbewerb unter Einsatz von Steuermitteln“ – „ein Maximalpreis von 44 Cent brutto pro Kilowattstunde an einem HPC-Ladepunkt wird solch eine starke Sogwirkung“ auf alle Nutzer von Elektroautos ausüben, dass die „in in ungleichem Wettbewerb stehende…Ladeinfrastruktur durch mangelnde Nutzung aus dem Markt gedrängt werden würde.“ Klar: Mit einem Kilowattstunden-Preis von 79 Cent würde etwa Ionity kein Land mehr sehen.

Ladepark der EnBW in Rutesheim
Flagship-Ladepark der EnBW in Rutesheim
An der Autobahn 8 vor dem Leonberger Kreuz hat der Energieversorger im Oktober 2020 einen hochmodernen Ladepark mit acht 300 kW-Ladesäulen in Betrieb genommen. Finanziert wurde die Anlage im wesentlichen mit Eigenmitteln. Foto: EnBW

Schon jetzt sehen die Ladestrom-Anbieter „Bremswirkungen“: Eigene Investitionspläne würden überdacht oder hintangestellt. Und mit Blick auf das geplante „Deutschlandnetz“ zögerten die Netzbetreiber Zusagen über Stromlieferungen für aktuelle Projekte hinaus. Der privatwirtschaftliche Aufbau der Ladeinfrastruktur könnte sich deshalb in diesem und im kommenden Jahr massiv verzögern.

Schwere handwerkliche Fehler der Leitstelle?

Die Unternehmen werfen der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur bei der NOW GmbH in Berlin, die den Aufbau des „Deutschlandnetzes“ koordiniert und die Ausschreibung vorbereitete, darüber hinaus schwere handwerkliche Fehler vor. So sei bei der Festlegung der Gebietslose und „Suchräume“, die nun ausgeschrieben sind, keine Rücksicht genommen worden auf bereits bestehende Schnelladeparks. „Privat finanzierte Ladeinfrastruktur“ stünde deshalb „unmittelbar in ungleicher, asysmetrischer Konkurrenz mit der staatlich durchfinanzierten und auf acht Jahre abgesicherten Deutschlandnetz-Ladeinfrastruktur.“

Die Unterzeichnung des „Appells“ fordern deshalb die neue Bundesregierung auf, die Ausschreibung zu stoppen und die Bedingungen in einem „konstruktiven Dialog mit beteiligten Ministerien und Behörden“ zu überarbeiten. Gekoppelt ist diese Forderung mit konkreten Vorschlägen: Statt mit einer Vollfinanzierung sollte der Bau neuer Ladeparks nur mit maximal 40 Prozent bezuschusst werden. Dafür sollten die Netzanschlusskosten erlassen werden und die Preisobergrenzen fallen.

Weder das NOW noch das Bundesverkehrsministerium mochten sich zu dem Schreiben der Ladenetz-Betreiber konkret äußern. Das NOW verwies lediglich auf ein vorbereitetes Papier, in dem einige der Kritikpunkte angesprochen werden. Zur Frage, inwieweit das Preismodell des Deutschlandnetzes die frei finanzierten Wettbewerber gefährden, heißt es dort: „Ein am Markt orientierter Preiskorridor macht Elektromobilität attraktiv für alle – ohne Preisdumping oder Wucher zu befördern. Der Preiskorridor, wie ihn das Ausschreibungskonzept für das Deutschlandnetz vorsieht, ist flexibel und „atmet“ mit Veränderungen in den variablen Kostenbestandteilen wie dem Strompreis, so dass Veränderungen zeitnah Berücksichtigung finden.

Der Preiskorridor wird unter Berücksichtigung der Vollkosten auf Basis realer Daten aus der bisherigen Förderung und eine Amortisierung dieser Kosten durch eine steigende Nachfrage in den nächsten Jahren ermittelt. Annahme ist, dass die Zahl der Ladevorgänge pro Ladepunkte zunehmend stark ansteigt…Die Ausgleichskomponente für den Rückfluss eines Großteils der Einnahmen stellt sicher, dass beim Deutschlandnetz keine Dumpingpreise genommen werden, da die Amortisierung der Grenzkosten faktisch eine Untergrenze setzt. Zudem verlagert sie einen nennenswerten Teil der Unsicherheit bzgl. der Auslastung in den kommenden Jahren auf den Bund.“

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7 Kommentare

  1. Christoph Zehnder

    Ich war auch sehr überrascht als ich auf der Autobahn von der Schweiz nach Worms fuhr .Die Preise sind sehr hoch bei den Ladeanbieter .Bei uns im Kanton Zürich zahlen wir heute am 28.10 .21 pro Kilowatt Hochtarif 0.216 cent umgerechnet von Schweizer Franken in Euro.Und der Stromtarif ist stabil.

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  2. Duesendaniel

    Ich bin nicht sicher, ob die man diese Obergrenze rechtlich wird halten können, aber diesen offensichtlich abgesprochenen Wucherpreisen an öffentlich finanzierten Ladesäulen muss dringend ein Riegel vorgeschoben werden und das Kartellamt hat sich dabei in der Vergangenheit als nicht hilfreich erwiesen.
    Ich bin dafür, jede Säule für jeden Anbieter öffnen zu müssen, damit echter Wettbewerb entsteht und die Preise sinken. Zudem sollte endlich die EEG-Umlage abgeschafft und die Umsatzsteuer für Grünstrom auf 7% gesenkt werden. Das wäre der ersehnte Paukenschlag mit Sogwirkung in der Verkehrswende.

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  3. Matthias Geiger

    Es ist richtig, dass der Staat hier eingreift. Es werden öffentliche Gelder in Anspruch genommen und dennoch die Preise nach oben geschraubt siehe Ionity und bestimmte Kunden bevorzugt wie z.B. bei Ionity oder den ganzen Stadtautos mit einem Verleihmobell siehe z.B. Stadt Krefeld. Auch nutzen die Stadtwerke Ihre Marktmacht um Nichtkunden auszuschließen bzw. überhöhte Preise zu verlangen.
    Der Betrieb bestehender und neuer Ladesäulen im öffentlichen Raum sollte strikt kontrolliert werden, in Bezug auf Zugang für alle Kunden und Höchstpreise.

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  4. Alex S.

    Ich finde es richtig, dass die Regierung hier eingreift, da das Verhinderer-Netzwerk der Mobilitätswende (VDA) keine guten Absichten hat.
    Generell soll der Verbrenner hier weiter den Vorteil behalten.
    Auch wenn wir mit dem maßlosen Einsatz von fossilen Brennstoffen den Planeten komplett zerstören, für unsere Nachfahren unbewohnbar machen, so interessiert das die DAX-Konzerne nicht.
    Und man sieht ja wo das hinführt.
    Ich habe schon KW-Preise von 89 €Cent gesehen. Aus welchem Grund?
    – Die Ladestationen sind mit Steuergeldern finanziert!
    – Der Anschluss an das Stromnetz ist mit Steuergeldern finanziert!
    Also ist es nur Recht, wenn hier ein Deckel kommt.

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    • Matthias Geiger

      Genau richtig

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  5. adson

    Die Verteilung der neuen Ladestationen muss nach flächendeckenden Gesichtspunkten erfolgt, und nicht mit Rücksicht auf IONYTI und anderer Wucherer, mit Lücken geplant werden. Wenn die Förderung stark reduziert wird, lässt sich die Obergrenze nicht durchsetzen. Weitere Ladesäulen, an denen nur für Besserverdienende und Ausgewählte geladen werden kann, sind weder für die Energiewende noch der Förderung der e-Mobilität dienlich. Damit würde der Zweck der Maßnahme nicht erreicht werden und könnte somit gleich fallengelassen werden.

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    • Matthias Geiger

      Genau richtig

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